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Notizen zum schwarzen Amerika (Teil 1)

10. Januar 2020

James Baldwin, Maya Angelou, Aretha Franklin

Die Geschichte der schwarzen Amerikaner*innen ist geprägt durch Ausbeutung, Rassismus und Gewalt. Und das bis zum heutigen Tag. Trotzdem oder gerade deswegen hat die schwarze Community bedeutende Intellektuelle und Künstler*innen hervorgebracht. In diesen Tagen kreuzten sich meine Wahrnehmungen dreier afroamerikanischen Persönlichkeiten und ich sah Parallelen in deren Wege und Werke und entdeckte neue Parameter für das Verständnis afroamerikanischer Kultur in den USA.

Der Debütroman des großen Schriftstellers und Intellektuellen James Baldwin (1924 – 1987) „Von dieser Welt“ ist für mich eines der finstersten und traurigsten Bücher überhaupt. Selten wurde die Verlorenheit und die Überwältigung in kirchlichen Strukturen dermaßen ausweglos dargestellt. Der junge John wird in einer ernsten, sittenstrengen und zugleich äußerst bigotten Welt groß. Daran kann man zerbrechen. Die ausführlichen Schilderungen der Gottesdienste beendeten mein Klischeedenken über ausgelassene, fröhliche und bunte afroamerikanische Kirchen. Die gibt es, aber eben nicht nur. Es gibt auch welche, die machen in ihren Gottesdiensten den jungen Menschen genauso viel Angst wie oftmals hierzulande. Denn es geht immer um Gehorsamkeit gegenüber dem strafenden Gott und selten um den verständnisvollen, vergebenden und liebenden Gott.

Eine Kindheit im Süden
Daran musste ich denken als ich Maya Angelous Biographie „Ich weiß, warum der gefallene Vogel singt“ las. Auch hier ist der Gottesdienst erst einmal ernst und den Kindern wird Gehorsam und Demut abverlangt. Umso tiefer die Fallhöhe, als ein weibliches Gemeindemitglied dermaßen spirituell aus dem Ruder läuft, dass sie eine Gefahr für die Pfarrer und die Gottesdienstbesucher darstellt. Wie die spätere Schriftstellerin, Professorin und Bürgerrechtlerin Maya Angelou ( 1928 – 2014) diese Szene aus ihrer Kindheit beschreibt ist grandios, und was da im Gotteshaus passiert, ist an Irrwitz und Groteske nicht zu überbieten. „Predige es, Predige es“, ruft das ausgeflippte Gemeindemitglied immer wieder und geht auf den Pfarrer los. Ein ganz großer Lesespaß. So groß wie der Spaß, den Maya und ihr Bruder Bailey damals auch hatten. Aber der war nur kurz, denn nachdem die beiden Kinder so laut gelacht und sich auf dem Boden gewälzt hatten, folgte die schmerzhafte Strafe per Gürtelhiebe. Kinder hatten im Gottesdienst nichts zu lachen.

Maya Angelous Buch ist ein faszinierender Einblick in die schwarze Community der 1940er Jahre. Im Süden, in Arkansas, herrschen die Jim Crow-Gesetze. In Stamps wächst Maya bei ihrer Großmutter auf, die für die dortigen Verhältnisse relativ wohlhabend ist, denn sie besitzt einen kleinen Gemischtwarenladen. Der Rassismus und die latente Gefahr für die Schwarzen, Gewalttaten ausgesetzt zu sein, sind bedrückend. Lynchmorde an Schwarzen sind im Süden zu dieser Zeit keine Seltenheit. Dennoch haben Maya und ihr Bruder auch schöne Kindheitstage, später kommen sie zu ihrer Mutter nach St. Louis, wo Maya von deren Freund vergewaltigt wird. Nach einem erneuten Intermezzo in Stamps ziehen die Kinder wieder zu ihrer Mutter, die jetzt in Oakland, Kalifornien lebt. Wie Maya zu einer selbstbewussten, belesenen und kämpferischen jungen Frau wird, davon erzählt dieses Buch in großartiger Manier. Spannend, direkt und klug schildert Maya Angelou, die mit James Baldwin gut befreundet war, ihre Kindheits- und Jugendgeschichte. Lesenswert!

