Posts Tagged ‘Levon Helm’

The Bickenbach, Texas Home Office Diary (2)

25. März 2020

From Sand Rabbit Town into the whole wide world

Howdee Everone,
ich schulde natürlich noch eine Erklärung. Die Country-Kenner wissen natürlich, dass „Bickenbach, Texas“ eine Anspielung auf Waylon Jennings Song „Luckenbach, Texas“ ist. Der Gag musste einfach sein. Auch wenn Waylon derjenige Outlaw oder Highwayman war, der mit am fernsten ist. Willie, Kris und natürlich Johnny fügen sich bei mir gleich hinter Bobby ein. Aber Waylon? Hank Williams, Marty Stuart, Billy Joe Shaver, Emmmylou oder Rosanne – gerne. Aber Waylon? Mal schauen, ob ich die jetzige Zeit nutzen kann, näher zu Waylon zu finden. Auf alle Fälle könnt ihr „Luckenbach, Texas“ unten hören.

Man kennt das. Man fährt jahrelang gemeinsam mit dem Zug in die große Stadt zur Arbeit. Wechselt aber kein Wort, kommt sich nicht näher. So erging es mir auch mit einem bestimmten Menschen. Der mich im Pädagog schon bei Veranstaltungen grüßte, doch außerhalb dieses Raums blieben wir irgendwie auf Abstand.

Ausgerechnet auf der gestrigen, für die nächste Zeit in der Coronakrise letzten Zugfahrt nach Hause, sprach er mich dann an. Ich wäre doch auch an Folk interessiert und wir hätten uns auch schon im Pädagog gesehen. Er suche vergeblich nach den Notenblättern von Hobo’s Lullaby. Die gäbe es in Deutschland nicht. Hobo’s Lullaby ist ein Song, den ursprünglich der aus Austin, Texas stammende Goebel Reeves aka The Texas Drifter geschrieben und 1936 veröffentlicht hat. Einem Song, den dann Woody Guthrie bekannt gemacht hat. Zu Goebel Reeves demnächst mehr. Ich gab mich jedenfalls verblüfft und empfahl mal beim Woody Guthrie Center in Tulsa nachzufragen. Nun habe ich gegoogelt und mehrere Seiten gefunden, auf denen man die Noten finden kann. Spricht das jetzt für oder gegen den Folkenthusiasten, der auf althergebrachte Weise nach Notenblättern forschte, anstatt mal ins Netz zu gehen? Jetzt wollte er den Woody Guthrie Center googeln. Und so hat die Suche nach einem fast 90 Jahre alten Song, beim Folk-Enthusiasten einen Digitalisierungsschub ausgelöst und ich hefte mich an die Spuren von Goebel Reeves. Sein Hobo’s Lullaby ist unten zu hören.

Keine guten Nachrichten kommen heute aus den USA. Gleich zwei bekannte Americana-Musiker sind Covid-19-positiv. Während Singer-Songwriter-Legende Jackson Brown selber von einem milden Verlauf spricht, scheint es um Larry Campbell, Multiinstrumentalist, Produzent und jahrelanger Sideman sowohl von Bob Dylan als auch von Levon Helm, nicht ganz so gut bestellt. Er befindet sich getrennt von seiner Frau Teresa Williams in Quarantäne.

Hoffen wir für Larry, dass auch sein Krankheitsverlauf milde ist. Und hoffen wir, dass in den USA trotz Trumps Unbelehrbarkeit die Coronakrise nicht in eine Katastrophe großen Ausmaßes mündet.

Ich hätte gerne heute fröhlicher meinen Eintrag abgeschlossen. Aber halt: Gerade habe ich mit zwei befreundeten Musikern telefoniert und es war wieder richtig schön, mich mit ihnen über Musik und das Musik machen und über Konzertveranstaltungen auszutauschen. Nach solchen Gesprächen weiß ich wieder, warum ich mich so tief der Musik verschrieben habe, und warum ich alles tun werde, damit wir alle gut durch die Krise kommen.

