Posts Tagged ‘Aretha Franklin’

Notizen zum schwarzen Amerika (Teil 1)

10. Januar 2020

James Baldwin, Maya Angelou, Aretha Franklin

Die Geschichte der schwarzen Amerikaner*innen ist geprägt durch Ausbeutung, Rassismus und Gewalt. Und das bis zum heutigen Tag. Trotzdem oder gerade deswegen hat die schwarze Community bedeutende Intellektuelle und Künstler*innen hervorgebracht. In diesen Tagen kreuzten sich meine Wahrnehmungen dreier afroamerikanischen Persönlichkeiten und ich sah Parallelen in deren Wege und Werke und entdeckte neue Parameter für das Verständnis afroamerikanischer Kultur in den USA.

Der Debütroman des großen Schriftstellers und Intellektuellen James Baldwin (1924 – 1987) „Von dieser Welt“ ist für mich eines der finstersten und traurigsten Bücher überhaupt. Selten wurde die Verlorenheit und die Überwältigung in kirchlichen Strukturen dermaßen ausweglos dargestellt. Der junge John wird in einer ernsten, sittenstrengen und zugleich äußerst bigotten Welt groß. Daran kann man zerbrechen. Die ausführlichen Schilderungen der Gottesdienste beendeten mein Klischeedenken über ausgelassene, fröhliche und bunte afroamerikanische Kirchen. Die gibt es, aber eben nicht nur. Es gibt auch welche, die machen in ihren Gottesdiensten den jungen Menschen genauso viel Angst wie oftmals hierzulande. Denn es geht immer um Gehorsamkeit gegenüber dem strafenden Gott und selten um den verständnisvollen, vergebenden und liebenden Gott.

Eine Kindheit im Süden
Daran musste ich denken als ich Maya Angelous Biographie „Ich weiß, warum der gefallene Vogel singt“ las. Auch hier ist der Gottesdienst erst einmal ernst und den Kindern wird Gehorsam und Demut abverlangt. Umso tiefer die Fallhöhe, als ein weibliches Gemeindemitglied dermaßen spirituell aus dem Ruder läuft, dass sie eine Gefahr für die Pfarrer und die Gottesdienstbesucher darstellt. Wie die spätere Schriftstellerin, Professorin und Bürgerrechtlerin Maya Angelou ( 1928 – 2014) diese Szene aus ihrer Kindheit beschreibt ist grandios, und was da im Gotteshaus passiert, ist an Irrwitz und Groteske nicht zu überbieten. „Predige es, Predige es“, ruft das ausgeflippte Gemeindemitglied immer wieder und geht auf den Pfarrer los. Ein ganz großer Lesespaß. So groß wie der Spaß, den Maya und ihr Bruder Bailey damals auch hatten. Aber der war nur kurz, denn nachdem die beiden Kinder so laut gelacht und sich auf dem Boden gewälzt hatten, folgte die schmerzhafte Strafe per Gürtelhiebe. Kinder hatten im Gottesdienst nichts zu lachen.

Maya Angelous Buch ist ein faszinierender Einblick in die schwarze Community der 1940er Jahre. Im Süden, in Arkansas, herrschen die Jim Crow-Gesetze. In Stamps wächst Maya bei ihrer Großmutter auf, die für die dortigen Verhältnisse relativ wohlhabend ist, denn sie besitzt einen kleinen Gemischtwarenladen. Der Rassismus und die latente Gefahr für die Schwarzen, Gewalttaten ausgesetzt zu sein, sind bedrückend. Lynchmorde an Schwarzen sind im Süden zu dieser Zeit keine Seltenheit. Dennoch haben Maya und ihr Bruder auch schöne Kindheitstage, später kommen sie zu ihrer Mutter nach St. Louis, wo Maya von deren Freund vergewaltigt wird. Nach einem erneuten Intermezzo in Stamps ziehen die Kinder wieder zu ihrer Mutter, die jetzt in Oakland, Kalifornien lebt. Wie Maya zu einer selbstbewussten, belesenen und kämpferischen jungen Frau wird, davon erzählt dieses Buch in großartiger Manier. Spannend, direkt und klug schildert Maya Angelou, die mit James Baldwin gut befreundet war, ihre Kindheits- und Jugendgeschichte. Lesenswert!

