Archive for the ‘Weihnachten’ Category

Dieser überirdische Moment in Stuttgart

20. Dezember 2019

Das Dylan- und Americana-Jahr 2019 – eine Rückschau. Und eine Vorschau auf 2020

Die Dylan-Konzerte im Jahr 2019 gehören zu den Besten, die der Meister je gegeben hat. Ich falle hier also mal gleich mit der Tür ins Haus. Die Stimme großartig, die Musik inspirierend, die Performance cool und sensibel zugleich. Ob Augsburg im April oder Mainz und Stuttgart im Juli. Einfach stark. Und dann dieser überirdische Moment, als er „Girl From The North Country“ in Stuttgart spielt. Voller Wehmut, voller Schönheit. Gänsehaut! Auch die Erzählungen über die Konzerte in den Staaten im Herbst mit neuem Gitarristen und neuem Drummer hören sich sehr gut an. Dass er dann auch noch die Dylan-Cash-Sessions veröffentlichen lässt, setzt dem Ganzen das Sahnehäubchen auf. Wenn er doch nur endlich nochmal ein Album mit neuen Originalsongs veröffentlichen würde. Während Willie Nelson – noch älter und auch nicht mehr ganz gesund- fast ständig neue Songs herausbringt, herrscht bei Dylan-Fehlanzeige. Abwarten und „Heavens’s Door“-Whisley trinken scheint die Devise zu sein in diesen Tagen.

Americana wird immer politischer
Doch auch außer Dylan konnten wir noch weiteres interessantes beobachten. Z.B. dass das Americana immer politischer zu werden scheint. Mehr oder minder politische Bezüge zur Situation Amerikas hatten in diesem Jahr u.a. Songs und Alben von Trapper Schoepp, J.S. Ondara, Ryan Bingham, Son Volt, Our Native Daughters, Rhiannon Giddens, Eilen Jewell, The Felice Brothers und Tim Grimm. Der amerikanische Traum zerbröselt, die Nation ist sozial, politisch, kulturell und ethnisch gespalten, die Rassismus wuchert immer weiter und die Gewalt nimmt immer katastrophalere Ausmaße an. Und natürlich Trump. Viele singen dagegen an, wir werden sehen, was das Wahljahr 2020 bringt.

Country meets Hip Hop
Eine der vertracktesten Diskussionen im US-Musikjahr 2019 entzündete sich an dem Song „Old Town Road“ von Lil Nas X, einem eingängigen Country-Hip Hop-Hybriden, der just aus den Country-Charts gestrichen wurde, als er zum Höhenflug ansetzte. „Das ist kein Country“ sagen die einen, „Country war immer schon Fusion“, sagen die anderen. Aber es geht dabei letztlich um mehr, als um Geschmacksfragen. Hip Hop und Rap sind die musikalischen Ausdrucksformen einer aufmüpfigen jungen Black Community. Das hört der weiße Countryhörer nicht so gerne. Wenn dann nur in einer softeren Version von weißen Jungs und es als Mainstream-Country verkauft wird. Und wenn die Schwarzen dann auch noch das mit Countrymusik mischen, dann verbitten sich das viele weiße Musikhörer. Doch der Erfolg von Lil Nas X und auch von Blanco Brown gibt Hoffnung, dass hier endlich Grenzen fallen werden.

„Wir spielen unsere Americana-Konzerte im Pädagog, das heißt, wir haben einen Bildungsauftrag.“

Dom Flemons sah das bei unserem Treffen im Juni in Chicago auch so. Einer der denkwürdigsten Momente in diesem Jahr bei unserer an Höhepunkten reichen USA-Reise. Ebenso wie der Besuch des Dylan-Kongresses in Tulsa, Oklahoma nebst Visite des Woody Guthrie Centers.

Von Newport nach Woodstock
2019 – Jahr der Jubiläen: Meine inhaltlichen Schwerpunktthemen waren in diesem Jahr „100 Jahre Pete Seeger“ und „50 Jahre Woodstock“. In Vorträgen in Tübingen, Malente, Darmstadt und Ingelheim habe ich über den Weg von Newport und Woodstock referiert und was die beiden Festivals mit Seeger und Dylan verbindet.