In diesem Sinne: Handelt Solidarisch, achtsam und fürsorglich und bleibt gesund!

Best,
Thomas

The Band – Sondereditionen zum 50. Geburtstag des „braunen“ Albums

5. Oktober 2019

Nachdem Bob Dylan und „The Band“ 1967 im Keller von Big Pink mit den Basement Sessions das „Americana“ schufen – noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit, weil Dylan die Bänder erst 1975 veröffentlichen ließ – war es an der kanadisch-amerikanischen Truppe das neue Genre dem Publikum vorzustellen. 1968 erschien ihr Debüt-Album „Music From Big Pink“, das tatsächlich noch sehr den Geist des Kellers in Woodstock atmet. Und im selben Jahr traten sie dann mit Bob Dylan beim Woody Guthrie-Tribute anlässlich des Todes der Folk-Ikone auf. Auf diesem Blog habe ich vor zwei Jahren auf den Zeitraum 1967/68 verwiesen: https://cowboyband.blog/2017/12/28/vor-50-jahren-die-geburt-des-americana/

Die Geburtsjahre des „Americana“
1969 im Woodstock-Jahr führen die Protagonisten inmitten der Psychedelic-Welle ihre Arbeit an Americana und Country-Rock fort. Während Dylan mit „Nashville Skyline“ im April bereits seine Hinwendung zur Countrymusik dokumentierte (er nahm im Februar 1969 mit Johnny Cash auf, die Sessions werden nun endlich in wenigen Wochen, am 1. November, veröffentlicht!) erschien im September 1969 das zweite, das „braune“ Album der Band. Nachdem „The Band“ bei Woodstock aufgetreten waren, sie durch die Schnappschüsse von Elliott Landy sich auch optisch als „American Pilgrims“ stilisiert hatten, war die Zeit reif für „The Band“. Das zweite Werk von Levon, Robbie, Richard, Garth & Rick wurde in einem Atemzug mit dem weißen Album von John, Paul, George & Ringo genannt, was die Entwicklung der Pop- und Rockmusik anging. Insbesondere Eric Clapton war und ist des Lobes voll.

Robertson kuratiert die Neuausgabe und verarbeitet die Vergangenheit
Während also zum 50. Jubiläum von Nashville Skyline und den Dylan/Cash-Sessions letztere endlich veröffentlicht werden, wird auch das braune Album entsprechend gewürdigt. Unter dem Kuratel von Robbie Robertson wurde das Album neu gemischt, einige Bonus Tracks zusammengetragen und vor allem: Erstmals wird das Woodstock-Konzert von „The Band“ offiziell veröffentlicht.

Diese ganze Jubiläums-Kiste hat wohl Robbie Robertson indes so beschäftigt, dass er unter dem Titel „Once Were Brothers“ sowohl an einem Dokumentarfilm über seine Zeit mit „The Band“ mitwirkte, als auch einen Song schrieb. Beides an seiner Biographie „Testimony“ angelehnt. Der mittlerweile 76-jährige erzählt seine Version der Geschichte von „The Band“, nachdem Levon Helm in seiner Biographie „This Wheel’s On Fire“ Robertson schwere Vorwürfe machte bezüglich Songrechten und Bandleader-Allüren. Jahrelang waren die beiden zerstritten und legten die Fehde erst an Helms Totenbett im Jahr 2012 bei. Der Schreiber dieser Zeilen hat den Film, der am 5. September Premiere hatte, bislang noch nicht sehen können, aber was man hört, scheint Robbie einiges auf den angeblichen Drogenkonsum der anderen Bandmitglieder zu schieben. Wir werden sehen, wie wir das einzuschätzen haben, und uns hier wieder zu Wort melden.

Erscheinungsdatum 15. November
Wie auch immer, am 15. November erscheinen nun eine Reihe von 50th Anniversary Edition-Packages: ACD, Blu-ray, Doppel-Vinyl, 7-Inch-Boxset mit gebundenem Buch und vieles mehr. Auch hierfür gilt: Wir werden es hören und auch dazu hier wieder von uns hören lassen. 50 Jahre danach ist die Geschichte und die Musik von „The Band“ wieder neu zu entdecken. Und das ist gut so.