„Amazing Grace“: Ein besonderes Zeitdokument
Die dritte Persönlichkeit ist Aretha Franklin (1942 – 2018). Die große „Queen of Soul“ begann ihre Weg zur Sängerin im Chor der „New Bethel Baptist Church“ ihres Vaters, Clarence LaVaughn Franklin, der sowohl Baptistenprediger, als auch Bürgerrechtsaktivist war. 1972 – schon einige Jahre nach ihrem Durchbruch mit Soul und Pop – gibt sie ein reines Gospelkonzert in der New Temple Missionary Baptist Church in Los Angeles. Der Mitschnitt bekommt als LP unter dem Titel „Amazing Grace“ mit einem Grammy geehrt. Der ebenfalls dort produzierte gleichnamige Konzertfilm wird aufgrund technischer Problem (Ton- und Bildspur stimmten nicht überein) nie gezeigt. Auch als mittels moderner digitaler Technik dies von ein paar Jahren repariert werden kann, verhindert Aretha Franklin dessen Veröffentlichung. Erst jetzt – gut eineinhalb Jahre nach ihrem Tod – sieht der Film das Licht der Welt.

Und es ist ein großartiges Zeitdokument. Wobei uns die Musik nicht völlig überzeugt. Zu oft dekonstruiert Aretha quasi die Songs, indem sie Töne langsam zerdehnt, so dass sie jeden Zusammenhalt verlieren, „Amazing Grace“ wird so zur endlosen Folge einzelner Töne und der Song verliert an Form und Eindruck. Wohlgemerkt uns geht es heute so. Im Gospelkonzert im Gotteshaus im Film reagieren aber sowohl der Chor wie auch die Zuhörer mit spontanen ekstatischen spirituellen Ausbrüchen auf einzelne Töne. Wobei wir fast schon wieder beim Gottesdienst von Maya Angelou wären. Wie auch immer, wir können es nicht nachvollziehen, warum diese Art des Vortrags so zündet. Andere Songs dagegen – Climbing Higher Mountains – entsprechen eher unseren Hörgewohnheiten. Für uns das Highlight: Die Kombination und Verschmelzung des Spiritual „Precious Lord, Take My Hand“ mit Carol Kings Popsong You’Ve Got A Friend“. Wie beides ineinander verwoben wird, so das Pop zu Gospel und Gospel zu Pop wird ist genial.

Mit zur Seite stehen Aretha an diesen zwei Abenden musikalisch zwei Männer. Chorleiter Alexander Hamilton und Reverend Dr. James Cleveland. Letzterer, Arethas väterlicher Freund und Klavierlehrer und wichtige Gründerfigur der modernen Gospelmusik führt mit viel Humor und Schweiß durchs Programm. Dennoch: Aretha spricht in diesem Film ausgesprochen wenig und schaut meist ernst. Ob sie dieses „Back tot he Roots“ dann doch überwältigt. Auf alle Fälle am zweiten Abend könnte das so gewesen sein. Denn da sind nicht nur einige Weiße mehr Anwesend – darunter auch Edelfans wie Mick Jagger und Charlie Watts – sondern auch ihr Vater unter dessen Augen in unmittelbarer sie nun musiziert.

Manchmal wirken die Aufnahmen unfertig und improvisiert und man merkt, wie sehr sich der Film und die Sehgewohnheiten in den fast 50 Jahren verändert haben. Da ist noch echter Schweiß zu sehen, da wirkt manches ungelenk und bedächtig, da ist nichts schnell und auf den Effekt zielend geschnitten. Heutzutage würde solch ein Film ganz anders aussehen. Martin Scorsese hatte 1977 das Genre des Konzertfilms durchaus revolutioniert. Wie er Bob Dylan und Robbie Robertson in „The Last Waltz“ inszeniert hat, wie er längere Erzählpassagen der Bandmitglieder mit den Konzertbildern verwebt ist große klasse. Aber gut, dass die Produzenten rund um Regisseur Spike Lee bei „Amazing Grace“ widerstanden haben, dies hier anzuwenden und einen neuen Film zu schaffen.

