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Eggers und Sullivan

6. September 2013

EggersGanz banausig teile ich mal schnell die zeitgenössische amerikanische Literatur in drei Lager. Da haben wir einmal die Fords, Austers und De Lillo mit ihrer Ostküsten-Establishment-Perspektive auf Anwälte, Banker oder Hochschullehrer. Dann haben wir die Irvings und Boyles mit ihren abgedrehten Typen und Geschichten, die ich allgemein zu bemüht und zu verschwurbelt finde. Und dann gibt es die jungen, interessanten Typen, die Geschichten über das heutige Amerika, das zerrissene, entsolidarisierte, weltpolitisch und wirtschaftlich im Abstieg befindliche Amerika schreiben. Und von wirklichen Menschen und von wirklichen Geschehnissen etwas zu sagen haben.

Beispielhaft hierfür sind Dave Eggers und John Jeremiah Sullivan. Eggers hat mit „Zeitoun“ und „Ein Hologramm für den König“ zwei hervorragenden Bücher über Amerikas Rolle in der globalen Welt und dessen Abwehrkampf innen wie außen geschrieben. Dem syrisch-stämmigen Zeitoun hilft die Überanpassung an den amerikanischen Geist – Unternehmer sein, fleißig sein, gute Nachbarschaft leben – überhaupt nichts, als die amerikanischen Ordnungskräfte mit den Folgen des Hurrikans Katrina umgehen, als seien sie im Anti-Terror-Krieg. Weil er Araber ist, wird er interniert. Dem US-Manager Alan Clay verzweifelt im „Hologramm“ in der islamischen Gesellschaft Saudi-Arabiens am Niedergang der amerikanischen Industrie und dem Aufstieg Chinas als konkurrierende Weltmacht.

John Jeremiah Sullivans Pulphead-Reportagen berichten aus dem Innern einer beschädigten Nation. Ob christliches Rockfestival, Disneyworld oder „Guns N‘ Roses“-Frontmann Axl Rose. Sullivans Miniaturen zeigen die Absurdität des verlebten amerikanischen Traums. Sullivan schreibt süffig, ironisch und plastisch ohne jede überflüssige Wende oder Drehung.

War Eggers Debütroman noch einer von der geschwätzigeren Sorte, hat er mit den Jahren gelernt, seine Prosa durch Reduktion zur Entfaltung zu bringen. „Zeitoun“ ist dokumentarisch und doch spannend wie Fiktion. „Ein Hologramm für den König“ ist Fiktion und liest sich doch fast wie eine nüchterne Bestandsaufnahme des Scheiterns. Das individuelle Scheitern des Alan Clay als Parabel auf das Scheitern Amerikas.Sullivan

Es stimmt zuversichtlich, dass dieses Land solche Autoren hervorzubringen vermag. Ihre Literatur und ihr gesellschaftliches Engagement in Selbsthilfeprojekten und NGOs zeigt aber auch, dass auf die Politik in den USA kein Pfifferling mehr gesetzt wird. Die Syrien-Politik des Friedensnobelpreisträgers Obama ist das neueste Zeichen dafür, dass die politische Klasse Amerikas abgewirtschaftet ist. Ohne Idee, ohne Moral, ohne Koordinatenkreuz. Hau-Drauf-Politik anstatt wirklicher humanitärer Verantwortung. Am Ende seiner Amtszeit erweist sich der Hoffnungsträger Obama als hoffnungslos ins System verstrickter Scheinriese. Traurig.