The Weight

27. Juli 2013

the-band-the-weight-capitol-5Der Song ist mittlerweile ein amerikanischer Klassiker: So wie „Will The Circle Be Unbroken“ von der Carter Family, „This Land Is Your Land“ von Woody Guthrie oder Bob Dylans „I Shall Be Realeased“. Allesamt Songs, die archetypisch amerikanische Mentalitäten und Figuren, Träume und Mythen in Musik und Text festhalten, um dann zur Hymne zu werden: Sei es der ewige Kreis der Generationen, das Bewusstsein, ein großes Land mit Platz für Alle zu sein oder der ewige Traum von Befreiung und Erlösung.

Der Song, um den es hier geht, ist „The Weight“, erstmals aufgenommen von „The Band“ für „Music from Big Pink“ 1968.  Die Songrechte besitzt „Business Man“ Robbie Robertson, geschrieben wurde er von „The Band“ gemeinsam, doch für immer verbunden sein wird „The Weight“ mit dem im vergangenen Jahr verstorbenen Levon Helm, dem Sänger und Schlagzeuger von „The Band“. Der Song wurde zu seiner Erkennungsmelodie. Wahrscheinlich, weil Levon Helm wie kein anderer aus „The Band“ die amerikanischen Mythen und Träume verkörperte. Er wollte nur ein einfacher Musiker aus den Südstaaten sein. Liebte sein Land und den lieben Gott. War aber alles andere als bigott, wie so manch anderer aus dem Bible Belt. Er sog als Junge Blues, Gospel, Soul, Rock und Country in sich auf, kannte Juke Joints und Honky Tonks und das pralle Leben, das sich dort abspielte. War keiner für den Popzirkus und wurde zum Weisen des Americana, ehe er den Kampf gegen den Krebs verlor.

Biblische Anspielungen und surreale Bilder
Die Bedeutung und Aufmerksamkeit, die „The Weight“ zukommt, liegt in der Erzählweise des Songs genauso wie im auftretenden Personal und seiner Interpretierbarkeit. Ein Song mit biblischen Anspielungen und surrealen Bildern, gleichermaßen zwischen Bibel und Bunuel angesiedelt. Zum Inhalt: „The Weight“ erzählt im Land der „Road Movies“ natürlich von einem Reisenden, einen Umherziehenden, den es nach Nazareth verschlägt, weil ihn seine Freundin Fanny dahin geschickt hat. Er soll, und das lastet quasi als Gewicht auf ihm, unzählige Leute dort von Fanny grüßen. Die biblischen Anspielungen – der Reisende bekommt in Nazareth kein Zimmer – sind klar, zudem gibt es in „God’s Own Country“ unzählige Nazareths in -zig Bundesstaaten. Konkret soll es sich hier aber um Nazareth, Pennsylvania, handeln, der Sitz der Martin-Gitarrenfabrik. In Nazareth begegnen ihm eine Reihe Menschen. Teilweise sind sie Freunden und Bekannten von „The Band“ nachempfunden, teilweise stehen sie für archetypische Figuren und Verhaltensweisen. Der Teufel steht für das Böse und der Teufel, der Erzähler und Carmen stehen in ihrer Interaktion für Mann und Frau, für Verlangen und Begehren. Dann ist vom Crazy Chester die Rede, dem örtlichen Faktotum, von der jungen Anna Lee oder von Luke, der nur noch auf das Jüngste Gericht wartet. Eigentlich sollte der Erzähler nur ein paar Leute grüßen, steht aber immer wieder vor neuen Unwägbarkeiten, so dass er am Ende froh ist, den nächsten Zug (Cannon Ball) nehmen zu können, um endlich zu seiner Fanny zurückzufahren.

