Archive for the ‘The Band’ Category

The Band – Sondereditionen zum 50. Geburtstag des „braunen“ Albums

5. Oktober 2019

Nachdem Bob Dylan und „The Band“ 1967 im Keller von Big Pink mit den Basement Sessions das „Americana“ schufen – noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit, weil Dylan die Bänder erst 1975 veröffentlichen ließ – war es an der kanadisch-amerikanischen Truppe das neue Genre dem Publikum vorzustellen. 1968 erschien ihr Debüt-Album „Music From Big Pink“, das tatsächlich noch sehr den Geist des Kellers in Woodstock atmet. Und im selben Jahr traten sie dann mit Bob Dylan beim Woody Guthrie-Tribute anlässlich des Todes der Folk-Ikone auf. Auf diesem Blog habe ich vor zwei Jahren auf den Zeitraum 1967/68 verwiesen: https://cowboyband.blog/2017/12/28/vor-50-jahren-die-geburt-des-americana/

Die Geburtsjahre des „Americana“
1969 im Woodstock-Jahr führen die Protagonisten inmitten der Psychedelic-Welle ihre Arbeit an Americana und Country-Rock fort. Während Dylan mit „Nashville Skyline“ im April bereits seine Hinwendung zur Countrymusik dokumentierte (er nahm im Februar 1969 mit Johnny Cash auf, die Sessions werden nun endlich in wenigen Wochen, am 1. November, veröffentlicht!) erschien im September 1969 das zweite, das „braune“ Album der Band. Nachdem „The Band“ bei Woodstock aufgetreten waren, sie durch die Schnappschüsse von Elliott Landy sich auch optisch als „American Pilgrims“ stilisiert hatten, war die Zeit reif für „The Band“. Das zweite Werk von Levon, Robbie, Richard, Garth & Rick wurde in einem Atemzug mit dem weißen Album von John, Paul, George & Ringo genannt, was die Entwicklung der Pop- und Rockmusik anging. Insbesondere Eric Clapton war und ist des Lobes voll.

Robertson kuratiert die Neuausgabe und verarbeitet die Vergangenheit
Während also zum 50. Jubiläum von Nashville Skyline und den Dylan/Cash-Sessions letztere endlich veröffentlicht werden, wird auch das braune Album entsprechend gewürdigt. Unter dem Kuratel von Robbie Robertson wurde das Album neu gemischt, einige Bonus Tracks zusammengetragen und vor allem: Erstmals wird das Woodstock-Konzert von „The Band“ offiziell veröffentlicht.

Diese ganze Jubiläums-Kiste hat wohl Robbie Robertson indes so beschäftigt, dass er unter dem Titel „Once Were Brothers“ sowohl an einem Dokumentarfilm über seine Zeit mit „The Band“ mitwirkte, als auch einen Song schrieb. Beides an seiner Biographie „Testimony“ angelehnt. Der mittlerweile 76-jährige erzählt seine Version der Geschichte von „The Band“, nachdem Levon Helm in seiner Biographie „This Wheel’s On Fire“ Robertson schwere Vorwürfe machte bezüglich Songrechten und Bandleader-Allüren. Jahrelang waren die beiden zerstritten und legten die Fehde erst an Helms Totenbett im Jahr 2012 bei. Der Schreiber dieser Zeilen hat den Film, der am 5. September Premiere hatte, bislang noch nicht sehen können, aber was man hört, scheint Robbie einiges auf den angeblichen Drogenkonsum der anderen Bandmitglieder zu schieben. Wir werden sehen, wie wir das einzuschätzen haben, und uns hier wieder zu Wort melden.

Erscheinungsdatum 15. November
Wie auch immer, am 15. November erscheinen nun eine Reihe von 50th Anniversary Edition-Packages: ACD, Blu-ray, Doppel-Vinyl, 7-Inch-Boxset mit gebundenem Buch und vieles mehr. Auch hierfür gilt: Wir werden es hören und auch dazu hier wieder von uns hören lassen. 50 Jahre danach ist die Geschichte und die Musik von „The Band“ wieder neu zu entdecken. Und das ist gut so.

Bob Dylan war nicht dabei

16. August 2019

Bob Dylan und 50 Jahre Woodstock: Beschreibung eines Verhältnisses und Einordnung in die gesellschaftlichen Entwicklungen in den USA.

Nein, ich kann mich nicht erinnern 1969 irgendetwas von Woodstock

Woodstock 1969, Photo Credits: Wikimedia Commons

miterlebt zu haben. Das liegt an meinem Alter – ich war noch nicht einmal sechs Jahre alt – als auch an meinen Eltern, die der Vor-Woodstock-Generation entstammten und mit den damaligen gesellschaftlich-kulturellen Umbrüchen nichts anfangen konnten. Aber ich habe mich auch in den Folgejahren nie sehr leidenschaftlich um Woodstock gekümmert. Ja, Woodstock war halt wichtig. Und bei den älteren, langhaarigen Schülern auf dem Gymnasium ließ man sich schon gerne mit dem Woodstock-Album sehen. Aber mich berührte das nicht sonderlich, auch wenn der eine oder andere Auftritt – Joan Baez mit Drugstore Truck Drivin‘ Man (gegen Ronald Reagan) oder Country Joe McDonalds Anti-Vietnam-Hymne „Fell Like I’m Fixin‘ To Die“ – mir schon imponierte.

Bob Dylan floh vor dem Woodstock-Festival
Als ich Mitte/Ende der 1970er Bob Dylan für mich entdeckte, bekam ich schon recht schnell mit: Der war ja gar nicht bei Woodstock dabei. Der floh regelrecht davor. Obwohl es ja in Woodstock stattfand, weil er ja da wohnte. Der Messias der Rockmusik, der zu dieser Zeit sich vor der großen Öffentlichkeit zurückgezogen hatte, wollte mit den Hippies nichts zu tun haben. Den „Summer Of Love“ 1967 verbrachte er mit „The Band“ im Keller und spielte alte Folk, Blues, Country-, Gospel- und Rock’n’Roll-Nummern, die erst Jahre später als „The Basement Tapes“ veröffentlicht wurden. Und während draußen die Psychedelic-Rockwelle tobte, da schrieb er einfache, kleine Folk- und Country-Songs (im Vergleich zu seinen textlich-überbordenden Mittsechziger Werken) und veröffentlichte 1968 „John Wesley Harding“. 1969 ging er sogar ins konservative Nashville und veröffentlichte „Nashville Skyline“. Woodstock, so sagte er später, war für ihn „nur ein großer Markt für Batik-Shirts“.

Doch dieser Bob Dylan, der damals gerade seine Inkarnation als Familienvater durchlebte, war in der Tat ein Wegbereiter für die Gegenkultur, deren Ausdruck Woodstock auch war. Er kaperte Anfang der 1960er das Folk-Revival und befeuerte dessen Politisierung durch Protestsongs mit einer lyrischen Qualität und einer Dringlichkeit der Botschaften, die überwältigend war. Er komponierte den Soundtrack der rebellischen Jugend, die sich mit den benachteiligten Schwarzen solidarisierte und gegen die Kriegsgefahr protestierte. Seine Songs über „Hattie Caroll“ oder den „Masters Of War“ sind unerreichte Meisterwerke, die die gesellschaftlichen Verhältnisse auf den Punkt bringen, ohne sich in dumpfen Plakatismen und Wortdrechseleien zu ergehen.