Von der Black Power zum Überlebenskampf
So sehen wir ein Zeitdokument der frühen 1970er Jahre, in denen der Stolz der schwarzen Community zu spüren ist. Zwar sind Malcolm X und Martin Luther King ermordet worden, aber es ist die Hochzeit der Black Power des Soul, der Black Panther, der Blaxploitation-Filme mit ihrem König „Shaft“. Noch gibt es bei allen Rückschlägen Erfolge auf dem Weg zur schwarzen Emanzipation in den USA. Die Abwärtsbewegung beginnt mit einige Jahre später Präsident Ronald Reagan und dessen Einsatz rassistischer Denkfiguren und Vorurteile in seiner politischen Kommunikation sowie seinen Kürzungen bei Sozialleistungen, die vor allem die schwarze Community treffen. Die musikalische Antwort darauf waren Hip Hop und Rap und völlig neue popkulturelle Codes. Jetzt ging es nicht mehr um Emanzipation, jetzt ging es oftmals nur noch ums Überleben im Ghetto zwischen Drogen und Gewalt. Doch das ist eine andere Geschichte.

So sind die drei Geschichten, die hier in den zwei Büchern und dem Film erzählt werden, auch gute Beispiele für die Bedeutung der Religion für die Afroamerikaner bis in die 1970er Jahre. Für Glauben und Gehorsam. Für Bigotterie und persönlichen Aufstieg. Für scheinbar dominante Männer- und wirklich starke Frauenfiguren. Und für die Hoffnung, dass Gott seine schwarzen Brüder wirklich befreien möge aus all ihren Ketten. Dass der Kampf des Volkes vom Herrn unterstützt wird.

Diesen Optimismus hat „Black Lives Matter“ nicht mehr. Hier geht es scheinbar alleine um den Abwehrkampf gegen die Ausformungen einer Staatsmacht, die auch mehr als 150 Jahre nach Ende des Bürgerkriegs und der Sklaverei strukturell dem Rassismus Vorschub leistet.

Wie weiter mit der afroamerikanischen Emanzipation im Amerika der alten, weißen Männer?

Menna Mulugeta begeistert bei „Americana im Pädagog“

2. März 2019

Ausverkauftes Haus bei „Von Billie bis Beyoncè. Black Women in American Music“

Starke Stimme: Menna Mulugeta

Sie hat es geschafft. Als erster Einzel-Act der Reihe „Americana im Pädagog“ war Menna Mulugetas Konzert im Darmstädter Pädagogtheater ausverkauft. Dies war vorher nur mit den großen Line-ups bei den Tribute-Konzerten gelungen. Ihr Programm „Von Billie bis Beyoncè. Black Women in American Music“ brachte die Leute auf die Beine. Und von Anfang an berührte sie, bewegte sie, begeisterte sie das Darmstädter Publikum. Durch ihre großartige, kraftvolle und zugleich facettenreiche Stimme, durch ihre enorme Bühnenpräsenz, durch ihre Ausstrahlung und nicht zuletzt durch ihre kenntnisreichen Erzählungen über Sängerinnen, Songs und Zeitumstände. Das war einer der ganz großen Glanzpunkte in der nun fünfjährigen Geschichte von „Americana im Pädagog“.

Es tut immer wieder gut, wenn Ideen funktionieren. So wie der große Dylan-Geburtstag 2016, die „Lovesongs for the other America“, das Woody Guthrie-Tribute und jetzt eben die Idee, Menna mit ihrem Programm zu den großen weibliche afroamerikanischen Stimmen ins Pädagog zu holen. Von Anfang an, als wir die ersten Überlegungen zu diesem Abend anstellten, wusste ich, das wird ein besonderer Abend. Sie begeisterte die Teilnehmenden der Ingelheimer Musik & Politik-Seminare und in mir wuchs der Wunsch, dieses Programm mit ihr in der Reihe „Americana im Pädagog“ auf die Bühne zu bringen. Und Menna und ihr musikalischer Partner Gernot Blume haben ein fantastisches Programm entwickelt. Bessie Smith, Billie Holiday, Sister Rosetta Tharpe, Etta James, Nina Simone, Aretha Franklin, Tina Turner, Whitney Houston, Rhiannon Giddens, Beyoncé Knowles – was für ein Reichtum an starken Stimmen. Und wie beeindruckend die erst 27-jährige Menna sie interpretiert und dabei zeigt, welch starke Stimme sie hat. Menna hat sich dazu tief in die Biographien der Sängerinnen und in die gesellschaftlichen Hintergründe eingearbeitet. Auch davon lebt dieses Programm, das hoffentlich nach dieser gelungenen Premiere noch öfters zu hören sein wird.

