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Melancholy Mood

5. Mai 2016

Melancholy MoodJetzt hat er uns doch wieder drangekriegt. Als Anfang des Jahres durchsickerte, Bob Dylan nehme in den legendären Capitol-Studios in Los Angeles auf, hofften viele auf etwas Neues. Nach dem Sinatra-Album nun vielleicht Bluegrass, Gospel oder Country? Die Anwesenheit von Marty Stuart und seinen Jungs im Nachbarstudio befeuerte das Wunschdenken. Doch es ist wieder einmal anders gekommen.

Dylan schlägt derzeit seine Haken, indem er sie unterlässt. Er ist unberechenbar berechenbar geworden. Also doch Great American Songbook/Frank Sinatra-Tribute Nr. 2. „Fallen Angels“ heißt das neue Werk, das am 20. dieses Monats erscheinen wird. Vorab erschien die Vier-Track-EP „Melancholy Mood“. Vier Songs, die dann auf „Fallen Angels“ enthalten sein werden und die er teils bereits in seinen Konzerten in Japan gesungen hat. Beide Tonträger basieren wohl Großteils auf Material von den Sessions zu „Shadows In The Night“.

Und sie sind noch besser als das bisher erschienene. Die Band hat einen erstaunlichen Jazz-Groove gefunden und streut sogar einen Tempowechsel ein. „This Old Black Magic Calles Love“ ist sensationell, gerade auch wegen Dylans Stimme. Wir erinnern uns an das grässliche Bellen mit dem er auf Tempest „Pay In Blood“ eröffnete. Nun säuselt und croont er sanft, hält die hohen Töne, ohne dass die Stimme bricht.

Der alte Wolf hat viel Kreide gefressen. Doch ein Schaf ist er deswegen noch lange nicht. Seine Konzerte erzählen in ihrer klaren Dramaturgie und in all ihrer Doppelbödigkeit und Schärfe von den Veränderungen innerhalb eines Lebens, von der Verwunderung über eine geliebte Frau, von Verlust, Schmerz, dem Nebeneinanderherleben, vom Tod und von der Frage nach dem Warum, deren Antwort der Wind fortgetragen hat und dessen Antwort doch nur Liebesschmerz ist.
Und Dylan bleibt der Meister der Doppelbödigkeit. „Fallen Angels“ würde natürlich zu dem Sujet der gefallenen Frau passen, zu den Filmen der „Schwarzen Serie“, an die sich auch sein Video zu „The Night We Called It A Day“ anlehnt. Aber nein, das Coverfoto des neuen Album führt uns auf eine andere Fährte. Dylan bleibt im Gangstergenre der 1930er und 1940er Jahre. „Fallen Angels“ ist ein Spielkartentrick.

Und Bob Dylan bleibt so bei allen ewigen und ernsten Themen mit dem er sich in der Maske des 40er Jahre-Crooners befasst, doch der ewige Trickster. Erleichterung macht sich da breit.