His Bobness trifft Mr. President
Das neue Jahr fängt so an, wie das alte aufgehört hat. Bob Dylan ist produktiv wie eh und je. Kaum war seine Fernost-Tour unter Dach und Fach und für März/April angekündigt, erfuhr man, dass der alte Zimmermann beim jungen Obama aufspielen wird. Am 10. Februar tritt Dylan beim Konzert im East Room des Weißen Hauses auf. Zusammen mit Natalie Cole, Smokey Robinson, John Mellencamp und anderen spielt er im Rahmen eines Konzerts mit dem Titel „In Performance at the White House: A Celebration of Music from the Civil Rights Movement“ Dies findet wiederum anlässlich des „Black History Months“ statt. Das Konzert wird in den Staaten auch im Fernsehen und im Radio übertragen.
Dylan wird damit das erste Mal im Weißen Haus spielen. Doch nicht zum ersten Mal folgt er der Einladung eines US-Präsidenten und ein Rückblick auf die Beziehungen von Dylan zu den amerikanischen Staatsmännern lohnt sich.
Aufgewachsen ist Dylan in der bleiernen Eisenhower-Zeit. Daher verband er ebenso wie fast alle Menschen seiner Generation große Hoffnungen mit dem Amtsantritt von John F. Kennedy. Auch wenn das Vertrauen unterdessen – Stichwort „Kubakrise“ und „A Hard Rain’s A Gonna Fall“ als Reaktion darauf – doch Risse zeigte, war der junge Bobby über die Ermordung von Kennedy total erschüttert und es mag durchaus auch in dieser Erfahrung begründet sein, dass Dylan immer weniger Lust verspürte, den politischen Messias zu geben.
Lyndon B. Johnson, Richard Nixon und Gerald Ford waren dann Präsidenten mit denen das linke und liberale Amerika herzlich wenig anfangen konnte. Erst mit Jimmie Carter keimte wieder Hoffnung auf. Der empfing noch als Gouverneur von Georgia Bob Dylan auf seiner Comeback-Tour 1974 und sprach als Präsident von Dylan als seinem „guten Freund, dem Sänger Bob Dylan“. Der wiederum bezeichnete den Erdnussfarmer aus Atlanta als „ehrlichen“ Mann.
Doch leider war Carter nur eine demokratische Episode inmitten der republikanischen Präsidenten. Reagan und George Bush sen. waren und blieben Verfechter der Interessenslogik von Konzernen und Militär. Umso mehr Hoffnungen verbanden sich mit der Präsidentschaft von Bill Clinton. Endlich einer aus der Generation der Baby-Boomer, ein saxofon-spielender Demokrat aus dem Süden. Prompt spielte Dylan auf dessen Inaugurationsfeier 1993 vor dem Lincoln Memorial als Überraschungsgast. Und 1997 ehrte der mittlerweile doch in beträchtlichen Schwierigkeiten steckende und insgesamt politisch enttäuschende Clinton unseren Bob mit der Auszeichnung eines Kennedy-Center-Awards.
Doch Dylan blieb seiner Linie so weit wie möglich Abstand zur offiziellen Politik zu halten auch weiterhin treu. Auch wenn George W. Bush ihn mit Urkunde zum „Ehren-Texaner“ erklärte. Den Mann nahm Dylan als amerikanischen Präsidenten ohnehin nicht ernst.
Im Gegensatz zu vielen Kollegen aus der Musikbranche – samt eines Tony Garnier, der während eines Konzerts schon mal einen Obama-Button trug – war Dylans Begeisterung für den neuen Hoffnungsträger Obama doch relativ verhalten. Dylan versteht die engen Grenzen der Möglichkeiten zur Veränderung der amerikanischen Politik instinktiv recht gut und investierte daher wenig öffentliche Emotionen in den Wandel, den er allerdings ebenfalls als notwendig bezeichnete. Dylan war diesmal bei der Inauguration nicht dabei.
Umso überraschender – aber gerade deswegen wieder typisch Dylan – dass er nun dieser Einladung Folge leistete, im Weißen Haus aufzuspielen. Und dass noch explicit zu einem Thema, mit dem man den Dylan von heute jetzt nicht unbedingt auf der Rechnung hat. Doch Dylan zapft immer wieder seine eigenen Quellen an, setzt sich mit seinen Wurzeln auseinander. Daher ist der Auftritt im Weißen Haus auch im Zusammenhang mit seiner Mitwirkung am Soundtrack von „The People Speak“ zu sehen. Er arbeitet sich an seiner Folk-Vergangenheit ab. Dylan weiß, woher er kommt und bestimmt stets selbst die Richtung in die er geht. Da würde einen jetzt auch eine von den Obamas arrangierte Reunion mit Joan Baez nicht mehr wundern.
Dass Dylan gerade jetzt Obama trifft, dessen Hoffnungsträger-Lack mittlerweile deutliche Schrammen aufweist, kann man auch als eine Art Solidaritätsbekundung verstehen. Denn Obama hat genau mit diesem übersteigerten Messianismus zu kämpfen, gegen den sich Dylan zeitlebens gewehrt hat. „Trust Yourself!“ und „Yes, We Can!“ liegen gar nicht so weit auseinander. Beide wollten und wollen, dass die Menschen sich nicht führen lassen, sondern ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Wer weiß, vielleicht spielt Dylan ja als Zugabe eine auf Obama gemünzte Version des „White House Blues“…