Bei „Americana im Pädagog“ geht es weiter am Donnerstag, 28. März mit der südhessischen Bluegrass-Formation „Grass Unlimited“, bevor dann das erste Halbjahr mit den beiden großen Pete Seeger Tribute-Konzerten beendet wird. Infos und Karten gibt es hier:
https://paedagogtheater.de/kalender/

„Einen ganzen Abend mit der Musik dieser Frauen zu gestalten, ist für mich eine besondere Freude“

22. Februar 2019

„Black Women in American Music“ am 28. Februar bei „Americana im Pädagog“ in Darmstadt/ Menna Mulugeta im Interview

Menna Mulugeta

Ohne die Beiträge der afroamerikanischen Frauen wäre die US-Populärmusik nicht denkbar. Ihre Perspektive im Spannungsfeld zwischen Rassismus, Frauenfeindlichkeit und dem Kampf um soziale Teilhabe hat großartige Musikerinnen und starke Songs hervorgebracht. Von Billie Holidays „Strange Fruits“ über Nina Simones „Mississippi Goddamn“ bis hin zu Aretha Franklins „Respect“. Heutzutage sind es Künstlerinnen wie Beyoncé, die mit ihrer Musik den Soundtrack für die Bewegung „Black Lives Matter“ liefern.

Mit ihrem Programm „Von Billie bis Beyoncé. Black Women in American Music“ wird Menna Mulugeta am kommenden Donnerstag (28. Februar, 20 Uhr) diese Musik im Rahmen der Konzertreihe „Americana im Pädagog“ auf die Bühne des Darmstädter „Theater im Pädagog“ bringen. Die Sängerin aus der Nähe von Bingen begeistert seit einigen Jahren mit ihren Konzert- und Fernsehauftritten. Mit ihrem musikalischen Partner Gernot Blume hat sie diesen besonderen Abend für die Reihe „Americana im Pädagog“ entwickelt. Americana-Kurator Thomas Waldherr hat sie zu diesem Programm und ihrem Werdegang befragt.

Was hat Dich an der Idee begeistert, einen Abend mit der Musik der großen afroamerikanischen Sängerinnen zu gestalten?
Für mich sind afroamerikanische Sängerinnen schon immer eine große Inspirationsquelle gewesen. Als Kind habe ich mir Videos von beispielsweise Whitney Houston angeschaut und war verzaubert, wie wunderbar sie singen konnte. Natürlich konnte ich mich auch wegen der Hautfarbe mit ihnen identifizieren. Nun einen ganzen Abend mit der Musik dieser Frauen zu gestalten, ist für mich eine besondere Freude.

Wie bist Du zur Musik gekommen?
Im Alter von 10 fand ich nach musikalischen Stationen bei der Blockflöte, dem Horn und dem Keyboard zu meinem Lieblingsinstrument, der Stimme. In der Grundschule spielte ich Theater und mit dem Wechsel aufs Gymnasium gab es dann eine Musical – AG. Da musste ich auf einmal singen:)

Was sind Deine wichtigsten musikalischen Einflüsse? Welches sind Deine Lieblingsmusikerinnen und -musiker?
Wichtige Einflüsse sind Gospel, Soul, Pop und R’n’B. Wichtige Künstler in meinem Aufwachsen: Beyoncé, Toni Braxton, Whitney Houston, Alicia Keys, Gregory Porter.

Hast Du als Tochter von äthiopischen Eltern in Deutschland Rassismus erfahren?
Bis jetzt kaum direkten, offenen Rassismus. Jedoch immer wieder begegnen mir unterschwellige, latente Vorurteile.

Du strahlst im Leben wie auf der Bühne stets Power und Optimismus aus? Woher kommt das?
Vielen Dank:)! Das ist glaube ich einfach mein Naturell. Es fällt mir leicht, positiv zu sein und mich über mein Leben und die Musik zu freuen. Trotzdem ist es auch immer wieder eine Entscheidung sich aufzurappeln.

Welche Ziele verfolgst Du mit der Musik? Wo willst Du in zehn Jahren sein?
Mhmm. Gar nicht zu einfach. Ich versuche immer im hier und jetzt zufrieden und glücklich zu sein. Mir gefällt, wohin sich meine Karriere seit dem Abitur entwickelt und wünsche mir für die Zukunft größere Hallen, die ich bespielen darf und interessante Kollaborationen mit Musikern aus aller Welt:)

Karten für die Veranstaltung können im Vorverkauf im Darmstadt-Shop im Luisencenter sowie online unter http://www.paedagogtheater.de erworben werden. Vorbestellungen sind unter 06151 – 66 01 306 telefonisch und unter theaterimpaedagog@gmx.de per E-Mail möglich.