„Amazing Grace“: Ein besonderes Zeitdokument
Die dritte Persönlichkeit ist Aretha Franklin (1942 – 2018). Die große „Queen of Soul“ begann ihre Weg zur Sängerin im Chor der „New Bethel Baptist Church“ ihres Vaters, Clarence LaVaughn Franklin, der sowohl Baptistenprediger, als auch Bürgerrechtsaktivist war. 1972 – schon einige Jahre nach ihrem Durchbruch mit Soul und Pop – gibt sie ein reines Gospelkonzert in der New Temple Missionary Baptist Church in Los Angeles. Der Mitschnitt bekommt als LP unter dem Titel „Amazing Grace“ mit einem Grammy geehrt. Der ebenfalls dort produzierte gleichnamige Konzertfilm wird aufgrund technischer Problem (Ton- und Bildspur stimmten nicht überein) nie gezeigt. Auch als mittels moderner digitaler Technik dies von ein paar Jahren repariert werden kann, verhindert Aretha Franklin dessen Veröffentlichung. Erst jetzt – gut eineinhalb Jahre nach ihrem Tod – sieht der Film das Licht der Welt.

Und es ist ein großartiges Zeitdokument. Wobei uns die Musik nicht völlig überzeugt. Zu oft dekonstruiert Aretha quasi die Songs, indem sie Töne langsam zerdehnt, so dass sie jeden Zusammenhalt verlieren, „Amazing Grace“ wird so zur endlosen Folge einzelner Töne und der Song verliert an Form und Eindruck. Wohlgemerkt uns geht es heute so. Im Gospelkonzert im Gotteshaus im Film reagieren aber sowohl der Chor wie auch die Zuhörer mit spontanen ekstatischen spirituellen Ausbrüchen auf einzelne Töne. Wobei wir fast schon wieder beim Gottesdienst von Maya Angelou wären. Wie auch immer, wir können es nicht nachvollziehen, warum diese Art des Vortrags so zündet. Andere Songs dagegen – Climbing Higher Mountains – entsprechen eher unseren Hörgewohnheiten. Für uns das Highlight: Die Kombination und Verschmelzung des Spiritual „Precious Lord, Take My Hand“ mit Carol Kings Popsong You’Ve Got A Friend“. Wie beides ineinander verwoben wird, so das Pop zu Gospel und Gospel zu Pop wird ist genial.

Mit zur Seite stehen Aretha an diesen zwei Abenden musikalisch zwei Männer. Chorleiter Alexander Hamilton und Reverend Dr. James Cleveland. Letzterer, Arethas väterlicher Freund und Klavierlehrer und wichtige Gründerfigur der modernen Gospelmusik führt mit viel Humor und Schweiß durchs Programm. Dennoch: Aretha spricht in diesem Film ausgesprochen wenig und schaut meist ernst. Ob sie dieses „Back tot he Roots“ dann doch überwältigt. Auf alle Fälle am zweiten Abend könnte das so gewesen sein. Denn da sind nicht nur einige Weiße mehr Anwesend – darunter auch Edelfans wie Mick Jagger und Charlie Watts – sondern auch ihr Vater unter dessen Augen in unmittelbarer sie nun musiziert.

Manchmal wirken die Aufnahmen unfertig und improvisiert und man merkt, wie sehr sich der Film und die Sehgewohnheiten in den fast 50 Jahren verändert haben. Da ist noch echter Schweiß zu sehen, da wirkt manches ungelenk und bedächtig, da ist nichts schnell und auf den Effekt zielend geschnitten. Heutzutage würde solch ein Film ganz anders aussehen. Martin Scorsese hatte 1977 das Genre des Konzertfilms durchaus revolutioniert. Wie er Bob Dylan und Robbie Robertson in „The Last Waltz“ inszeniert hat, wie er längere Erzählpassagen der Bandmitglieder mit den Konzertbildern verwebt ist große klasse. Aber gut, dass die Produzenten rund um Regisseur Spike Lee bei „Amazing Grace“ widerstanden haben, dies hier anzuwenden und einen neuen Film zu schaffen.

Von der Black Power zum Überlebenskampf
So sehen wir ein Zeitdokument der frühen 1970er Jahre, in denen der Stolz der schwarzen Community zu spüren ist. Zwar sind Malcolm X und Martin Luther King ermordet worden, aber es ist die Hochzeit der Black Power des Soul, der Black Panther, der Blaxploitation-Filme mit ihrem König „Shaft“. Noch gibt es bei allen Rückschlägen Erfolge auf dem Weg zur schwarzen Emanzipation in den USA. Die Abwärtsbewegung beginnt mit einige Jahre später Präsident Ronald Reagan und dessen Einsatz rassistischer Denkfiguren und Vorurteile in seiner politischen Kommunikation sowie seinen Kürzungen bei Sozialleistungen, die vor allem die schwarze Community treffen. Die musikalische Antwort darauf waren Hip Hop und Rap und völlig neue popkulturelle Codes. Jetzt ging es nicht mehr um Emanzipation, jetzt ging es oftmals nur noch ums Überleben im Ghetto zwischen Drogen und Gewalt. Doch das ist eine andere Geschichte.