„Americana im Pädagog“
Zu Seeger konnte ich mich bei „Americana im Pädagog“ Anfang Mai über zwei ausverkaufte Pete Seeger Tribute-Konzerte freuen. Cuppatea und ich haben das Pete Seeger-Programm dann im Oktober nochmal in Münster aufgeführt.

Weitere Höhepunkte bei „Americana im Pädagog“ waren in diesem Jahr das ebenfalls ausverkaufte Konzert von Menna Mulugeta mit den Songs der schwarzen amerikanischen Sängerinnen im Februar und der genauso ausverkaufte Bob Dylan-Abend zum Abschluss des kleinen Jubiläums „5 Jahre Americana im Pädagog“ Ende November. Die Konzerte von „Americana im Pädagog“ sollen immer unterhalten, aber sie sollen auch durchaus zum Nachdenken anregen. Und wenn ich mir Programme zu Pete Seeger, Woody Guthrie oder Bob Dylan überlege, dann habe ich durchaus auch den Anspruch, Zusammenhänge zu erklären und auf gesellschaftliche Hintergründe hinzuweisen. „Wir spielen unsere Konzerte im Pädagog, das heißt, wir haben einen Bildungsauftrag, sage ich dann immer scherzhaft.

Wie gesagt, im kommenden Jahr sind US-Präsidentschaftswahlen und sie werden entscheidend sein für die Zukunft dieses Landes, auf das so viele Menschen ihre Träume gebaut haben. Ich werde dies in verschiedener Form aufgreifen. Bei meinen Seminaren, mit dem Themenmonat „Voices Of The Other America“ in meiner „Americana“-Reihe, einem literarisch-musikalischen Programm zum Thema USA und einem besonderen Konzertformat in der zweiten Jahreshälfte. Und möglicherweise gelingt es mir, meine publizistische Produktion zu diesem Thema in Richtung einer größeren Form zu lenken, aber das werden wir sehen.

Blick nach vorn
Es wird also ein aus vielerlei Hinsicht wichtiges Americana-Jahr, das Jahr 2020. Es geht um einiges, aber jetzt ist einfach die Zeit mit kulturellen Beiträgen in die politische Debatte einzugreifen. Mit guter Musik macht das besonders viel Freude!

Bleibt mir nun noch fröhliche Weihnachten und einen guten Rutsch zu wünschen! Auch in der Cowboy Band-Welt kehrt nun Ruhe ein, im Januar geht es hier wieder weiter. In diesem Sinne wie immer an dieser Stelle Santa Bobs Weihnachtsgruß!

Kleine Frau ganz groß!

11. Mai 2019

Sonia Rutsteins Album „By My Silence“

Beim großen Pete Seeger Tribute von „Americana im Pädagog“ zeigte sie, was sie ausmacht, und warum sie immer mehr Freund*innen gerade auch hierzulande gewinnt. Sonia Rutstein ist eine großartige Musikerin und dazu ein ganz bescheidener und unprätentiöser Mensch. Sie ist eine Teamplayerin und fügte sich ganz selbstverständlich in die große Musikerschar ein. Solche Leute braucht man, um solche Konzerte erfolgreich durchführen zu können.

Sonia sang an diesem Abend mit bei „Where Have All The Flowers Gone“, „Turn! Turn! Turn!“ und „We Shall Overcome“ und brachte Solo „Rainbow Race“, mit Unterstützung von Cuppatea „Wimoweh“, und vom gesamten Ensemble begleitet „Guantanamera“. Ganz selbstverständlich wollte sei dabei sein, wenn der Mann geehrt wird, mit dem sie beim Clearwater-Festival zusammen gesungen hat, und der auch ihr ein großes Vorbild ist. Man spürt das bei ihrem Engagement. Ganz selbstverständlich verbindet sie Musik mit politischem Engagement. Und dabei steht stets der Mensch im Mittelpunkt und keine Parteitaktik.

