Archive for März 2018

Trouble No More? Von wegen!

31. März 2018

Der Film zum Gospel-Bootleg ist nicht Fisch, nicht Fleisch, passt aber zu Ostern/ Dylan kommt auf Frühjahrs-Tournee nach Deutschland

Irgendjemand hat geschrieben der Film „Trouble No More“ wäre satirisch zu betrachten und meinte damit die überflüssigen Predigt-Sequenzen, die die Sehens- und Hörenwerten Dylan-Live-Passagen immer wieder unterbrechen. Ich habe damals, als die aktuelle Gospel-Bootleg-Zusammenstellung mit Film rausgekommen ist, sinngemäß geschrieben, dass das gut sei, da die Predigten, die Dylan damals wirklich gehalten hat, alles andere als rühmlich für ihn gewesen seien. Engstirnig, Borniert, Rachsüchtig. Da traf sich der frisch begeisterte Konvertit, der mit seinem neu gefundenen Glauben wohl eine große Lebenskrise für sich löste, sich ansonsten aber irgendwie sowohl getrieben als auch angefeindet fühlte, mit dem Gott des Zornes. Irgendwie mehr altes als neues Testament. Die Texte, die der Schauspieler nun im Film aufsagte waren so allgemein, wie klischeehaft, dass man sie nicht wirklich ernst nehmen kann. So war dann aber dieser Film auch irgendwie ein Überraschungs-Ei und passte ins Fernsehprogramm kurz vor Ostern. Dylans Passionsspiele sozusagen.

Dylan expressiv wie selten
Die Konzertbilder vermitteln, dass Dylan damals sein neu gefundener Glaube Kraft, Sicherheit und Spielfreude gegeben hat. Selten hat man Dylan, den Meister der performativen Reduktion, so expressiv und dem Publikum zugewandt gesehen. „Natürlich“ will man sagen, hatte er doch eine Botschaft. Und die Texte sind bekannt fragwürdig, wenn sie nicht eine gewisse Ambivalenz in der Antwort auf die Frage besitzen, wer denn da jetzt voller Liebe angesungen wird. Gott? Eine Frau? Oder ist Gott eine Frau? Anyway. Dass die Frauen in dieser Phase für Dylan eine besondere Bedeutung hatten, zeigen auch die fünf (!) schwarzen Backgroundsängerinnen. Mit denen soll er was gehabt haben, munkelt man. Man mag es glauben, sieht man dann ganz am Ende des Films das großartige Duett von Bob und Clydie King, das eben seine große Energie aus der Beziehung der beiden zu ziehen scheint.

Ärger und Sorgen kamen wieder
Aber spekulieren wir nicht weiter. Bobs Performance dieser Jahre war beseelt, seine Band und er waren richtig stark. Aber der Ärger und die Sorgen waren nicht weg, nur kurze Zeit verflogen. Denn kurz nachdem er mit „Infidels“ 1984 die „Born Again“-Phase hinter sich gelassen hatte, stürzte er in die künstlerische Krise, die außer den zwei Jahren mit Tom Petty ihn die ganzen 1980er Jahre in Beschlag nehmen sollte. Und wer ihn Anfang der 1990er auf einer Bühne sah, der hatte schon den Eindruck, dass da jemand ganz schön mit sich und seiner Musik zu kämpfen hatte. Erst die beiden Folk-Platten „Good As I Been To You“ und „World Gone Wrong“ scheinen ihn wieder in die Spur gebracht zu haben. Seit Mitte der 1990er Jahre sind seine Konzerte klar strukturiert und Dylan ist ein routinierter Bühnenkünstler geworden.

Wieder auf Deutschland-Tour
Mittlerweile bleiben die ganz großen Überraschungen im Konzert aus, im Gegensatz zu früheren Jahren ist die Setlist fast immer gleich. Aber: Dylan schafft es immer wieder, magische Momente zu zaubern, dann wenn der Text und die Performance wie im Augenblick entstanden wirken und ihre ganze Macht entfalten – dann ist die Musik-Legende Bob Dylan wieder der große Geschichtenerzähler, der Songwriter, dessen Lieder berühren.

Jetzt sind diese magischen Momente wieder live zu erleben, denn Bob Dylan beginnt am 12. April in Neu-Ulm seine Deutschland-Tournee, die ihn u.a. auch nach Krefeld, Nürnberg und Baden-Baden führen wird.

Trouble No More ist bis zum 28. April auf arte.tv zu sehen:
https://www.arte.tv/de/videos/079444-000-A/bob-dylan-trouble-no-more/

Ry Cooder

6. März 2018

Er ist eine wirkliche Musiklegende. Wobei er weniger als Solokünstler in der ersten Reihe, denn als Soundtrack-Komponist (Paris, Texas), Weltmusik-Projektförderer (Buena Vista Social Club u.a.) und Slide-Guitar Sidekick der Extraklasse für so berühmte Kollegen wie Eric Clapton oder Bob Dylan bekannt geworden ist.

Es gibt da dieses schöne Video in dem Bob Dylan Woodys „Do Re Mi“ singt. Er macht es großartig. Aber er macht das auf einem Klangteppich, der sehr fein von Van Dyke Parks und eben Ry Cooder gewebt wird. Ry Cooder ist einer der wichtigsten Musiker und stillen Stars der US-Musikszene und auch einer, der schon Americana gemacht hat, als dieser Begriff noch kein Label war.

Seine letzte Platte datierte aus dem Jahr 2012. Sein Album „Election Special“ hat schon damals vorweggenommen was bei einem republikanischen Wahlerfolg zu erwarten ist: Die Zerschlagung der staatlichen und sozialen Gemeinschaft der USA zugunsten der Interessen der Wirtschaft und eines christlich-fundamentalistischen Sozialdarwinismus. Donald Trump hat diese negativen Erwartungen noch einmal übertroffen.

Sein neues Album „The Prodigal Son“ vermisst nun das moderne Amerika mittels traditioneller Songs von den Pilgrim Travellers, den Stanley Brothers, Blind Willie Johnson sowie eigenen Kompositionen von Cooder. „Es ist“, so Cooder, ein rascher Kommentar zur unserer von kränkelnder Moral gekennzeichneten Lage…Ich verbinde die politisch-ökonomische Dimension mit dem Seelenleben der Menschen, denn die Menschen werden in unserer heutigen Welt von allen Seiten gefährdet und unterdrückt.“

Es ist also eine sehr dunkle, ernste Lagebeschreibung, die Cooder da abliefert. Und so spürt Cooder beim Hören und spielen dieser Songs Ehrfurcht und Respekt. Denn ganz nach der Krankenpflege-Ausbilderin seiner Enkelin, die aus Kaschmir stammt, soll nicht Religion gelehrt werden, sondern Respekt und Ehrfurcht.

Und so verlässt Cooder trotz seines lupenreinen Americana-Albums den typisch-amerikanisch-konservativ-gottesfürchtigen Referenzrahmen zugunsten eines wahren Humanismus. Und bleibt so auch mit 70 Jahren. ein unbequemer weltoffener Mahner.

„The Prodigal Son“ erscheint am 11. Mai bei Caroline (Universal Music).