So sind die drei Geschichten, die hier in den zwei Büchern und dem Film erzählt werden, auch gute Beispiele für die Bedeutung der Religion für die Afroamerikaner bis in die 1970er Jahre. Für Glauben und Gehorsam. Für Bigotterie und persönlichen Aufstieg. Für scheinbar dominante Männer- und wirklich starke Frauenfiguren. Und für die Hoffnung, dass Gott seine schwarzen Brüder wirklich befreien möge aus all ihren Ketten. Dass der Kampf des Volkes vom Herrn unterstützt wird.

Diesen Optimismus hat „Black Lives Matter“ nicht mehr. Hier geht es scheinbar alleine um den Abwehrkampf gegen die Ausformungen einer Staatsmacht, die auch mehr als 150 Jahre nach Ende des Bürgerkriegs und der Sklaverei strukturell dem Rassismus Vorschub leistet.

Wie weiter mit der afroamerikanischen Emanzipation im Amerika der alten, weißen Männer?

Marc Cohn And Blind Boys Of Alabama: Work To Do

4. Oktober 2019

Der Singer-Songwriter und das Gospel-Quartett brillieren live und im Studio

Die Blind Boys Of Alabama gehören zu den legendären Gesangsgruppen in der Tradition des vierstimmigen Gospel-Satzgesanges. Bei uns hier am populärsten ist sicher das Golden Gate Quartett. Eine weitere legendäre Gruppe waren die Five Blind Boys Of Mississippi. Doch während letztere in den 1990ern ihre Karriere beendeten, nachdem das letzte Gründungsmitglied verstorben war – mehr als 60 Jahre waren sie aktiv – gibt es die Blind Boys Of Alabama dank einiger Neubesetzungen immer noch. Und das ist gut so, denn ihr Gospelgesang ist immer noch bewegend, präzise und ausdrucksstark.

Marc Cohn ist hier zulande vor allem wegen „Walking In Memphis“ bekannt. Sein wunderschöner Song voller Südstaaten-Musik-Feeling – Elvis Presley, W.C. Handy, Beale Street, Catfish, Reverend Al Green – wurde ein Riesenhit. Doch Cohn als „One Hit Wonder“ zu bezeichnen, wäre ungerecht. Denn Cohn ist ein interessanter Singer-Songwriter, der sich stark in der Blues, Soul- und Americana-Musik verortet und noch dazu fast unermüdlich in den Jahren live unterwegs ist. Nur seine Discographie ist bislang recht übersichtlich geblieben.

Beide Acts haben nun zusammen ein Album herausgebracht. „Work To Do“ ist ein erfreuliches Highlight geworden. Cohn hat den Blind Boys Songs und Arrangements auf den Leib geschrieben und zeigt selber wieviel Soul und Gospel er in der Stimme hat. Drei Songs sind im Studio aufgenommen worden, der Rest live im Katharine Hepburn Cultural Arts Center in Old Saybrook, CT, im Rahmen der PBS-Konzertreihe »The Kate«.

Cohn und die Jungs harmonieren auf das Beste, so dass das Album 10 hörenswerte Songpretiosen enthält. Darunter faszinierende Versionen von „Ghost Train“ und „Walking Ihn Memphis“. Und auch sehr schön: Cohns Soloauftritt mit „Listening To Levon“, seinem Song über Levon Helm von „The Band“. Und natürlich darf auf solch einem Album auch nicht eines der schönsten Spirituals überhaupt fehlen: „Amazing Grace“, das durch den Gesangsvortrag von Barack Obama bei der Gedenkfeier für die Toten von Charleston noch bedeutender für die schwarze Community geworden ist. Hier in einer ungewöhnlichen und spannenden Version, die von der Melodie sogar etwas an „House Of The Rising Sun“ erinnert.

Perfekt produziert hat das wunderbare Album John Leventhal, der Ehemann von Rosanne Cash. Und für Dylan-Fans ist noch ein Detail interessant. Am Bass der Live-Band war niemand geringeres als Tony Garnier, seit 30 Jahren Bandleader von Dylans-Tourband.