Ihr aktuelles Album „By My Silence“ ist ein Ausdruck dessen. Gleich der erste Song zeigt auf, wie irre diese Welt ist, wenn politische Systeme Menschen brechen wollen, die etwas angeblich unbotmäßiges getan haben. So ist die junge sunnitische Muslima Nudem Durak in der Türkei zu 19 1/2 Jahren Haft verurteil worden, weil sie kurdisch gesungen hat. „A Voice For Nudem Durak“ braucht dann auch nicht viel Text um diesen Wahnsinn anzuprangern und um Nudem zuzurufen: „Wir singen für Dich, Deine Stimme wird gehört. Wir sind eine Familie, wir sind eine Welt.“

Schon länger im Programm von Sonia Rutstein und nun endlich auf Platte ist „By My Silence“, ein Song, der von den berühmten Worten Martin Niemöllers inspiriert ist: „Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“ In ihren Liner Notes sagt sie über das Lied, das von Nick Annis und Ellen Bukstel stammt, es sei ein Wecker: „Es ist Zeit aufzuwachen und Widerstand zu leisten!“

Neben den Protestsongs setzt sie sich auf diesem Album auch ganz intensiv mit ihrer jüdischen Herkunft auseinander. So hat sie für den Nachbarsjungen mit „Light In You“ einen Hanukka-Song geschrieben, singt mit „Eleh Chamda Libi“ und „Oseh Shalom“ zwei israelische Folksongs und mit „Hatikva“ sogar die israelische Nationalhymne.

Und dann gibt es noch den fröhlichen Song „Wandering Jew“. Der Song ist der Ausdruck der mittlerweile tiefen Verbundenheit mit Deutschland. Mit dem Deutschland bzw. der Menschen in Deutschland, die um die dunklen Seiten der Vergangenheit des Landes wissen und sowohl ihr als Jüdin als auch Geflüchteten in Not eine Heimstatt bieten wollen. Immer länger werden Ihre Tourneen in Deutschland. Kein Wunder, singt sie doch „Welcome to the new Land of the Free, I’m a little Jew Wandering in Germany, Welcome to the new Land of the Free, I’m a little Jew wondering in Germany“. Und hier ist dann auch die Würdigung von Pete Seeger platziert: „Seeger said this was a rainbow race, nobody here is out of place“. Für Sonia Rutstein gibt es nur eine Welt und alle Menschen sind eine Familie. Auch sie singt mit Verve gegen das „Othering“ an.

Bleiben noch zwei langsame Songs zu erwähnen. Das eine, „Hallelujah“, ist eine Verbeugung von Sonia, der Cousine des Songwriter-Papstes Bob Dylan, vor einem anderen großen Songwriter – Leonard Cohen. Und ganz zum Schluss dieses wunderschönen Albums stellt sie sich Fragen. Alte Fragen zwar, die aber immer wieder kehren. Warum bin ich lesbisch? Warum, warum, warum? Auch Jahre nach dem Coming-Out bewegt sie das. Und sie lässt uns an den Sorgen teilhaben und an ihren Zweifeln, geht aus der Deckung, ist ungeschützt. Um dann aber doch mit großer Bestimmtheit festzustellen „Es ist okay, dass ich der bin, der ich bin“. Und auch das macht diese kleine, zierliche Frau zu der großen Künstlerin, Sängerin und Songschreiberin und dem großartigen Menschen Sonia Rutstein!

Shadows In The Night – Erste Annäherungen

24. Januar 2015

Bob-Dylan-Shadows-in-the-NightDylan, der alte Unberechenbare, hat nun erstmals seit einigen Jahren wieder ein großes Interview gegeben, um seine Platte „Shadows In The Night“ zu bewerben. Und da er – oder sein Beraterstab – mittlerweile die PR-Maschine perfekt beherrschen, gab er das Interview nicht dem Rolling Stone, sondern dem Magazin der mächtigen US-Interessensorganisation der Senioren, AARP. Dies ist sowohl zielgruppengerecht, als auch vertriebswegorientiert, denn gleichzeitig verteilt Dylan 50.000 Kopien seines Album mittels der Print-Ausgabe des Magazins. Wow! Wieder so in Dylan-Coup.

Doch kommen wir zum musikalischen. Neues über den Menschen Dylan oder seiner Sicht der Welt gibt uns dieses Interview nicht, sondern es zeigt noch einmal sehr schön deutlich auf, welche Wurzeln Dylans Musik hat und vor allem zeigt es seine große Liebe, sein immenses Wissen und sein tiefes Verständnis für alle Formen der amerikanischen Populärmusik.

