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Just „New York Kids“

2. Dezember 2010

Patti brilliert als Autorin, Willie glänzt mit dem, was er immer macht

Der Zufall wollte es so: Auf meinem MP3-Player ging Pattis Album zu Ende und Willies neues setzte nahtlos an. Und das bei der Lektüre von „Just Kids“ – Patti Smiths Werk über ihre Beziehung zu Robert Mapplethorpe im New York der 70er Jahre.

Vorweg: Es ist ein großes Buch. Es ist beste Liebes-, Coming-Out-, Boheme-, Historien-, Nostalgie-, Reise-, Rock-Literatur. Pattie nimmt uns mit auf den Trip von New Jersey in den Big Apple der 60er und 70er Jahre. Erzählt vom Traum der beiden, Künstler zu werden. Erzählt vom Träumen, vom Lieben und vom Hungern. Dass man sich liebt und trennt und liebt, mal geistig und körperlich, dann nur noch geistig liebt, dann getrennt ist und trotzdem immer ein Paar bleibt. Auch über den Tod hinaus. Sie führt uns durch die Straßen und über die Plätze von New York. Vom Washington Square zum Chelsea Hotel. Mit feiner Bobachtungsgabe schildert Sie die berühmtesten Künstler ihrer Zeit: Allen Ginsberg, Harry Smith, Janis Joplin, Andy Warhol oder Sam Shepard. Und auch aus ihrer Verehrung von Bob Dylan macht sie keinen Hehl. Eine starke Frau und Künstlerin, die schließlich als Rockpoetin ihre Bestimmung findet. Während Robert Mapplethorpe der Sonne zu nahe kam. Doch am Ende ist keine Bitterkeit zu spüren. Patti hat wenige Jahre nach Robert Mapplethorpe auch ihren Ehemann Fred „Sonic“ Smith verloren. Doch sie flüchtet sich nicht in vordergründige Trauer und Resignation. Patti ist genauso zäh, wie sie hoffnungs- und liebevoll ist. Gepaart mit einfach nicht enden wollender Kreativität macht sie immer weiter. Schön, dass das so ist.

Unser Freund Willie Nile macht auch immer weiter. Mit „The Innocent Ones“ legt er sein viertes Album innerhalb von drei Jahren vor. Und wer ihn auf der Bühne derwischgleich zu seiner Musik Tänze aufs Parkett legen sieht, die Pogo mit Riverdance kreuzen – bislang kenne ich das nur von youtube, da mit noch kein Livekonzert vergönnt war – der kann es nicht glauben, dass er auch schon 62 ist. Wie er immer wieder drei Akkorde dazu benutzt Stakkato Ohrwurm-Melodien und gefühlvolle Balladen zu mischen, die immer ganz vertraut und dennoch neu wirken, ist unglaublich und einfach nur schön. Auch Willie nimmt uns ja stets mit auf die Reise durch „The Streets Of New York“. Das heute sicherlich nicht mit dem zu vergleichen ist, das Patti und Willie in ihrer Jugend erlebt haben. Die große künstlerische naive Freiheit fehlt, vieles ist einfacher, zugänglicher, kommerzieller geworden, aber auch sicherer. Doch Kunst und Phantasien befördert dieses New York wie eh und je.

Ein weiteres „New York Kid“ wird nächstes Jahr 70. Heutzutage konzertiert Bob Dylan jährlich Ende November in NYC. Das zu erleben wäre noch eine Herausforderung, seine Umsetzung steht aber in den Sternen. Bis dahin helfen die Musik und die Poesie von Bobby, Patti und Willie, die Sehnsucht zu stillen.

New York, New York 2

17. Oktober 2009

NY2009-II 168Eine prall gefüllte Woche New York liegt hinter uns. Eine Entdecker-, Lauf-, Essen und Trinken-, Wohlfühl-, Musikwoche, von der wir lange zehren werden.

Den Auftakt der Musikwoche bildete die legendäre Nitty Gritty Dirt Band im B.B. King’s Blues Club am Times Square. Ein fabelhaftes Konzert der Country-Rock-Pioniere. Und im Gespräch sind die total locker und umkompliziert. Mit Ihnen zu sprechen war ein ganz großer Moment. Mit Jeff Hanna und Bob Carpenter über „Oh Brother, where art thou?“ und Bob Dylan zu fachsimpeln – Wahnsinn!