Er war es aber auch, der der Vater aller Nonkonformisten wurde. Teils aus Eigenschutz, weil er als 22-Jähriger eben nicht die Kraft und den Willen besaß, zu einer politischen Führungsfigur – Che Guevara mit Gitarre? – zu werden, wie es einige gerne gesehen hätten und daher Druck auf ihn ausübten. Teils aus tiefer Überzeugung als autonomer Künstler, der sich seine Subversivität gegen alle mächtigen Institutionen erhalten wollte.

Er war es dann aber auch, der das Folk-Revival sprengte und die Bedeutung des Newport-Folkfestivals zum Implodieren brachte. Als er seine Gitarre 1965 einstöpselte, wurde er für die puristischen Folkies zum Judas. So schrie es einer 1966 in Manchester heraus. Gleichzeitig ebnete er der intelligenten Rockmusik den Weg. Er dichtete weiterhin gesellschaftskritisch, aber weniger tagespolitisch, weniger direkt politisch verwertbar. Dass die Botschaften dieser Songs wie „Subterranean Homesick Blues“ oder „It’s Alright Ma“ vielleicht noch radikaler waren, als die frühen Protestsongs, zeigten die Bereitschaft der linken militanten „Weathermen“ sich für ihren Namen bei einer Liedzeile von „Subterranean“ zu bedienen oder die Begeisterung von Black Panther-Anführer Huewy Newton für Bob Dylans Mittsechziger Rockmusik.

Er trug kulturell dazu bei, dass sich eine neue Linke entwickelte. Pete Seeger – bis heute ist nicht geklärt ob er wirklich mit der Axt bei Newport 1965 die Stromleitung kappen wollte – stand für die alte Linke. Dylan stand für eine individualistische, hedonistische und undogmatische Linke. Für sie war er einer der ihren, dessen Ruhm und Legende in seiner Abwesenheit nach seinem Motorradunfall und während seiner Elternzeit immer größer wurde, obwohl er jetzt andere, traditionellere Musik machte. Aber auch „All Along The Watchtower“ vom Album „John Wesley Harding“ war ja nichts anderes als das gegen die verwaltete Welt gerichtete „Sesam, öffne dich, ich will hinaus“, das sowohl gegen den westlichen Kapitalismus, als auch den gegen den Gesellschaftsentwurf des poststalinistischen Ostens rebellierte. Dylan war einfach nicht eins mit dieser Welt und lieferte so den Soundtrack des Generationenaufstandes Ende der 1960er.

Isle Of Wight statt Woodstock: Bob Dylan 1969

Woodstock-Generation und Neoliberalismus
In Woodstock – von jeher eine Künstlerkolonie – siedelten sich aus Verbundenheit zu ihrem Idol und Wegweiser Dylan, dann auch eine ganze Reihe weitere Musikerinnen und Musiker an. Und das war wiederum der Anlass für die Geschäftsidee von Michael Lang und Artie Kornfeld, die dort ein Tonstudio einrichten wollten, um von der Künstlerdichte zu profitieren. Sie fanden die jungen Finanzinvestoren John P. Roberts und Joel Rosenman und das Phänomen Woodstock ’69 nahm seinen Lauf. Von Anfang an war es beides. Sowohl ein Symbol der Gegenkultur, und der notwendigen Befreiung von überkommenen gesellschaftlichen Zwängen, als auch ihr Ende und der Anfang eines kommerzialisierten Mainstreams, der zumindest ein Jahrzehnt lang Glaube und Hoffnung gab, man könne die Gesellschaft verändern. Dann kamen Reagan (der Truckfahrer wurde US-Präsident), Thatcher, Kohl und begruben die Träume und in den 1990ern waren es Teile der Generation Woodstock, die mit dazu beitrugen, dass der Neoliberalismus auch in alten und neuen linken Organisationen seinen Siegeszug antrat. Clinton, Blair, Schröder, Fischer hatten sich mit dem Kapitalismus arrangiert.

Wie besinnungsloser Neoliberalismus die Globalisierung strukturiert, das konnte man schon in 1980ern sehen und spätestens mit Finanz-, Klima-, und Flüchtlingskrise ist unsere Art des Wirtschaftens kollabiert. Sie erfüllt nicht die Bedürfnisse der Menschen. Sie schafft Wohlstand nur in wenigen Zentren. Sie schafft Armut in der dritten Welt. Aber sie lässt auch in den wohlhabenden Zentren Wenige immer reicher werden. Und sie zerstört unseren Planeten.

Die Wohlstandsschere klafft immer weiter auf. Während soziale Ungleichheit für linksliberale Milieus aber so gut wie kein Thema ist, werden Geschlechtergerechtigkeit, Diversität und Klimaschutz von einflussreichen Kreisen den Globalisierungsverlierern zum Fraß vorgeworfen. Trump, Johnson, Gauland sind Männer des alten weißen Establishments, die für ihre Spielchen genug verzweifeltes Stimmvieh und Fußvolk finden. Es sind Vertreter von bestimmten Kapital- und Oberschichtenfraktionen.

Deren Kampf gegen den Linksliberalismus ist aber auch ein Kampf gegen jede linke Utopie, weil sie die hassen und der Linken die Ausgangsbedingungen nehmen wollen. In rechten autoritären Systemen werden die Linken im Gefängnis sitzen. Daher muss die Linke erstmal mit den demokratischen Kräften gegen den Siegeszug der neuen Rechten angehen. Aber es muss auch immer klar sein: Alle diese Probleme – Klimakrise, Flüchtlingselend, soziale Ungleichheit, Rassismus und Sexismus sind direkte oder indirekte Folgen der kapitalistischen Produktionsweise und ihrem ungezügelten Durchgriff auf alle gesellschaftlichen Bereiche: Arbeit, Freizeit, Familie, Kultur, Gesellschaft. Das muss breit in der Gesellschaft diskutiert werden. Es geht um mehr als um den Status Quo oder die vermeintlich „schöne Zeit“ vor 2015.

Bob Dylan als Globalisierungskritiker
Bob Dylan hat sich auch nach seiner Protestphase immer mal wieder konkreter zur politischen Situation geäußert. Er hat mit „Union Sundown“1983 frühe Globalisierungskritik geäußert und hat 1985 beim Heiapopeia-Live Aid auf die Existenzprobleme der US-Farmer aufmerksam gemacht. 1993 hat er für Clinton bei dessen Inauguration gespielt, weil er sich von ihm Verbesserung erhoffte. Wie enttäuscht er als Vertreter des alten New Deals vom Neoliberalismus der Baby-Boomer sein musste, bewies seine Weigerung, in den allgemeinen Obama-Hype miteinzustimmen. Sein Song „Workingman’s Blues #2“ von 2006 ist eine klare Analyse des Niedergangs des Proletariats in Zeiten der Globalisierung und sein „Early Roman Kings“ von 2012 zeigt auf, dass Banker, Mafia oder Gangsta nur verschiedene Seiten derselben kapitalistischen Medaille sind.

Seit 2012 hat Dylan keine neuen Lieder mehr veröffentlicht, keine aktuelle Textstelle, die sich als Reaktion auf Trump werten ließe. Doch Bob Dylan hat auch zu Trump in seinen Liedern schon alles gesagt. Dylan steht für ein anderes Amerika, als es Trump will.

