Archive for Oktober 2012

Dale Watson spielt zum Tanz auf

20. Oktober 2012

Wie aus einem unscheinbaren Club ein echter Honky-Tonk wird

Man hätte sich ja besser informieren können. Dale Watson war bei mir als derjenige auf dem Schirm, der soeben als Reminiszenz an Cashs Sun Studio Recordings eine ganze Platte in diesem Stil heraus gebracht hat.  Und überhaupt, so erfuhr ich durch die Recherche, ist er einer der interessanten Country & Americana-Künstler aus Texas. Um so  mehr freute ich mich, dass er in Austin spielt, während wir dort sind.

Dass er aber dort aber jeden Montag mehr als drei Stunden zum Tanz aufspielt, das hatte ich schlichtweg übersehen. Um so überraschter waren wir dann auch, als die Tanzfläche schon nach wenigen Takten voll war. Dale Watson und seine „Lone Stars“ rockten den Continental Club in Austin, Texas. Mit Country, Roots und Honky-Tonk vom Feinsten. Dabei immer originell und voller Spielfreude. Watson entpuppt sich im Laufe des Abends als wahre „Rampensau“. Unermüdlich spielen er und seine Jungs, holten immer mal wieder ein paar Gastmusiker auf die Bühne. So wie den Engländer aus Liverpool, zu dessen Ehren sie dann auch ein Stück der Beatles ins Programm aufnehmen. Dazwischen wird immer mal wieder ein ironisches Werbejingle gespielt und Watson preist mit Zahnpastalächeln die Vorzüge von „Lone Star Beer“ an. Und das bleibt nicht die einzige Alkoholika auf der Bühne. Immer wieder bekommen die Jungs Tabletts mit Drinks gereicht. Wobei wir davon ausgehen, dass da auch mal Wasser statt Wodka und Apfelsaft statt Whisky eingeschenkt wird.

Schade, dass wir da nicht mittanzen können, denken wir bei uns, als wir die volle Tanzfläche sehen.  Es ist ein geiles Konzert,  aber nach fast drei Stunden strecken wir die Waffen und begeben uns zur Nachtbushaltestelle.  Dale Watson bringt das Parkett zum Schwingen. Auch das wird uns unvergesslich bleiben.

Anbei eine kleine Impression von Dales Auftritt im Continental Club:

Der Besuch der alten Dame

20. Oktober 2012

Wanda Jackson konzertiert souverän ihren Backkatalog

Die Frau ist jetzt 75. Sie vergisst hier und da schon etwas und scheint nicht mehr ganz so gut auf den Beinen zu sein. Doch im Scheinwerferlicht am Mikrofon macht ihr auch an diesem Abend im Granada-Theater in Dallas keiner was vor. Eine souveräne Entertainerin blickt auf ihre Karriere zurück und ihre unverwechselbare Stimme klingt immer noch richtig gut.

Dabei begann der Konzertabend alles andere als vielversprechend. Zu Beginn langweilte uns Daniel Romano mit ein dutzend Versionen des gleichen jammerigen „Lonesome Cowboy“-Songs. Seine Band war dann auch die Begleitband von Wanda. Die legte voll Stoff los, sang ihre großen Hits wie „Let’s Have A Party“ und „Fujijama Mama“ ebenso wie ihre neuen Songs aus den Alben mit Jack White – leider nicht Dylans „Thunder On The Mountain“ – und Justin Townes Earle und brillierte mit launigen Ansagen.

Am Ende stehende Ovationen und die Gewißheit wirklich die „Queen of Rock’n’Roll“ als „Hurricane with Lipstick“ (Bob Dylan) erlebt zu haben.

Fort Worth/ Dallas, Texas

12. Oktober 2012

Jetzt heisst es wieder Abschied nehmen. Viel gute und ein wenig nicht so gute Musik, interessante Landschaften und spannende Begegnungen liegen hinter uns. Austin war eine sehr gute Wahl. Ein Ort voller Weltoffenheit, Kunst, Musik und Liberalitaet und zu alledem sehr texanisch. Schoene Mischung.

In Fort Worth haben wir noch etwas Cowboyluft geschnuppert und gestern Abend die Vizepraesidentendebatte verfolgt. Die Republikaner sind scheinbar im Aufwind, so wird die Wahl eine wirklich enge Sache.

Wir freuen uns, nun auch wieder zurueckzukommen. Nashville und Austin aber werden wir sicherlich wieder einmal bereisen. Und zu Hause warten mit den Carolina Chocolate Drops und Kris Kristofferson schon wieder richtige Konzer-Highlights auf uns.

Good bye Texas!

Von Leland, Mississippi nach Austin, Texas

9. Oktober 2012

Jetzt sitzt er als politisches Statement in unserem Autofenster. Der „Big Bird“ aus der Sesame Street, den wir als Bibo kennen. Romney wollte in der Debatte bei den Ausgaben fuer das oeffentliche Fernsehen kuerzen, obwohl er doch „ein Fan“ vom Big Bird sei. Bei einem Staatsdefizit bei gleichzeitigen Riesen-Steuerschluepfloechern fuer Reiche den Angriff nicht auf die Wall Street, sondern auf die Sesame Street zu wagen, brachte Romney Hohn und Spott seitens der Demokraten ein, in den wir gerne einstimmen.

