Der Literatur-Nobelpreis für Bob Dylan ist auch eine Auszeichnung für das „andere Amerika“

Photo Credits: Sony Music, William Claxton
Das Stockholmer Nobelpreis-Komitee hat in der Begründung für die Vergabe des Literaturnobelpreises gesagt, Dylan habe „neue poetische Ausdrucksformen innerhalb der großen amerikanischen Song-Tradition“ geschaffen. Das ist richtig so und in meinem Artikel für country.de habe ich mich damit auch ausführlich beschäftigt. Doch im zweiten Gedanken reifte bei mir die Überlegung, dass diese Auszeichnung auch ein politisches Statement gewesen sein könnte.
Denn dass 23 Jahre nach Toni Morrison erstmals wieder ein US-Amerikaner bedacht wird, kann kein Zufall sein. Denn im Schicksalswahljahr 2016 ist jede Ehrung eines US-Literaten ein Statement gegen Donald Trump. Denn ob Don DeLillo, Philipp Roth oder Richard Ford – allesamt sind sie politisch und moralisch Lichtjahre vom autokratischen Fiesling Trump entfernt. Dass nun Bob Dylan diesen Preis erhält, ist umso passender, da er der amerikanische Künstler mit der weltweit größten Wirkung ist.
Bob Dylan begann als Stimme des „anderen Amerika“. Dem Amerika, das gegen Krieg, Rassismus und Unterdrückung aufstand. Und als Dylan sich von tagepolitischen Songs abwandte, da spiegelten seine Songs immer noch Themen wie Freiheit und Ohnmacht des Individuums in der verwalteten Welt – „It’s Alright Ma (I’m Only Bleeding)“ – oder die scheinbare Ausweglosigkeit des Spätkapitalismus wie in „All Along The Watchtower“. Sein Alterswerk stellt dagegen die universellen Menschheitsthemen auf der Grundlage einer humanistischen Sichtweise in den Fokus. Dylan ist der Anti-Trump. Denn dieser steht für, Ausbeutung, brutales Gewinnstreben, Sexismus und Rassismus.
Also muss sich ein Bob Dylan auch gar nicht öffentlich zum Wahlkampf äußern. Fünfeinhalb Jahrzehnte umspannt seine Karriere, die eindrucksvoll seine freie Geisteshaltung belegt. Wenn ein Sänger aus der mehrheitlich konservativ verorteten Country-Szene sich gegen Trump ausspricht, dann ist das eine Meldung. „Dylan gegen Trump“ dagegen wäre wie „Hund beißt Mann“.
Also ist diese Auszeichnung auch eine Auszeichnung für das „andere Amerika“. Ein Amerika, das mit einem Erfolg von Hillary Clinton die Gefahr eines autokratischen, rechtsfreien, gewalttätigen Herrschaftssystems vorerst gebannt und den Status Quo für grundlegende gesellschaftliche Veränderungen in den USA erhalten hätte. Denn der Kampf gegen die Spaltung der Gesellschaft in Arme und Super-Reiche, die Beschneidung der Macht der Öl- und Rüstungskonzerne (und deren Einfluss auf die US-Außenpolitik), der Banken und des Silicon Valley, steht dann weiterhin auf der Tagesordnung. Dringender denn je.