Die Linke muss sich neu erfinden während Bob Dylan zeitlos ist
Michael Lang ist mit seiner Woodstock-Neuauflage krachend gescheitert. Dylan war 1994 dabei, dass funktionierte noch irgendwie während des Baby-Boomer-Optimismus der ersten Clinton-Jahre. 1999 beim 30-Jährigen wurde Woodstock zur Tragödie, als von massiven sexuellen Übergriffen und Desorganisation die Rede war. Nun wurde Langs letzter Anlauf zur Farce. Ohne Geld, ohne Künstler, ohne Festivalgelände.

Ein guter Anlass, über die heutige neue Linke in den USA nachzudenken. Die Woodstock-Generation und ihre Protest- und Lebensformen helfen nur bedingt in der politischen Auseinandersetzung für einen sozial-ökologischen New Green Deal. Über vieles ist die Zeit hinweg gegangen. Und viele aus der Woodstock-Generation gehören heute zum Establishment. Und es hat auch seinen Grund, dass das Silicon Valley in der San Francisco Bay Area zum Ursprung der absoluten Herrschaft von Apple, Google, Microsoft und Co wurde. Denn der Siegeszug des Neoliberalismus hat seine Ursachen auch in den gesellschaftlichen Veränderungen der 1960er Jahre. Deren Umbrüche führten zu einer gesellschaftlichen Modernisierung, die in einigen Teilen eben bestens kompatibel zum Kapitalismus war.

Und so ist auch über viele Protagonisten der damaligen Gegenkultur die Zeit hinweg gegangen. „Love and Peace“ reichte damals nicht und reicht auch heute nicht zu einer Strategie für tiefgreifende gesellschaftlichen Veränderungen, die auch die Produktions- und Besitzverhältnisse in den Blick nehmen. Darum ist die ewige Beschwörung des Woodstock-Mythos auch so schal. Man muss Woodstock wichtiges Ereignis seiner Zeit mit einer gewissen Wirkung und Bedeutung würdigen. Man kann in Erinnerungen schwelgen und sich an der Musik erfreuen. Man muss aus dem Lernen, was es gewesen ist und was es nicht gewesen ist. Aber immer weiter eine nostalgieselige Überhöhung zelebrieren muss man nicht. Die Welt hat sich in 50 Jahren weitergedreht.

Bob Dylan hat damals nicht dazugehört. Und das macht ihn heute aktueller denn je. Er ist aktueller, weil er die universellen Fragen stellt, die seit dem Entstehen der bürgerlichen Gesellschaft von Shakespeare, Goethe, Brecht, von Marx, Marcuse und Adorno gestellt wurden. Er hat sich daher immer dem Zeitgeist entzogen – abgesehen von seiner christlichen Phase mit der ich nie ganz meinen Frieden schließen werde – war er ihm oftmals voraus und ist somit zeitlos geblieben. Bob Dylan war nicht bei Woodstock dabei gewesen und es war gut so!

Vor 50 Jahren: Die Geburt des „Americana“

28. Dezember 2017

Bob Dylan 1967, Foto: Sony Music/ Elliott Landy

„The Basement Tapes“, „John Wesley Harding“ und „Music From Big Pink“ veränderten 1967 und ’68 die Musikgeschichte.

Wenn nun das Jahr wechselt und aus 2017 so langsam 2018 wird, dann lohnt es, sich als Musikfreund an die Zeit vor 50 Jahren zu erinnern. Denn damals wurde Musikgeschichte geschrieben. Denn wenn Ausnahmemusiker zusammenkommen und sich gegenseitig befruchten, dann entsteht sehr oft etwas Neues, so noch nie Dagewesenes. So auch im Zeitraum vom Frühjahr/Sommer 1967 bis zum Sommer 1968 als Bob Dylan und „The Band“, vormals „Levon and The Hawks“, nichts weniger als das „Americana“ erfunden haben.

Dylan findet mit „The Hawks“ eine Tourband
Während 1966 Dylan der junge Folk-Rock-Hipster mit Protestsong-Vergangenheit war, spielten die „Hawks“ vorwiegend Rhythm & Blues und Rock’n’Roll in abseitigen Clubs und Spelunken. Als Dylan dann für seine Welttournee 1966 eine Begleitband suchte, fand er die „Hawks“, ehemals Begleitkapelle des kanadischen Rockers Ronnie Hawkins. Wochenlag ließen sie sich von den Zuschauern für ihren Folk-Rock beschimpfen, dann stieg Drummer Levon Helm entnervt aus. Höhepunkt des Kampfes von Dylan mit seinem Publikum war dann der berühmte „Judas!“-Ruf in der Manchester Free Trade Hall.

Doch die Scharmützel mit seinen Fans, die Knochenmühle des Tournee-Zirkus und die vielen Mittelchen mit den versucht wurde, Kreativität und Schaffenskraft trotz der enormen Belastungen aufrecht zu erhalten, forderten ihren Tribut. Im Sommer 1966 war Dylan physisch und seelisch ein Wrack. Und sein Manager Albert Grossmann hatte schon wieder eine umfangreiche Tour zusammengestellt. Dylans Motorradunfall am 29. Juli 1966 war da die willkommene Gelegenheit, für eine Weile aus diesem Rattenrennen auszusteigen.

„The Basement Tapes“
Gut eineinhalb Jahre trat Dylan nicht mehr in der Öffentlichkeit auf. Es dauerte fast ein Dreivierteljahr bis Dylan wieder Spaß bekam regelmäßig zu musizieren. Aber dann richtig: Vom Frühjahr bis Herbst 1967 verbrachte er jeden Tag viele Stunden mit den „Hawks“ – Levon Helm war jetzt wieder mit von der Partie – und sie spielten alles was sie kannten aus Folk, Country, Blues und Rock’n’Roll. Mehr als hundert Songs schnitten sie mit. Neben der Beschäftigung mit vielen Standards begann Dylan auch wieder Songs zu schreiben. Es entstanden Klassiker wie „You Ain’t Goin‘ Nowhere“, Quinn The Eskimo“ This Wheel’s On Fire“ und natürlich „I Shall Be Released“.

Textlich war für Dylan die surrealistische Songpoesie obsolet. Die Texte waren wieder einfacher zu rezipieren, erzählten Geschichten oder Parabeln, waren weniger bildhaft, aber dafür viel stärker aus amerikanischer Überlieferung – sowohl aus Alltags- wie aus Mythenwelt – gespeist. Da ist kein Shakespeare mehr „in the Alley“ und kein Einstein, kein Ezra Pound und kein Robin Hood. Da treten stattdessen Lastwagenfahrer auf, Trinker und Müßiggänger oder eine fette „Mrs. Henry“. Teils ist die Stimmung ausgelassen wie bei einer Vaudeville-Show, dann wieder bizarr oder pathetisch. Man erzählt sich beim Wäsche aufhängen davon, dass der Vizepräsident durchgedreht sei. Oder vergleicht die Geburt der amerikanischen Nation am 4. Juli mit der Geburt des eigenen Kindes. Dylan und The Band verorten sich zutiefst in Amerika. Indem sie schwarze und weiße Musik spielen, verorten sie sich aber auch ganz im „Americana“, der Musik des Amerikas, das an den Traum vom Land, das allen die Möglichkeit gibt, ihr Glück zu finden, glaubt. Und nicht an ein Amerika der Rassenschranken oder der Konzerne. Die Songs, die bei den Basement Tapes entstanden sind, sind allesamt amerikanische Klassiker, mögen einige auch eher Dylan’sche Nebenwerke sein wie „Odds And Ends“. Lo And Behold“ oder „Million Dollar Bash“.