Starke Stimmen, starke Frauen, starkes Festival

29. September 2019

39. Lahnsteiner Bluesfestival bot Programm der Extra-Klasse/ Blues-Louis an Brian Auger

Ali Neander’s Blues Bang & Friends

Am Ende waren es neben einem Rock-Veteranen vor allem die starken Frauenstimmen, die die 39. Auflage des Lahnsteiner Bluesfestivals prägten: Ann Vriend, Jessica Born (als Teil von Ali Neander’s Blues Band & Friends) und Shakura S’Aida begeisterten das Publikum mit perfektem Soul- und Bluesgesang, Brian Auger wurde für sein Lebenswerk mit dem Blues-Louis ausgezeichnet.

Den Auftakt des wie immer von Arnim Töpel souverän und humorvoll moderierten Abends in der Lahnsteiner Stadthalle machte die Kanadierin Ann Vriend. Zweifellos mit großem Talent ausgestattet, schöpfte sie an diesem Abend dieses jedoch nicht voll aus. Sie lieferte eine gute Show ab, die noch hätte besser sein können. Sie zeigte schöne Ansätze eines anspruchsvollen Pop-Souls und glänzt durch ideenreiches Songwriting , doch mit den Vergleichen mit Aretha Franklin, die ihr im Vorfeld zugeschrieben wurden, tut man ihr keinen Gefallen. Unterm Strich bleibt ein Auftritt, der auf eine sehr positive Resonanz im Publikum traf und Interesse macht, zu schauen, wie sich ihr Talent weiter entwickeln wird.

Ali Neander’s feine Band und Jessica Borns beeindruckende Gesangsleistung
Dann der erste Knaller des Abends: Ali Neander’s Blues Bang & Friends. Mit Jessica Born am Gesang, Felix Zöllner mit Vocals und Harp, Raoul Walton am Bass, Marcel Millot an den Drums, Markus Lauer an der Orgel, Biber Herrmann mit Gitarre und Gesang sowie dem Bläser-Set mit Tommy Schneller (Saxophone, Vocals), Gary Winters (Trompete) und Dieter Kuhlmann (Trombone). Hier wurde in mehrfacher Hinsicht mit dem ganz großen Besteck operiert. Nach einem tollen Solo-Beginn mit „I Got My Mojo Working“ von Biber Herrmann, bei dem er seine faszinierenden Gitarrenkünste eindrucksvoll unter Beweis stellte, und einem feinen Zweierauftritt mit Ali Neander, kam der Rest der Band auf die Bühne und es ging die Post in Sacken Blues-Rock und Soul ab. Insbesondere Sängerin Jessica Born begeisterte, in dem sie alle ihre stimmlichen Register zog und die sind enorm: da ist Soul und Blues in der Stimme, da ist Power, Gefühl und viel Seele.

Doch auch das konnte nur funktionieren mit einer perfekten Bandleistung: Die präzise Rhythmus-Sektion war präzise, Neanders Gitarrenspiel ebenso druckvoll wie einfallsreich und der Bläsersatz ergänzte mit starkem Timing. Zweite gesangliche Entdeckung des Auftritts von Neanders Blues Bang war Tommy Schneller, der mit seinem einzigen Solo-Vortrag stimmlich zwischen Stevie Wonder und Dr. John reüssierte. Denn für den Gesang war ja eben Jessica Born und daneben auch Felix Zöllner zuständig, der ansonsten an der Harp brillierte. Und so spielte sich das Ensemble durch viele Blues- und Soul-Klassiker u.a. von Sam & Dave sowie Howlin‘ Wolf.

Brian Auger mit Lilliana de los Reyes

Pete Yorks humorvolle Laudatio zur Preisverleihung an Brian Auger
Zum 21. Mal wurde dann der Blues-Louis vergeben. In diesem Jahr erhielt ihn Orgel-Rock-Veteran Brian Auger für sein Lebenswerk zur Entwicklung der Orgel in der Rockmusik. Laudator war der Blues-Louis-Preisträger von 2014, Pete York, und gemeinsam sorgten sie – da waren sich die Beobachter einig- für die bislang beste und unterhaltsamste Blues-Louis-Verleihung überhaupt. Wie die beiden Rock-Veteranen sich voller britischem Humor die Bälle zuspielten – da blieb kein Auge trocken und keine Pointe ungesetzt. Ein ganz großer Spaß.