Weiter ging es am nächsten Tag mit John Wesley Harding. Der Bob Dylan-Apologet – Nomen est Omen – ist ein ausgesprochener Sympath und ein toller, literarisch beschlagener Musiker. Nur spielt er momentan ein Programm, das von seinen Gästen lebt. Doch leider haben die nicht die Qualität, um wirklich den Abend zu einem ganz großen Vergnügen werden zu lassen. So bleibt von dem Event im „Le Poisson Rouge“ im Herzen von Greenwich Village vor allem der druckvolle, eingängige Folk-Rock von John Wesley-Harding und das lustige Spottlied über die Delta Airlines – „Delta, Delta, Delta, nothing rhymes on Delta, the stones play gimme shelter…“ im Gedächtnis haften.

Auch am eigentlich geplanten musikalischen „day-off“ zog es uns dann wohl instinktiv in den New Yorker Ableger der „Rock’n’Roll Hall of Fame“. Dort wird im Moment eine Ausstellung über „John Lennon in New York“ gezeigt. Eine sehr interessante und bewegende Schau. Die Dauerausstellung fällt dagegen etwas ab. So kommt Dylan meines Erachtens nach zu kurz weg gegenüber der (über-)breiten Würdigung von Bruce Springsteen. Dass als Hörprobe ausgerechnet „House Of The Rising Sun“ gespielt wird und nicht beispielsweise „Like A Rolling Stone“ ist unerklärlich. Schade!

Am nächsten Tag waren wir dann beim „World Premiere Concert“ von Rosanne Cashs „The List“. Hier traf sich wohl vor allem die New Yorker intellektuelle und Medien-Szene. Während wir bei den Nitties zwischen dem Lehrertyp zur Linken und den amerikanischen Mittelklasse-Hausfrauen zur Rechten uns in einem gemischten Publikum wieder fanden, waren unsere Nachbarinnen in der Lobby von St. Ann’s Warehouse deutlich als Medienleute zu identifizieren. Dass ich selber so einer bin, macht mir das leichter (lol!). Doch zum Konzert: Rosanne ist eine interessante Künstlerin, hat eine tolle Stimme und eine große Bühnenpräsenz. Es war eine sehr schöne, sehenswerte Show. Rosanne Cash überzeugte, auch weil jederzeit zu spüren war, welches Herzensanliegen ihr die Liste ihres Vaters ist.

Blieb als Abschluss dann noch die Bob Dylan-Weinprobe. Und die war eigentlich ein Ärgernis. Man nehme drei nervende, inhaltslos schnatternde Moderatoren (besonders der, der geradezu eine Parodie auf einen Rockjournalisten gab), ein überfordertes Personal, das asynchron zur Erklärung der Weine, die leider unaufregenden Tropfen ausschenkt – ein Wein fehlte gar völlig – und einen „Bob Dylan-Look Alike“, der Dylans Musik so beflissen wie unoriginell nachahmt: Leider eine Chance vertan. Dass man dabei in der Band „Highway 61“ live Rob Stoner (Desire, Rolling Thunder Review) die große Scarlet Rivera (Hurricane!) sowie Winston Watson (Never Ending Tour-Band 1993-97) erleben konnte, war das Beste und das positiv Unvergessliche am Abend.

Was bleibt sonst? Ins Village kommen ist immer so ein bisschen wie nach Hause kommen. Die Eichhörnchen im Washington Square Park wieder zu sehen. Und ich schwöre, dass uns am ersten Tag Greil Marcus am Waverly-Restaurant über den Weg gelaufen ist. Dass man wunderbar in New York laufen kann. Dass es vom Village nicht weit zum Hudson River ist. Dass am Hudson River eine wunderschöne Promenade entstanden ist. Dass wir in der Vandam Street Kinky Friedmans Loft nicht gefunden haben. Dass wir die White Horse Tavern überlebt haben. Dass wir von Willie Nile leider keine Spur gefunden haben, dafür sein Geist überall in den „Streets of New York“ zu spüren war. Dass wir eine lehrreiche Ausstellung über Lincoln and New York“ besucht haben. Und dass wir endlich ein Restaurant in New York mit „authentic southern and cajun food“ gefunden haben. Und so vieles mehr…

Jetzt sind wir tatsächlich so mutig: Nächstes Jahr fahren wir den Highway 61 runter!