Veröffentlicht wurden Songs der Basement Tapes zuerst von Dritten. Denn weder Dylan noch „The Band“ planten eine Veröffentlichung der Bänder. Schon im Oktober 1967 wurde ein Demoband mit 14 Aufnahmen zusammengestellt, über den Musikverlag Dwarf Music zum Copyright angemeldet und anderen Musikern als Demos angeboten. Die ersten, die Coversongs aus diesem Material erstellten waren Peter Paul & Mary („Too Much Of Nothing“), Manfred Mann, der aus dem eher spröden „Quinn, The Eskimo“ das schmissige „Mighty Quinn“ machte und damit einen Superhit produzierte, Julie Driscoll, Brian Auger & The Trinity, die „This Wheel’s On Fire“ einspielten, sowie die Dylan-Apologeten „The Byrds“, die nach dem „Folk-Rock“-Urknall “ „Mr. Tambourine Man“, nun mit ihrer Version von „You Ain’t Goin‘ Nowhere“ auch als Mitbegründer des Country-Rock in die Popmusikgeschichte eingingen. Erst 1975 sollten Rudimente der Basement Tapes veröffentlicht werden, 2014 erschienen dann die kompletten Basement Tapes und es wurden unter dem Titel „The New Basement Tapes: Lost On The River“ Songtexte von Dylan aus dieser Zeit von Künstlern wie Rhiannon Giddens und Marcus Mumford unter der Regie von T-Bone Burnett neu vertont.

John Wesley Harding
Dylan, der 1966 noch als Rock-Avantgardist die Rockmusik erwachsen und bedeutungsschwer gemacht hatte, erdete sich gerade ein Jahr später mit den Basement Tapes neu, indem er noch einmal ganz bewusst zurück zu den Wurzeln ging. Als er am Ende aus dem Keller wieder hoch stieg war ein anderer Künstler. Seine folgenden Platten John Wesley Harding und Nashville Skyline dokumentierten seinen Weg zurück zu Country und Folk.

Und doch war sein Comeback-Album „John Wesley Harding“, das am 27. Dezember 1967 erschien, eine andere Platte als es die Musik von den Basement Tapes erwarten ließ. Die Platte war ernster im Ton und spartanischer in der Musik, als die zum Teil sehr süffigen Songs – textlich wie musikalisch – die bei den Basement Sessions entstanden waren. Tauchten Teile der Basement-Songs hinein ins pralle Menschenleben, unterlegt mit Rhythm & Blues und Country, so waren diese Songs oftmals Parabeln mit biblischen Bezügen. Teils zornig („Dear Landlord“), teils als Antwort auf Woody Guthries Tod im Oktober zu verstehen (Drifters Escape), teils resignativ gesellschaftskritisch („All Along The Watchtower“). Die Musik dieses Albums, das nach „Blonde On Blonde“ abermals in Nashville mit Teilen der „Nashville Cats“ eingespielt worden war, bestand aus zurückhaltendem Country-Folk. Aber dennoch wäre Dylan nicht Dylan, würde er nicht einmal aus seinem selbst verordneten Rahmen ausbrechen. „I’ll Be Your Baby Tonight“ ist ein sexy Honky-Tonk-Schieber und einer der Songs, die gerade von Countrymusikern bis heute sehr gerne gecovert wird.

Music From Big Pink

The Band 1967, Foto: Sony Music/ Eliott Landy


War Dylan zusammen mit „Levon & The Hawks“ hinunter in den Keller von „Big Pink“ gestiegen, so kamen die vier Kanadier Robbie Robertson, Richard Manuel, Rick Danko, Garth Hudson sowie der Arkansas-Boy Levon Helm als „The Band“ wieder hinauf. So nannten sie sich nun selbstbewusst, als sie 1968 am 1. Juli 1968 ihr Debütalbum „Music From Big Pink“ vorlegten. Die Platte veränderte die Richtung des Rock: Den damals aktuellen Psychedelic-Klängen setzten sie eine ruhigere, aber umso kraftvollere, durch Country, Blues und Folk geerdete Art der Rockmusik entgegen. An drei Stücken war Bob Dylan als Co-Autor beteiligt: „Tears Of Rage“, „This Wheel’s On Fire“ und „I Shall Be Released“.

Obwohl es kommerziell nicht sehr erfolgreich war, gilt „Music From Big Pink“ neben dem Nachfolgealbum „The Band“ von 1969 (auch als „braunes Album“ analog dem „weißen Album“ der Beatles bekannt) heute nicht nur als bestes Album der Band, sondern auch eines der besten und einflussreichsten Rockmusik-Alben überhaupt.

Leittrack des Albums ist das bis heute ungebrochen faszinierende „The Weight“ – auch mittlerweile ein amerikanischer Klassiker. „Der Song ist pures Americana“, schreibt Peter Viney auf der Website von „The Band“. Und tatsächlich ermöglicht er auf engstem textlichem Raum allerlei amerikanische Assoziationen: Er hat biblische und religiöse Bezüge, er spielt mit Bildern des Kleinstadtlebens im Westen und dem Teufel, der quasi an jeder Ecke lauert. Er lässt Bigotterie genauso erahnen wie Liebe, Verlangen und Gewalt. Der Text ist in Panoptikum des alten, gefährlichen Amerika. Und auch seine Musik ist pures Americana. Sie eint in großartiger Weise Country, Rock, Soul und Gospel-Elemente.

Beim Woody Guthrie Tribute wird „Americana“ öffentlich
Am 20. Januar 1968 treten Bob Dylan & The Band beim großen Woody Guthrie Tribute in New York auf. Ihr erster Auftritt seit anderthalb Jahren. Und erstmals lassen sie die Öffentlichkeit ihre neue gefundene musikalische Form hören. Beim Andenken an die verstorbene US-Folk-Ikone und Dylan-Vorbild Guthrie manifestiert sich die Geburt des neuen Genres. Wie hier Guthries Folksongs „I Aint’t Got No Home In This World Anymore“ oder „Grand Coulee Dam“ mit viel Rhythm & Blues & Soul unterlegt wird, darf als Paradebeispiel für das neue, alte Genregrenzen überschreitende Americana gelten.

„Americana“ ist heute lebendiger denn je
Die Karrieren der Protagonisten verliefen unterschiedlich. Bob Dylan blieb das sich noch mehrmals musikalisch häutende Chamäleon der Rockgeschichte, der bis heute auf den Konzertbühnen der Welt unterwegs ist. „The Band“ spielten 1977 ihr Abschiedskonzert – legendär verfilmt von Martin Scorsese – und lösten sich auf Betreiben vom selbst ernannten Bandleader Robbie Robertson auf. Sie gründeten sich ohne Robertson 1983 neu, dann beging Richard Manuel 1986 Selbstmord. Eine weitere, letzte Comeback-Phase begann 1992 und endete dann 1999 mit dem Tod Rick Dankos. Levon Helm veröffentlichte vor seinem Tod 2012 noch zwei erfolgreiche Solo-Alben. Letzte lebende Band-Mitglieder sind heute Robbie Robertson und Garth Hudson.

Das „Americana“-Genre aber ist heute lebendiger denn je und gerade in den Zeiten von Trump setzt es in der Auseinandersetzung mit dem heutigen Amerika neue Kräfte frei. Selten sind so viele bedeutende Americana-Alben erschienen wie 2017.

Thomas Waldherr hat gerade auf country.de seine persönlichen Americana-TOP 10-Alben vorgestellt: http://www.country.de/2017/12/23/die-americana-top-10-alben-des-jahres-2017/
In der Darmstädter Konzertreihe „Americana im Pädagog“ findet am Samstag, 13. Januar“ ein großes Woody Guthrie Tribute-Konzert statt, bei dem neben anderen auch die Songs zu hören sein werden, die Dylan & The Band beim Konzert 1968 gespielt haben: http://paedagogtheater.de/guthrie/

Musik aus der Region im Geist von Bob Dylan und Neil Young

31. Juli 2016

Germanicana-Folkfestival gastiert am 13 August erneut in Darmstadt

Wenn am 13. August das Germanicana-Folkfestival erneut Station in Darmstadt macht, dann spielen dort zwar Musiker aus der Rhein-Main-Region, aber überxGermanicana 2-2016_Plakat A2 - 3 allen Darbietungen schwebt der Geist der großen amerikanischen Singer-Songwriter wie Bob Dylan, Neil Young, Hank Williams oder Woody Guthrie. Ideengeber und Initiator Wolf Schubert-K. – mit seiner „Sacred Blues Band“ auch Teil des Programms – drückt es so aus: „Die amerikanische Musik speist sich aus dem, was die Einwanderer mitgebracht haben, nun kommen die amerikanischen Einflüsse zurück über den Teich.“

Nach der gelungenen Premiere im vergangenen Jahr mit einem stimmungsvollen Abend in der schönen Atmosphäre des Hofs vor dem Hoffart-Theater, hoffen die Macher heuer auf eine ähnlich gelungene Neuauflage. „Wir möchten nach Americana im Pädagog das zweite Rootsmusik-Format in Darmstadt fest etablieren“, erklärt Thomas Waldherr die Zielrichtung für das Sommer-Open Air. Waldherr, der im Theater im Pädagog die Americana-Konzertreihe aus der Taufe gehoben hat, bildet mit Schubert-K., Klaus Lavies vom TIP sowie dem Team des Hoffart-Theaters um Andreas Waldschmitt die Organisationscombo des Freilicht-Abends.
Auf dem Programm stehen neben dem schon besagten „Wolf Schubert-K. & The Sacred Bues Band“ aus Frankfurt und Umgebung, „Candyjane“ und „Delta Danny“ aus Darmstadt sowie ein noch nicht namentlich benannter Newcomer-Act. Es verspricht ein sehr vielseitiger Abend zu werden: Delta Danny bringt den Mississippi-Blues an den Woog, sie hat den Blues im Blut und in der Stimme. Die Gitarristin blättert in der frühen Blues-Geschichte:Von den Roots des Country-Blues zu den traditionellen Blues-Songs zwischen Memphis und Chicago.

Auf den Spuren amerikanischer Folk-, Blues- und Countrymusik kreieren Candyjane ihren ganz eigenen high lonesome Sound. Westerngitarre, Gesang, Lapsteel-Gitarre, Kontrabass und Cajon erzeugen sehnsuchtsvolle Schwingungen, die lakonischen Songtexte tun ihr übriges. So changieren sie mit ihrem Country-Soul in bemerkenswerter Weise zwischen Hank Williams und Southern Gothic.

Frisch aus Kanada zurück kommt Wolf Schubert-K. dieses Mal zum Festival. In British Columbia spielte er diesen Sommer ein paar erlesene Soloshows. Folk, Country und Roots Elemente bilden immer noch das Fundament für den Sound seiner Sacred Blues Band. Die Songs dokumentieren jetzt mehr denn je einen leidenschaftlichen Aufbruch und sind ein Appell an die Freiheit. Ganz im Geiste der Vorbilder Bob Dylan und Neil Young.

Und bildhaft, schnell und poetisch slammt und shoutet Roger Jones sich auch dieses Jahr wieder durch die Amerikanische Musikgeschichte.
Beginn ist 18 Uhr, der Eintritt beträgt 20,- Euro, bzw. 18,- Euro im Vorverkauf. Kartenverkauf und Vorbestellungen: Ticketshop im Luisencenter, telefonisch unter 06151/ 4 92 30 14 oder auch online unter: http://www.ztix.de/ticketshop/kalender.html

Bob Dylans Traum von Amerika

18. Oktober 2015

Sarbrücken erliegt der Magie eines amerikanischen ideellen musikalischen Gesamtkünstlers

Bob Dylan war schon frühzeitig nicht mehr der Name eines Künstlers sondern ein von Robert Zimmerman erfundenes und von ihm nach seinem Belieben immer wieder neu gestaltetes amerikanischea Kunstwerk.

Der High-School-Rock’n’Roller und abgebrochene Kunststudent Zimmerman traf erst in der Folkszene in Cambridge dann in New York ein, als das Folk-Revival und die kritische Jugendbewegung sich anschickte, den verwässerten Limonaden-Rock wegzuspülen. Dylan war intelligent und saugte alles Mögliche an Musik, Lyrik, Belletristik, historDylanConcert2015ischen Abhandlungen und Dramatik auf, und setzte es in Folk und Bluesmusik um. Später vollzog er immer wieder historische Wendungen und eignete sich die anderen amerikanischen Roots-Musik-Stile an: Rock, Country, Gospel. Und ganz nebenbei erfand er mit „The Band“ im Keller seines Hauses das Americana.

Wenn Bob Dylan dieser Tage – wie nun an einem Herbstabend in Saarbrücken – als 74-jähriger auftritt, dann hat Songs im Gepäck, die von seiner neuesten Wendung künden. Dylan hat sein öffentliches Spektrum nun um das „Great American Songbook“ erweitert. Er hat die Grenzen der ruralen amerikanischen Volksmusik verlassen und sich dem Urban-Pop der 30er und 40er Jahre zugewandt: Cole Porter, Frank Sinatra, Bing Crosby. Seine aktuelle Tournee ist quasi der Showroom von Dylans endgültiger Metamorphose zum amerikanischen ideellen musikalischen Gesamtkünstler.

Bob Dylan croont mit großer Lässigkeit, aber dennoch voller Engagement und Hingabe diese Songs. Er streut sie in sein Programm so ein, dass Sie zusammen mit den Songs seines bedeutenden Alterswerkes „Tempest“ das Gerüst und Rückgrat seines derzeitigen Konzertformats bilden. Und so springt er von Folk zu Blues zu Country zu Swing und zurück. Hier und da ein bisschen Bluegrass und Rock’n’Roll – und fertig ist Mr. Dylans musikalische amerikanische Klanglandschaft.

Das Bühnenbild und die Mitmusiker inszenieren die Erinnerung an die dunklen Jazzclubs der amerikanischen Großstädte in den 1940ern. An diesem Abend in Saarbrücken konterkariert Dylan dies, indem er einen schmucken Cowboy-Showanzug trägt. Auch hier ist wieder klar. der alte Dylan überlässt nichts mehr dem Zufall, alles ist detailliert geplant.

So auch die Setlist, die unverändert durch Europas Hallen wandert. Inhaltlich ist Dylans Alterswerk auch als Performer auf die wesentlichen Themen fokussiert: Zeit, Liebe, Tod. Alle dargebotenen Songs variieren dies: „Things Have Changed“ und „Long And Wasted Years“, „She Belongs To Me“ und „I’m A Fool To Love You“, „Highwater Everywhere“ und „Scarlett Town“, „Tangled Up In Blue“ und „Why Try To Change Me Now“, „Autumn Leaves“ und „Love Sick“.

Dylan wirkt dabei so beseelt und ist gut bei Stimme wie selten. Auch physisch wirkt er stabiler als beispielsweise noch vor zwei Jahren. Er steht öfters ausgiebig in der Mitte der Bühne und setzt sich seltener an den Flügel. Scheint wieder besser auf den Beinen zu seinen derzeit. So entsteht ein unterhaltsames, abwechslungsreiches musikalisch hervorragendes Konzert, das nur mit einem ganz großen Hitklassiker auskommt und gerade deswegen die Größe dieses Künstlers abbildet. Denn mit diesem Programm begeistert er die Leute mit großer Leichtigkeit.

So detailliert Dylan aber an seiner Performance arbeitet, umso großzügiger versteht er sich nur noch als Meister des großen Wurfs. Mit den großen Alltagsproblemen unserer Welt beschäftigt er sich vordergründig nicht. Wer aber genau hinhört, weiß um die Botschaften, die dieser Künstler dennoch im Subtext sendet. Dylans Amerika ist das ideelle Amerika als Freiheits- und Glücksversprechen. Neu und verstärkt begründet in der Zeit, aus der auch seine neuen Lieder stammen und in der auch Dylan geboren wurde: In den USA der 1930er und 1940er Jahre, als Roosevelts New Deal vielen Amerikanern endlich die Hoffnung gab, wirklich am Reichtum des Landes partizipieren zu können. Dass dies heute weiter denn je entfernt ist von der amerikanischen Realität, ist Dylan bewusst, und so hat er schon vor Jahren Wasser in den Wein gegossen, als er nicht in den großen Obama-Hype miteinstimmte und vor allzu großen Erwartungen warnte. Die Entwicklung hat ihm Recht gegeben.

Und dennoch singt Dylan gegen Ende ein ganz aufgeräumtes, fast schon fröhlich klingendes „Blowin‘ In The Wind“. Denn irgendwo ganz versteckt, glaubt er wohl immer noch an seinen amerikanischen Traum.

Vor 40 Jahren: Bob Dylan kehrt auf die Konzertbühne zurück!

6. Januar 2014
Before+The+Flood+Bob+Dylan+And+The+Band++Before

Cover des 1974er Live-Albums „Before The Flood

Wer heute in der Lage ist, jährlich mehrere Bob Dylan-Konzerte zu besuchen, der kann sich das fast gar nicht mehr vorstellen: Zwischen 1967 und 1974 bestritt Bob Dylan gerade mal ein ganzes Live-Konzert (nämlich beim Isle Of Wight-Festival). Umso sensationeller seine Rückkehr auf die Bühne. Binnen kurzer Zeit waren die Konzerte quer durch die USA ausverkauft und Dylan & The Band traten oftmals zweimal am Tag an: Zur Nachmittags- und Abendvorstellung.

Je länger Dylan weg war, desto größer – überlebensgroß – war sein Mythos in diesen Jahren geworden. Nach sieben Jahren als Landmann, Familienvater und Einsiedler hatte ihn das Fieber wieder gepackt. Der Unterschied zu 1966, der Tour, die ihn schier auffraß und ihn beinahe umgebracht hätte: Dylan war mittlerweile der Chef im Ring. Keiner würde ihn mehr durch die Konzerte hetzen ohne Rücksicht auf Verluste. Auch deswegen hatte er sich von seinem Manager Albert Grossman getrennt. Er war von nun an auch geschäftlich sein eigener Herr und umgab sich mit den Leuten, die ihm halfen, durch seine ökonomische Unabhängigkeit auch seine künstlerische Unabhängigkeit bis heute zu behalten.

Künstlerisch fällt das Urteil über die Musik der Comeback-Tournee zwiegespalten aus. Sicher, da war die schiere vitale Lust am Livekonzert bei jedem Ton zu hören. Die Aufnahmen auf „Before The Flood“, dem Live-Souvenir der Tour, sind mitreißend und stimmungsvoll und das Publikum rastet aus. Dylan barst nur so vor Energie. Er eignete sich hier erstmals eine „Stadion-Stimme“ an mit der Songs förmlich herausschrie. Bob Dylan beherrschte die Pose der Rebellion perfekt.

Und damit sind wir schon bei der anderen Seite der Medaille angelangt. Dylan und der Band war die nostalgische Atmosphäre rund um die Konzerte nicht geheuer. Und so wechselte die Stimmung vom anfänglichen Enthusiasmus im Laufe der Tour zur Genervtheit. Dylan spielte und sang zwar mit großer Inbrunst und Kraft, aber es fehlte für ihn selber  die Verbindung zu den Feinheiten, Facetten und verschiedenen Dimensionen der Songs. Er wurde tatsächlich zum „Poser“.

Es war für viele Jahre die letzte „Nummer-Sicher-Tour“. Die Rolling Thunder Review 1975/76, die Welt-Tour 1978 und erst recht die „Born Again-Touren“ 1979/80 waren allesamt radikale Absagen an die Erwartungshaltungen seines Publikums. Bei Rolling Thunder folgten ihm die Leute, 1978 schieden sich die Geister und seine christlichen Konzerte stießen auf Ablehnung. Erst in den für Dylan so schlechten 80er Jahren sollte er wieder versuchen, sich näher an der Publikumserwartung zu orientieren.

Doch nie wieder seit 1974 hat er der nostalgisch gestimmten Menge dieses – „wir haben ihn wieder, er ist einer von uns-Gefühl“ gegeben. Immer wieder unterlief er die Erwartungen. Versemmelte Konzerte in den frühen Neunzigern, gefiel sich als musikalisch limitierter Leadgitarrist bis über die Jahrtausendwende, wurde in den letzten Jahren zum obskuren Orgel-Onkel und spielte in den Konzerten des Herbstes 2013 gar nur drei große Hits, stattdessen aber ganz viel vom Spätwerk. Und spielt plötzlich Abend für Abend die gleichen Songs.

Der Mann macht nur noch was er will. Und hat damit seinen Mythos und seine reale Bedeutung künstlerisch und als Rollenmodell in diesen 40 Jahren nur noch weiter vergrößert.

Zwischen „Americanarama“ und „Another Self Portrait“

9. August 2013

Nie war Dylan so sehr „Vater des Americana“ wie in diesen TagenAmericanarama

So, nun ist sie schon wieder Geschichte: Die von uns Dylan-Fans so gehypte Americanarama-Tour. Gehypt und das mit Recht: Wilco, My Morning Jacket, Ryan Bingham, Richard Thompson, Bob Weir, Garth Hudson, Nancy Sinatra, Jackson Browne  – sie alle spielten im Vorprogramm oder als Gäste Bob Dylans auf dieser Tour. Dazu noch historisch zu nennende Song-Darbietungen, deren absoluter Höhepunkt „The Weight“ vom Trio Dylan/Tweedy/James war. Ein toller Packen Musik mit einem gut inspirierten Meister mittendrin.

Eine Tour – Drei Lead-Gitarristen

Soweit so gut. Doch Bob Dylan wäre nicht Bob Dylan, wenn er nicht auch im 51. Karrierejahr Kontroversen und Irritationen auslösen würde. Da war die Sache mit den drei Lead-Gitarristen, die diese Tour verschlungen hat. Irgendetwas zwischen Dylan und Robillard passte nicht. Ob da wirklich einmal hineinklimpern ins Mundharmonika-Solo als Trennungsgrund reicht? Wir wissen es nicht. Dann kamen mal Charlie Sexton und mal Colin Linden zum Einsatz. Warum und nach welchem System der eine hier, der andere dort spielte, wurde nie recht klar. Der Qualität der musikalischen Performance tat dies keinen Abbruch und so sind wir gespannt, wer uns dann in Europa an der Gitarre beehren wird.

Das alte Presselied

Noch ärgerlicher dann aber die Lust mancher Journalisten, Dylan nieder zu schreiben. Nach dem Motto „Anti-Klimax“, „sollte sich ein Beispiel an seinen jungen Bühnenpartnern nehmen oder eben abtreten“. Uih, da waren einige richtig gut bei der Sache. Doch Dylan war vielleicht nicht so gut wie beispielsweise im Sommer 2012, aber so schlecht, wie dargestellt, war er nicht. Er kommt halt schlecht weg, wenn Künstler vor ihm auftreten, die konventionellere Performances abliefern, nett „Danke“, „Bitte“ und How Are you?“ sagen. Dylans Live-Musik ist bei den schnellen Stücken mitunter Hau drauf-Mucke, aber bei den Mid-Tempo und langsamen Sachen entfalten sich schöne Arrangements, die Dylans alte Rabenstimme wunderbar zur Entfaltung bringt.  Wer das nicht hört, ist selber schuld.

Another Self PortraitDer logische Weg von Self Portrait zu Americanarama

Mit seiner Americanarama-Tour hat sich Dylan erstmals ganz offensiv als Americana-Künstler verortet. Dabei war er derjenige, der es als „Vater“ mit seinen Kumpels von „The Band“ 1967 im Keller von Big Pink aus der Taufe gehoben hat. Weil er sich nach dem Ausstieg aus dem Rock-Pop-Zirkus wieder festen Boden unter den Füßen verschaffen wollte. Und diese Aneignung der traditionellen amerikanischen Musik inmitten von Avantgarde, Psychedelic und Rebellion nahm man ihm übel. Man suchte halt dringend nach Anführern für eine kulturelle Rebellion. Das wusste Dylan und wollte dies partout nicht sein.

Sein Schwenk zur Countrymusik wurde daher achselzuckend und verstört, sein Album „Self Porträt“ fast schon hasserfüllt aufgenommen.  Denn da sang Dylan einfach nur Folk-, Country-, Blues- und Popsongs. Mit angenehmer Stimme. Aber: Im musikalischen Zuckerguss der Postproduktion ertränkt. Ohne Overdubs und Background-Gesang entdecken wir wunderbare Songversionen.  Wir werden „Another Self Portrait“ hören,und wenn das stimmt, was derzeit zu lesen ist, so dürfen wir Dylan nur eines vorwerfen: Er hat den Produzenten damals seine Aufnahmen zukleistern lassen. Ob er das so wollte oder nicht, lässt sich momentan immer noch nicht sagen. Nur: Mit der Gesamtschau der Aufnahmen von 1969 – 71, mit „Another Self Portrait“ lässt sich Dylans musikalischer Weg dieser Jahre, der auf dem Original-Album „Self Porträt“ so seltsame Wendungen zu machen scheint, endlich deutlich erkennen. Es lohnt sich, denn es war ein guter und wichtiger Weg für den Künstler und schaffte Grundlagen für manch großes Werk späterer Jahre. Und eben auch für Americanarama.

Und hier geht’s zum Video der „Another Self Portrait-Perle“ „Pretty Saro“:

http://www.rollingstone.de/news/meldungen/article457530/bob-dylan-videopremiere-zur-archivperle-pretty-saro.html

The Weight

27. Juli 2013

the-band-the-weight-capitol-5Der Song ist mittlerweile ein amerikanischer Klassiker: So wie „Will The Circle Be Unbroken“ von der Carter Family, „This Land Is Your Land“ von Woody Guthrie oder Bob Dylans „I Shall Be Realeased“. Allesamt Songs, die archetypisch amerikanische Mentalitäten und Figuren, Träume und Mythen in Musik und Text festhalten, um dann zur Hymne zu werden: Sei es der ewige Kreis der Generationen, das Bewusstsein, ein großes Land mit Platz für Alle zu sein oder der ewige Traum von Befreiung und Erlösung.

Der Song, um den es hier geht, ist „The Weight“, erstmals aufgenommen von „The Band“ für „Music from Big Pink“ 1968.  Die Songrechte besitzt „Business Man“ Robbie Robertson, geschrieben wurde er von „The Band“ gemeinsam, doch für immer verbunden sein wird „The Weight“ mit dem im vergangenen Jahr verstorbenen Levon Helm, dem Sänger und Schlagzeuger von „The Band“. Der Song wurde zu seiner Erkennungsmelodie. Wahrscheinlich, weil Levon Helm wie kein anderer aus „The Band“ die amerikanischen Mythen und Träume verkörperte. Er wollte nur ein einfacher Musiker aus den Südstaaten sein. Liebte sein Land und den lieben Gott. War aber alles andere als bigott, wie so manch anderer aus dem Bible Belt. Er sog als Junge Blues, Gospel, Soul, Rock und Country in sich auf, kannte Juke Joints und Honky Tonks und das pralle Leben, das sich dort abspielte. War keiner für den Popzirkus und wurde zum Weisen des Americana, ehe er den Kampf gegen den Krebs verlor.

Biblische Anspielungen und surreale Bilder
Die Bedeutung und Aufmerksamkeit, die „The Weight“ zukommt, liegt in der Erzählweise des Songs genauso wie im auftretenden Personal und seiner Interpretierbarkeit. Ein Song mit biblischen Anspielungen und surrealen Bildern, gleichermaßen zwischen Bibel und Bunuel angesiedelt. Zum Inhalt: „The Weight“ erzählt im Land der „Road Movies“ natürlich von einem Reisenden, einen Umherziehenden, den es nach Nazareth verschlägt, weil ihn seine Freundin Fanny dahin geschickt hat. Er soll, und das lastet quasi als Gewicht auf ihm, unzählige Leute dort von Fanny grüßen. Die biblischen Anspielungen – der Reisende bekommt in Nazareth kein Zimmer – sind klar, zudem gibt es in „God’s Own Country“ unzählige Nazareths in -zig Bundesstaaten. Konkret soll es sich hier aber um Nazareth, Pennsylvania, handeln, der Sitz der Martin-Gitarrenfabrik. In Nazareth begegnen ihm eine Reihe Menschen. Teilweise sind sie Freunden und Bekannten von „The Band“ nachempfunden, teilweise stehen sie für archetypische Figuren und Verhaltensweisen. Der Teufel steht für das Böse und der Teufel, der Erzähler und Carmen stehen in ihrer Interaktion für Mann und Frau, für Verlangen und Begehren. Dann ist vom Crazy Chester die Rede, dem örtlichen Faktotum, von der jungen Anna Lee oder von Luke, der nur noch auf das Jüngste Gericht wartet. Eigentlich sollte der Erzähler nur ein paar Leute grüßen, steht aber immer wieder vor neuen Unwägbarkeiten, so dass er am Ende froh ist, den nächsten Zug (Cannon Ball) nehmen zu können, um endlich zu seiner Fanny zurückzufahren.

„Der Song ist pures Americana“, schreibt Peter Viney auf der Website von „The Band“. Und tatsächlich ermöglicht er auf engstem textlichem Raum allerlei amerikanische Assoziationen: Er hat biblische und religiöse Bezüge, er spielt mit Bildern des Kleinstadtlebens im Westen und dem Teufel, der quasi an jeder Ecke lauert. Er lässt Bigotterie genauso erahnen wie Liebe, Verlangen und Gewalt. Der Text ist in Panoptikum des alten, gefährlichen Amerika. Und auch seine Musik ist pures Americana. Sie eint in großartiger Weise Country, Rock, Soul und Gospel-Elemente.

Einer der wichtigsten Songs des Americana
Der Song ist unzählige Male gecovert worden. Die ersten waren Jackie DeShannon und Soul-Queen Aretha Franklin. Später waren es u.a. Joe Cocker oder Waylon Jennings, in den letzten Jahren dann Neo-Folker wie Mumford & Sons oder die Old Time-Musiker der „Old Crow Medicine Show“.  Und wie gesagt, mittlerweile ist der Song ein Klassiker und dient bei vielen All-Star-Treffen als großes Finale. Besonders denkwürdig war vor wenigen Tagen die gemeinsame Live-Version im Rahmen der „Americanarama-Tour“  von Jim James („My Morning Jacket“), Jeff Tweedy („Wilco“) und Mr. Bob Dylan. Als dann ausgerechnet der die Strophe mit dem „Chester“ singt, gibt es kein Halten mehr.

„The Weight“ war nie ein Hitparaden-Stürmer, ist aber ein gutes Beispiel dafür, wie ein Song über die Jahre an Reife gewinnt, ihm man endlich die Tiefe zugesteht, die er besitzt, und er – verbunden mit seinem größten Interpreten – eine Bedeutung bekommt, die seinesgleichen sucht. Einer der wichtigsten und schönsten Songs des Americana.

Hier zum Reinhören zwei Fassungen. Die vom Abschiedskonzert von „The Band“ (mit „The Staples“) und die von James/Tweedy/Dylan.

Von der ungebrochenen Lust am Folk-Rock

16. Februar 2013

the-lumineers-the-lumineersVon „La Brass Banda“ zu „The Lumineers“

Das Album des Jahres wurde soeben bei den Grammys geehrt: „Babel“ von Mumford & Sons – ein Folk-Rock-Album. Und neben den Mumfords gibt es noch die Avett Brothers, die Felice Brothers, die Punch Brothers und unsere Freunde, die Carolina Chocolate Drops. Allesamt Leute von Mitte Zwanzig bis um die Dreißig, die eine Musik spielen, die angesichts marketingtechnisch entwickelter und industriell produzierter Plastikmusik vor einigen Jahren höchstens noch belächelt wurde.

Heute ist der anfängliche Trend zu Folk und Folk-Rock stabil. Auch hierzulande hat sich eine Popmusik entwickelt, die wieder an Folk anknüpft und mit ihren Liedern etwas sagen will. So wie ein Wader oder ein Dylan, wir hatten es hier zuletzt gerade davon. Nennen wir Max Prosa, Philipp Poisel oder Dota & die Stadtpiraten. Nennen wir grenzüberschreitend Sophie Hunger. Während aber die Mumfords in USA und UK mehr Platten verkaufen als Justin Bieber und bei entsprechenden Musikevents gefeiert werden, hinkt Deutschland mal wieder hinterher. Während „La Brass Banda Folk“ – nämlich Bayerische Blasmusik – öffnet für Pop, Punk und Ska, und eine Chance gewesen wäre, auf sehr eingängige und originelle Art beim Europäischen Songcontest Zeugnis von dieser Popmusik abzulegen, wird dies von einer ominösen Jury verhindert. Stattdessen also ein Ballermann-tauglicher Stampf-Disco-Brei. Letztendlich hat dieser Wettbewerb auch nichts anders verdient. Wirkliche Kreativität und Kunst entsteht sowieso woanders.

In den USA derzeit scheinbar an jeder Ecke. Gerade hatten wir hier „American Music“ von „The Illegitimate Sons“ als übersehene Platte des Jahres gefeiert, da müssen wir uns eingestehen, auch „The Lumineers“ übersehen zu haben. Die zwei Jungs und das Mädel aus Denver legen stimmigen Folk-Rock vor, der weniger komplex als der der Mumfords erscheint, aber mindestens genauso eingängig. Ihr „Ho-Hey“ ist ein Folk-Feger. Von wegen solche Musik könne keine Laune machen. Und wie viele Ihrer Zeitgenossen, sind diese jungen Musiker sehr traditionsbewusst und wissen, wo diese Musik herkommt. Denn schließlich war es Mr. Bob Dylan, der Mitte der 60er seinen Folk elektrifiziert hat und die damalige Folk-Welt vor den Kopf gestoßen hat. Und noch immer pflegt daher so mancher alte Folker seine Anti-Dylan-Haltung. Dabei geht es bei Folk immer darum, mit einer Haltung, einer Geschichte und einer Aussage, Menschen zu erreichen. Dazu muss der Künstler und sein Werk weder autobiographisch-authentisch gefärbt sein, sondern er sollte lieber kunstvoll komponieren und eindringlich vortragen können. Und wenn nötig, dann eben mit Strom und Schlagzeug.

Und so haben die wunderbaren Lumineers auch immer wieder alte Dylan-Pretiosen oder Songs von „The Band“ im Programm. Songs, die zwar alt sind, aber genauso eine universelle Bedeutung haben wie ein Roman von Thomas Mann oder ein Stück von Brecht oder Shakespeare. Sie spielen „Boots Of Spanish Leather“ genauso wie „Subterranean Homesick Blues“ und „The Weight“.

Hier nun Videos der Lumineers von
„Ho-Hey “ und „Subterranean Homesick Blues“:

Die Zeit steht still, Levon ist tot

20. April 2012

Zum ersten Mal habe ich Ihn 1978 oder ’79 gesehen. Damals als „The Last Waltz“ bei uns im Kino lief. Jahrelang war er für mich eine vertraute Figur – aber eben nur der Drummer vom Bob Dylans Begleitband. Im zweiten Schritt erschloß ich mir die Musik von „The Band“ und Levon hatte für mich eine Bedeutung als Sänger, Drummer und Multiinstrumentalist der Gruppe. Der Band, die den Country-Rock und das Americana mitbegründete.

Erst sein grandioses Alterswerk mit mühsam zurückgewonner Stimme nach dem Kehlkopfkrebs ließ mich ihn, diesen kleinen unscheinbaren Mann, in ganzer, künstlerischer Größe wahrnehmen. Zwei fantastisch geerdete Platten und seine funkensprühenden Konzerte beim „Midnight Ramble“ in seinem Haus in Woodstock beeindruckten mich. Dabei war er nie einer, der glitzerte und funkelte, aber um so mehr geerdet und verwurzelt war.

Ich entdeckte ihn nun auch als Schauspieler in Filmen wie „Coal Miner’s Daughter“, „Mit Volldampf nach Chicago“ oder „Electric Mist“. Ich wurde Fan und wollte ihn unbedingt nochmal beim nächsten New York-Aufenthalt in Woodstock spielen sehen. Dazu wird es nicht mehr kommen.

Ein großer amerikanischer Musiker hat uns verlassen. Vom Krebs besiegt. Die Zeit steht still, Levon ist tot. Rest in peace, Levon!

Zum Gedenken an Levon Helm (26. Mai 1940 – 19. April 2012) sehen wir unten zuerst eine Aufnahme von ihm mit dem „Band“-Klassiker „The Weight“ sowie die von Marc Cohn gesungene Hommage „Listening To Levon“.