„Der Song ist pures Americana“, schreibt Peter Viney auf der Website von „The Band“. Und tatsächlich ermöglicht er auf engstem textlichem Raum allerlei amerikanische Assoziationen: Er hat biblische und religiöse Bezüge, er spielt mit Bildern des Kleinstadtlebens im Westen und dem Teufel, der quasi an jeder Ecke lauert. Er lässt Bigotterie genauso erahnen wie Liebe, Verlangen und Gewalt. Der Text ist in Panoptikum des alten, gefährlichen Amerika. Und auch seine Musik ist pures Americana. Sie eint in großartiger Weise Country, Rock, Soul und Gospel-Elemente.

Einer der wichtigsten Songs des Americana
Der Song ist unzählige Male gecovert worden. Die ersten waren Jackie DeShannon und Soul-Queen Aretha Franklin. Später waren es u.a. Joe Cocker oder Waylon Jennings, in den letzten Jahren dann Neo-Folker wie Mumford & Sons oder die Old Time-Musiker der „Old Crow Medicine Show“.  Und wie gesagt, mittlerweile ist der Song ein Klassiker und dient bei vielen All-Star-Treffen als großes Finale. Besonders denkwürdig war vor wenigen Tagen die gemeinsame Live-Version im Rahmen der „Americanarama-Tour“  von Jim James („My Morning Jacket“), Jeff Tweedy („Wilco“) und Mr. Bob Dylan. Als dann ausgerechnet der die Strophe mit dem „Chester“ singt, gibt es kein Halten mehr.

„The Weight“ war nie ein Hitparaden-Stürmer, ist aber ein gutes Beispiel dafür, wie ein Song über die Jahre an Reife gewinnt, ihm man endlich die Tiefe zugesteht, die er besitzt, und er – verbunden mit seinem größten Interpreten – eine Bedeutung bekommt, die seinesgleichen sucht. Einer der wichtigsten und schönsten Songs des Americana.

Hier zum Reinhören zwei Fassungen. Die vom Abschiedskonzert von „The Band“ (mit „The Staples“) und die von James/Tweedy/Dylan.

Die Zeit steht still, Levon ist tot

20. April 2012

Zum ersten Mal habe ich Ihn 1978 oder ’79 gesehen. Damals als „The Last Waltz“ bei uns im Kino lief. Jahrelang war er für mich eine vertraute Figur – aber eben nur der Drummer vom Bob Dylans Begleitband. Im zweiten Schritt erschloß ich mir die Musik von „The Band“ und Levon hatte für mich eine Bedeutung als Sänger, Drummer und Multiinstrumentalist der Gruppe. Der Band, die den Country-Rock und das Americana mitbegründete.

Erst sein grandioses Alterswerk mit mühsam zurückgewonner Stimme nach dem Kehlkopfkrebs ließ mich ihn, diesen kleinen unscheinbaren Mann, in ganzer, künstlerischer Größe wahrnehmen. Zwei fantastisch geerdete Platten und seine funkensprühenden Konzerte beim „Midnight Ramble“ in seinem Haus in Woodstock beeindruckten mich. Dabei war er nie einer, der glitzerte und funkelte, aber um so mehr geerdet und verwurzelt war.

Ich entdeckte ihn nun auch als Schauspieler in Filmen wie „Coal Miner’s Daughter“, „Mit Volldampf nach Chicago“ oder „Electric Mist“. Ich wurde Fan und wollte ihn unbedingt nochmal beim nächsten New York-Aufenthalt in Woodstock spielen sehen. Dazu wird es nicht mehr kommen.

Ein großer amerikanischer Musiker hat uns verlassen. Vom Krebs besiegt. Die Zeit steht still, Levon ist tot. Rest in peace, Levon!

Zum Gedenken an Levon Helm (26. Mai 1940 – 19. April 2012) sehen wir unten zuerst eine Aufnahme von ihm mit dem „Band“-Klassiker „The Weight“ sowie die von Marc Cohn gesungene Hommage „Listening To Levon“.