Ein Freund, ein großer Kenner der texanischen Country-Singer-Songwriter und auch sonst ein kluger Kopf, mahnte in der Beschäftigung mit „Shadows In The Night“ an, dass uns das Sinatra-Ding auf die falsche Fährte locken würde. Der Antrieb für „Shadows In The Night“ wäre ein anderer.

Und in der Tat, er hat nicht ganz Unrecht. Sinatra führt hier der Fragesteller ein. Dylan schafft es, das aufzugreifen und weder zu bestätigen noch zu dementieren, wie es so schön heißt. Natürlich sind die Songs alle schon von Sinatra gesungen worden. Doch sie gehen zum Teil zeitlich weiter zurück. Dylans „Shadows In The Night“  ist vielmehr eine erneute Hommage an „The Great American Songbook“, an den traditionellen urbanen amerikanischen Popsong, verwurzelt im Jazz und Swing der 20er, 30er und 40er Jahre. Erneut deshalb, weil das auch – allem vordergründigen Weihnachts-Sentiment zum Trotz – schon bei „Christmas In The Heart“ mit-swingte.

Dylan hat sich im Laufe seiner Karriere allen seinen Wurzeln gestellt. Er wurde bekannt durch Folk- und Protestsong, berühmt und legendär durch seine Verbindung von Folk-Rock mit surrealen Songtexten. Er sorgte für Verwirrung durch Liaisons mit Country und Gospelmusik. Und schon einmal, in frühen Zeiten Anfang der 70er, verschreckte er seine Anhänger auf „Self-Portrait“ mit dem amerikanischen Popsong. In diesem Interview erzählt er nochmal ausführlich, dass er groß geworden ist mit der Musik, die ihm die Radiostationen im hohen Norden der Vereinigten Staaten boten: Country, also Hank Williams und die Grand Ole Opry, ebenso wie die den frühen Rock’n’Roll, den Blues, Soul und Gospel. Und eben die Musik der großen Big-Bands wie der von Glen Miller.

Nun also die Beschäftigung mit dem Great American Songbook ganz systematisch, kreativ befreit und lässig souverän. Was man bislang im Netz oder live hören konnte klang sehr interessant. „Full Moon And Empty Arms“ konnte mich nicht vollauf begeistern – Dylans Stimme wirkte wie sediert. „Stay With Me“, das schon im letzten Abschnitt seiner Tour stets der letzte Song des Abends war, klingt dagegen berührend, großartig und, wie ich empfinde, überirdisch schön.

Noch wenige Tage, dann ist die Platte raus. Dann können wir uns mit dem Gehörten, mit den Arrangements, den Songtexten und der Song-Reihenfolge des Albums auf die Suche nach dem inneren Zusammenhang des Albums machen. Werkdeutung – die Lieblings-Disziplin der Dylanologen  – ist angesichts von „Shadows In The Night“ nun wieder angesagt. Frisch ans Werk!

Auszüge aus Dylans Interview sind hier nachlesbar:
http://www.aarp.org/entertainment/style-trends/info-2015/bob-dylan-aarp-magazine.html?intcmp=AE-HP-BB1-BOBDYLAN

Und hier kann man sich „Stay With Me“ anhören:
http://www.npr.org/blogs/allsongs/2015/01/19/377744951/song-premiere-bob-dylan-stay-with-me?utm_campaign=storyshare&utm_source=twitter.com&utm_medium=social

Merry Christmas!

23. Dezember 2011

An dieser Stelle möchte ich allen Lesern dieses Blogs ein frohes Weihnachtsfest und einen geruhsamen Jahresabschluß wünschen!

Doch was wäre das Weihnachtsfest ohne die wilde Weihnachtsparty aus dem Dylan-Video zu Must Be Santa“? Warum nicht mal Weihnachten richtig feiern?

Bob hat den Song auf seiner 2009er Weihnachtsplatte „Christmas In The Heart“ sehr stark an die Polka-Version der Brave Combo angelehnt. Das Original des von Hal Moore und Bill Fredericks geschriebenen Songs wurde 1960 von Mitch Miller veröffentlicht.

Unten nun die Dylan-Weihnachtsparty und das Original von Mitch Miller.

Viel Spaß beim Sehen und Hören!

Hier geht es zur Dylan-Weihnachtsparty:
Bob Dylan Must Be Santa

Das Original: