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Endlich wieder Bewegung

21. Juni 2015

DylanConcert2015Nachdem Bob Dylan fast zwei Jahre jeden Abend das gleiche gespielt hat, mischt er nun in Mainz kräftig durch

Es beginnt wie es seit langem immer beginnt. Die Setlist ist wohlbekannt und so manchem weitgereisten Dylan-Fan entfährt ein Seufzen. Na gut, dann halt wieder das. Aber dann kommt es ab Song Nummer acht knüppeldick. „Full Moon And Empty Arms“ – Livepremiere! „To Ramona“ trägt als neues Kleid ein schönes Latino-Gewand. Dann ist Rätselstunde. Dylan singt einen wunderschönen Countrysong… ja „Sad Songs And Waltzes“ von Willie Nelson ist es! Und als er dann das skurrile „Tweedle Dum and Tweedle Dee“ auch noch in einem angemessen kinderliedhaften Arrangement zum Besten gibt, haben wir alle mal wieder die Gewissheit, dass dieser Mr. Dylan nie Moos ansetzen wird. Noch wissen wir nicht, wie sich die Setlist im Laufe dieser Europatour verändern wird. Aber die bleierne Setlist-Zeit der letzten beiden Jahre scheint vorüber.

Zweite gute Nachricht. Die Wiederkehr der Überraschungen geht einher mit einer gleichbleibend starken Performance. Allen Liedern, die er spielt, bringt er die gleiche Aufmerksamkeit entgegen. Vorbei die Zeiten des nuscheligen Krächzens. Der Bühnenkünstler Bob Dylan dieser Tage deklamiert seine Texte deutlich wie beim Diktat. Seine Stimme stark und belastbar wie schon seit vielen Jahren nicht mehr. Bob Dylan ist mit nun 74 Jahren auf einem erneuten Höhepunkt seines Schaffens!

Und, was angesichts der neuen Arrangements alter Songs auch wieder einmal betont werden muss: Bob Dylan ist als Arrangeur völlig unterschätzt. Spätestens seit 1978, als er seine teilweise spröden Songs in sattem Big Band-Sound kleidete, bringt er uns immer wieder zum Staunen. „To Ramona“ war eben noch ein schräger Country-Walzer. Da aber dieses Kleid nun von „Waiting For You“ getragen wird, hat er „Ramona“ eben mal in eine hübsche Latin-Rock-Hülle geschneidert. „Workingmans Blues #2“ mutiert musikalisch vom seligen Kinder- zum bösen Albtraum. Und „All Along The Watchtower“ – dieses Mal einzige und letzte Zugabe – kommt nun nicht mehr krachig, sondern eher verhalten und furchtsam daher, ist nun seinem Original wieder näher als der Fassung von Hendrix.

Ein Abend, der irgendwie eine Befreiung war, Dylans Einzigartigkeit deutlich unterstrichen hat, und einem nun die folgende Tour mit viel größerer Spannung beobachten lässt als befürchtet!