Geholt haben wir Bibo im Muppet-Museum in Leland. Einem armen Mississippi-Oertchen, dass ausser dem Gedenken an Jim Henson noch ein Bluesmuseum besitzt. Wir sahen noch dazu die High School-Homecoming-Parade zum Schuljahresbeginn. der Nachbarort Greenville hatte uns dagegen nichts zu bieten. Das Hotel nicht ueberzeugend und das Musikerpaerchen im oertlichen Club eine Katastrophe.

Nun sind wir in Austin und haben dort gstern Abend einen tollen Honky-Tonk-Abend mit dem Country-Roots-Rocker Dale Watson erlebt. Austin ist jung, studentisch, alternativ und trotzdem ganz schoen texanisch. Eine spannende Mischung und der erhoffte zweite Hoehepunkt der Reise.

Nashville, Tennessee

5. Oktober 2012

„Es gibt 1435 Guitar Picker in Nashville“, heisst es in einem Country-Song. Soll heissen, jeder der in der Musik was werden will, zieht es nach Nashville. Und in der Tat: Laengst ist Nashville nicht mehr nur Country-Kapitale der USA, sondern  die Music City der Staaten schlechthin. Alle Arten von Musik werden hier komponiert, produziert, verlegt und vertrieben. Und Nashville ist Kongressstadt. Und sie ist auch ein Zentrum des Bible Belts mit einer grossen Anzahl von kirchlichen Gemeinschaften. Nashville ist also ein Melting Pot.

Und wo laesst sich solch ein Melting Pot leben? In der „American Bar“! So wie diesen Dienstag in Mortons Bar im Herzen Nashvilles, als sich eine junge Amerikanerin aus Chicago, die drei Jahre in Italien gelebt hat und nun in Kunst und Medien macht, ein deutsches Paar – eine Rechtsanwaeltin und ein Journalist – sowie der daenischer Inhaber einer weltweit operierenden Sportmarketingagentur, der in Uruguay lebt, dort trafen. Ueber Laender-, Sprach- und Kultugrenzen hinweg kam es zu interessanten Gespraechen ueber Amerika.

Nur wenige Stunden vorher hatten die Deutschen einem historischen Ereignis beigewohnt. Im 87. Jahr ihres Bestehens wurde mit Darius Rucker erst der dritte Schwarze „Member of The Grand Ole Opry“, also in einen Art Elitekreis der Countrymusik aufgenommen. Auch das ein Zeichen fuer amerikanische Verhaeltnisse.

Die Deutschen sind nun im Bundesstaat Mississippi angekommen und werden ein Stueck weit das Misssissippi-Delta hinunterfahren. Dem Geburtsort des schwarzen Blues. Ohne den es die Countrymusik in ihrer heutigen Form nicht geben wuerde. Amerika – das Land der vielfaeltigen Widersprueche.

Dyess, Arkansas

2. Oktober 2012

„Come in!“, ruft es aus dem Inneren, als wir verhalten an der Tuer klopfen. Das Gebaeude ist ein Trailer, eine dieser schlichten amerikanischen Flachbauten, den man auch leicht zu einem rollenden Zuhause machen kann. Ueber der Tuer steht „McCrory’s General Store since 1953. Souvenirs of Johnny Cash and Gene Williams“. Wegen Cash sind wir hier im amerikanischen Nowhere gelandet.

Als wir das Drugstore betreten, haben wir Muehe – es ist dunkel und mit randvoll mit allerlei Kram – den kleinen alten Mann hinter der Theke zu finden. Freundlich erzaehlt er  – er mag schon 90 sein – dass er Gene Williams noch persoenlich gekannt habe. „Cash?“ Ja klar, den auch, aber Williams scheint ihm wichtiger zu sein. Williams war auch ein Countrystar wissen wir nun. Aber fuer uns wiederum nicht so bedeutend wie Cash.

Dyess wurde in den 30er Jahren als Projekt des New Deal gegruendet. Es gab vielen armen Familien eine neue Existenz. Auch der von Johnny Cash. Vielleicht war es dieses Wissen in die Moeglichkeiten staatlicher Daseinsfuersorge, die Cash zeitlebens davon abhielten einfachen konservativen „Wahrheiten“ zu folgen.

Wir kaufen ein Cash-T-Shirt und der alte Mann schenkt uns ein Bild von Gene Williams. Der ist ihm wichtiger, wie gesagt.

Wir fahren weiter nach Memphis und Nashville. Und folgen fuer einen Teil der Reise Cashs Weg aus der Armut Dyess‘ ueber die ersten Plattenaufnahmen in Memphis hin zum Superstar der Countrymusik in Nashville. Schade, dass es in diesen Zeiten in Amerika keinen mehr wie Johnny gibt.