Auch der folgende Auftritt von Brian Auger und Oblivion Express war perfekte Unterhaltung. Auger ist auch mit 80 Jahren voller Energie und Spielfreude, dabei blitzt ihm der stets der Schalk im Nacken. Dylan-Fans ist Brian Auger natürlich auch wegen seiner von Julie Driscoll gesungenen Version von „This Wheel’s On Fire“ bekannt, die 1968 zum einem großen Hit wurde. Die Rolle der Sängerin übernahm an diesem Abend Lilliana de los Reyes, die Ex-Santana-Sänger Alex Ligertwood vertrat. Wobei sie mehr als eine Vertretung war. Ihr perfekter, gefühlvoller Gesang und ihre optische Präsenz setzte Zeichen, und dabei hat sie Talent und Kontur genug, der Gefahr zu trotzen, möglicherweise nur als hübsches Beiwerk den genialischen Maestro an der Orgel wahrgenommen zu werden. Denn sie stammt schließlich aus einer großen kubanischen Musikerdynastie. Ihr Vater Wally ist ein legendärer Drummer und ihr Großvater Walfredo arbeite u.a. mit Linda Ronstadt und Steven Winwoord zusammen.

Shakura S’Aida

Shakura S’Aida setzt einen selbstbewussten und begeisternden Schlusspunkt
Der Abend schloss dann mit einer weiteren starken Frauenstimme. Shakura S’Aida brachte zu fortgeschrittener Stunde den Saal zum Kochen und Singen. Mit ihrem musikalisch abwechslungsreichen Mix aus Soul, Blues und Rock bildete sie alle menschlichen Emotionen ab. Sie war Entertainerin, Diva und Wildkatze. Vor allem aber eine selbstbewusste schwarze Frau, die stets die Kontrolle darüber behält, was sie macht. Und was sie macht, macht sie, weil sie es will und sie macht es gut. Mit „Gechee Woman“, „Don’t Tell Mama Where Her Children Hide“ oder „Devil Only Know My First Name“ heizte sie mit mit einer mitreißendne Performance voller souveränen Körperlichkeit dem Publikum ein, brachte die Halle zu toben und setzte dem großartigen Programm des diesjährigen Lahnsteiner-Bluesfestival einen großen und würdigen Abschluss.

Bei der Güte dieser Auftritte fragt man sich, wie das Ganze im kommenden Jubiläumsjahr noch getoppt werden soll. Doch wenn es das jemand schaffen kann, dann die klugen und kenntnisreichen Organisatoren dieses Festivals!

Menna Mulugeta begeistert bei „Americana im Pädagog“

2. März 2019

Ausverkauftes Haus bei „Von Billie bis Beyoncè. Black Women in American Music“

Starke Stimme: Menna Mulugeta

Sie hat es geschafft. Als erster Einzel-Act der Reihe „Americana im Pädagog“ war Menna Mulugetas Konzert im Darmstädter Pädagogtheater ausverkauft. Dies war vorher nur mit den großen Line-ups bei den Tribute-Konzerten gelungen. Ihr Programm „Von Billie bis Beyoncè. Black Women in American Music“ brachte die Leute auf die Beine. Und von Anfang an berührte sie, bewegte sie, begeisterte sie das Darmstädter Publikum. Durch ihre großartige, kraftvolle und zugleich facettenreiche Stimme, durch ihre enorme Bühnenpräsenz, durch ihre Ausstrahlung und nicht zuletzt durch ihre kenntnisreichen Erzählungen über Sängerinnen, Songs und Zeitumstände. Das war einer der ganz großen Glanzpunkte in der nun fünfjährigen Geschichte von „Americana im Pädagog“.

Es tut immer wieder gut, wenn Ideen funktionieren. So wie der große Dylan-Geburtstag 2016, die „Lovesongs for the other America“, das Woody Guthrie-Tribute und jetzt eben die Idee, Menna mit ihrem Programm zu den großen weibliche afroamerikanischen Stimmen ins Pädagog zu holen. Von Anfang an, als wir die ersten Überlegungen zu diesem Abend anstellten, wusste ich, das wird ein besonderer Abend. Sie begeisterte die Teilnehmenden der Ingelheimer Musik & Politik-Seminare und in mir wuchs der Wunsch, dieses Programm mit ihr in der Reihe „Americana im Pädagog“ auf die Bühne zu bringen. Und Menna und ihr musikalischer Partner Gernot Blume haben ein fantastisches Programm entwickelt. Bessie Smith, Billie Holiday, Sister Rosetta Tharpe, Etta James, Nina Simone, Aretha Franklin, Tina Turner, Whitney Houston, Rhiannon Giddens, Beyoncé Knowles – was für ein Reichtum an starken Stimmen. Und wie beeindruckend die erst 27-jährige Menna sie interpretiert und dabei zeigt, welch starke Stimme sie hat. Menna hat sich dazu tief in die Biographien der Sängerinnen und in die gesellschaftlichen Hintergründe eingearbeitet. Auch davon lebt dieses Programm, das hoffentlich nach dieser gelungenen Premiere noch öfters zu hören sein wird.

Bei „Americana im Pädagog“ geht es weiter am Donnerstag, 28. März mit der südhessischen Bluegrass-Formation „Grass Unlimited“, bevor dann das erste Halbjahr mit den beiden großen Pete Seeger Tribute-Konzerten beendet wird. Infos und Karten gibt es hier:
https://paedagogtheater.de/kalender/

Ry Cooder live in Oostende

28. Oktober 2018

Der Meister der Slide-Gitarre liefert ein starkes Konzert ab/ Viele Blues und Gospeltöne

Er ist eigentlich ein Musician’s Musician und als Solokünstler nicht in der ersten Reihe. Mit ihm werden Projekte wie „Buena Vista Social Club“ verbunden oder die Filmmusik zum Wim Wenders-Film „Paris, Texas“. Als Slide-Gitarrist ist er auch ein gefragter Sideman für die Stars der allersten Reihe. Und dennoch hat er auch als Solo-Künstler ein so beachtenswertes Oeuvre geschaffen, dass seine Tourneen auf große Resonanz stoßen.

So auch am Freitag, 12. Oktober, im Nordseebad Oostend in Belgien. Der Kursaal war ausverkauft und wir waren gegen 19.58 Uhr auf den Plätzen, nachdem Zugausfälle, Streckensperrungen und Umleitungen unsere Anreise erschwert hatten. Das was wir dann zu hören und sehen bekamen, war mehr als eine Entschädigung. Es war ein ganz starkes Konzerterlebnis. Was man jedoch vom Vorprogramm mit Ry Cooders Sohn Joachim nicht sagen konnte. Sphärische Weltmusikklänge, die einen nie wirklich gepackt haben. Haken wir das mal als väterliche Unterstützung ab.

Ry Cooder jedoch ist in großer Form an Slide- und E-Gitarre und hat eine Klasse Band und das fantastische Gospel-Soul-Sangestrio The Hamiltones dabei. Cooder spielt knüpft an sein letztes Album „The Prodigal Son“ an und spielt hauptsächlich alte Traditionals und mit „The Very Thing That Makes You Rich (Makes Me Poor)“ nur einen eigenen Song. Die Musik ist blues- und gospelgetränkt. Er steigt ein mit zwei Coverversionen von Songs des texanischen Blues- und Spiritualmusikers Blind Willie Johnson ein: „Nobody’s Fault But Mine“ und „Everybody Ought to Treat a Stranger Right“. Damit ist Abend programmatisch umrissen. Später folgt noch mit „Jesus In The Mainline“ von Mississippi Fred McDowell ein Klassiker eines Delta-Blues-Veterans. Cooder geht ganz auf in dieser alten Musik aus den 1940er Jahren. Und spielt auch Stücke von weißen Musikern. Das Stock der Stanley Brothers – Harbor Of Love“ wird von ihm zu einem schwarzen Gospel umarrangiert. Und er spielt einen Titel von Woody Guthrie, „Vigilante Man“ und natürlich „The Prodigal Son“, den Titeltrack seiner gleichnamigen neuen Albums. Ihm geht es um die Musik der armen und beladenen Amerikaner, der Schwarzen wie der Weißen. Und die Aussage dahinter, um die es ihm geht, ist die Erinnerung an das andere Amerika. Denn ohne dass Cooder explizit politische Reden führt, ist das Konzert eine einzige Liebeserklärung an das andere Amerika.

Cooder ist gut aufgelegt, sein Gitarrenspiel launig und inspiriert, dabei wie immer technisch perfekt. Wenn man sich die Setlist und seine neue Platte anhört, könnte man meinen, der Mann müsse Trübsal blasen. Doch im Konzert zeigt sich ein ganz entspannter, selbstironischer und humorvoller Ry Cooder. Er ist sogar zu Scherzen aufgelegt. So bewirbt er den Merchandising-Verkauf im Foyer und hebt hervor, dass Dylan ein großer Anhänger und Experte des „Merch“-Verkaufs sei. Die Baby Doll T-Shirts seien immer als erstes ausverkauft, habe ihm die Singer-Songwriter-Legende mit auf den Weg gegeben, erzählt Cooder schmunzelnd.

Das Konzert nimmt zum Schluss immer mehr Fahrt auf, wofür auch die „Hamiltones“ sorgen, die mit viel Gospel-Soul-Power die Betriebstemperatur im Kursaal mächtig steigen lassen. Nach Cooders klasse Version von Elvis‘ „Little Sister“ gehören die Lead-Vocals im letzten Song dann den „Hamiltones“. „I Can’t Win“ ist ein triumphaler Abschluss eines ganz starken Konzertes. Ein Abend, der im Gedächtnis bleiben wird.

Bob Dylan und „Black Music“

11. Mai 2018

Dass Bob Dylan seine Wurzeln auch im Blues hat, ist hinlänglich bekannt. Seine Beziehung zu Gospel, Soul und Rap lohnt aber einer genaueren Betrachtung

Die Generation aus der Bob Dylan stammt hat den Blues der Schwarzen aufgesogen, war doch die Musik der unterdrückten Afroamerikaner für diese rebellische Jugend ein perfektes Ausdrucksmittel gegen die Kultur ihrer Eltern, die musikalisch in den Zentren Classic Urban Pop und im ländlichen Raum Country Music hörte. Das war bei Dylan auch nicht anders, jedoch hat der schon früh in seinem Werk auch die Verbindungslinien vom Blues zum Country offengelegt. So ist „Only A Hobo“ beispielsweise von Jimmie Rodgers beeinflusst, der Blues und Hillbilly-Elemente zusammenführte und somit zum „Vater“ der klassischen Countrymusik wurde.

An der Seite der Bürgerrechtsbewegung
Dylan hat seine ganze Karriere über Blues gespielt und ist somit – ohne dieses Label direkt zu tragen – im Grunde einer der wichtigsten und einflussreichsten weißen Bluesmusiker überhaupt. Zudem ist er schon in jungen Jahren ein Bewunderers der Gospel Music der Staple Singers gewesen, mit Mavis Staples war er eine Zeit lang liiert, seinen Heiratsantrag in jungen Jahren lehnte sie ab. Dylan gehörte der jungen weißen Generation an, die ganz selbstverständlich mit den Schwarzen als ihnen gleichberechtigte Menschen umging und sich für deren Rechte einsetzte. Er spielt in seiner Frühzeit in New York im Vorprogramm von John Lee Hooker. Er reiste im Juli 1963 mit Pete Seeger und Theodore Bikel in den Süden, um die Bürgerrechtsbewegung zu unterstützen und er spielte mit Joan Baez bei „March to Washington“ im August 1963, bei dem Martin Luther King seine berühmte Rede „I have a dream“ hielt.

Die schwarze Community wurde natürlich auf den jungen weißen Freiheitssänger aufmerksam. Insbesondere natürlich die schwarzen Musiker. Sie ließen sich von ihm inspirieren wie Sam Cooke, dessen „A Change Is Gonna Come“ eine direkte Antwort auf „Blowin In The Wind“ darstellt. Oder sie sangen seine Lieder. So wie die schon erwähnten Staple Singers. Oder Odetta oder Nina Simone oder Jimi Hendrix. Sie alle spielten bereits in den 1960ern Dylans Songs. Und 1969 nahm ein von Lou Adler zusammengestellter Gospel-Chor Dylan-Songs unter dem Titel „Dylan’s Gospel“ auf. Mit dabei Clydie King, die in den frühen 1980ern dann Dylans Backgroundsängerin und Freundin werden sollte. Doch dazu später mehr. Die Linie der schwarzen Musiker, die Dylan geschätzt und gecovert haben führt über die O’Jays, Solomon Burke und Bobby Womack bis hin zu Bettye LaVette, die soeben unter dem Titel „Things Have Changed“ ein Soul-Album mit Dylan-Songs veröffentlicht hat. Eine schöne Sammlung zu diesem Thema ist unter dem Titel „How Many Roads. Black America Sings Bob Dylan“ erschienen.

Und Dylan blieb der schwarzen Community und deren Problemen wie Kriminalisierung und Rassimus auch in den 1970ern treu. Nicht von ungefähr stellen seine beiden einzigen wirklichen Protestsongs dieser Dekade schwarze Protagonisten in den Mittelpunkt. 1971 den erschossenen Black Panther-Führer George Jackson und 1975 den zu Unrecht wegen Mordes verurteilten schwarzen Boxer Rubin „Hurricane Carter“. Zum großen Benefizkonzert kam dann auch Muhammad Ali in den Madison Square Garden. Übrigens war Black Panther-Mitbegründer Huewy Newton ein großer Dylan-Fan. Wobei er sich weniger von den Bürgerrechtssongs, also von Dylans Rockmusik begeistert zeigte. Letztlich hat sich Dylan aber wohl – es soll bei einem Treffen zu einem Disput zwischen den Panther-Funktionären und dem Sänger gekommen sein – wegen der Gegnerschaft der Panther zu Israel sich dann nie wirklich für sie verwendet.

Dylan entdeckt den Gospel für sich
Eine tiefere, systematische Beschäftigung mit der schwarzen Musik jenseits vom Blues jedoch begann für Dylan dann mit seiner Welt-Tournee 1978 und den darauf folgenden „Born Again“-Jahren. „Street Legal“ war schon gekennzeichnet durch Soul- Rhythm & Blues sowie Gospel-Elementen, und es wurde erstmals bei Dylan ein Background-Chor schwarzer Sängerinnen eingeführt. Verstärkt wurde das dann durch seinen Übertritt zum Christentum. Denn Bob spielte fortan schwarzen Gospel, keinen weißen Country-Gospel. Und es war die schwarze Schauspielerin Mary Alice Artes, die ihn bei seiner Konvertierung zum Christentum unterstützte.

Dylan verband übrigens mit einigen seiner schwarzen Backgroundsängerinnen mehr als nur die Musik. so war er eine Zeit lang mit besagter Clydie King liiert – es gibt ein wunderschönes Video der beiden, wie sie Abraham, Martin & John singen und die tiefe Zuneigung überhaupt nicht zu übersehen ist. Und mit Carolyn Dennis war er dann Mitte der 1980er verheiratet und hat mit ihr auch ein Kind.
Bis in die frühen 1990er Jahre spürt man in seiner Musik den Einfluss von Rhythm & Blues, Soul und Gospel. Insbesondere sein 1985er Album „Empire Burlesque“ atmet – unabhängig von den bekannten Qualitätsproblemen bei Songs und Produktion – viel Soul und Funk. 1986 nimmt er zur Verblüffung vieler bis heute einen Song zusammen mit dem Rapper Kurtis Blow auf. Was von vielen als künstlerische Desorientierung Dylans in den 1980ern angesehen wird, ist meiner Meinung nach ein Zeugnis für die Hochachtung Dylans vor der schwarzen Musik in all ihren Ausprägungen. 1986 und 1987 tritt er zusammen mit den Queens Of Rhythm als Background-Sängerinnen auf, Gospel-Einflüsse halten sich weiterhin in seiner Musik.

Blues und Jazz
Mit seinen Alben „Good As I Been To You“ und „World Gone Wrong“ erinnert er sich dann wieder an seine Blueswurzeln. Aber diesmal auch an die schwarze Musik, die es fernab dem typischen Delta-Blues gab. Er spielt „Frankie & Albert“, einem Stoff, der u.a. auch von den Songsters – nicht Bluesern! – Leadbelly und Mississippi John Hurt bekannt ist. Und „World Gone Wrong“ ist auch eine Reminiszenz an die Mississippi Sheiks, einer Gruppe von Unterhaltungsmusikern aus dem Süden, deren Repertoire weit über den klassischen Blues hinausging.

Bis heute sind all diese Einflüsse – Blues, Soul, Funk, Rythm & Blues – in seiner Musik vorhanden. Sogar Ausflüge in den Jazz gibt es zu notieren. Wie zum Beweis ist gerade „United We Swing: Best of The Jazz at Lincoln Center Galas“ erschienen, auf dem Dylan mit dem Winston Marsalis Septet „It Take A Lot To Laugh, It Takes A Train To Cry singt und dabei Mundharmonika spielt. Die ebenfalls auf einer dieser Galas Anfang der 2000er Jahre verjazzte Version von Don’t Think Twice“ hat es leider nicht auf die Platte geschafft.

Und wenn man sich heute seine Konzerte anhört, dann hat „Blowin‘ In The Wind“ mittlerweile einen starken Gospel-Soul-Touch. Bob Dylan ist bis heute ein kultureller Brückenbauer zwischen Schwarz und Weiß geblieben. Auch das ist eine Qualität für sich im heutigen Amerika.

The O’Jays sing Bob Dylan:

Bob Dylan sings Solomon Burke:

Betty LaVette: Things Have Changed

20. April 2018

Bettye LaVette hat mit „Things Have Changed“ ein fantastisches Album aufgenommen, das viel mehr ist, als nur ein Dylan-Cover-Album.

Bob Dylan hat ein Oeuvre erschaffen, das einen schier unermesslichen amerikanischen Musikschatz darstellt. Jede Spielart der amerikanischen Populärmusik hat er sich im Laufe seiner Karriere angeeignet, sich in ihr ausgedrückt. Vom Folk und Blues zu Rock zu Country bis hin zu Gospel, Jazz, und Great American Songbook. Ja und es gibt auch Rap und Soul in seinem Werk zu finden. Man findet die Dylan-Soulmomente beispielsweise auf „Slow Train Coming“. Klar, denn er spielte ja schwarze Gospelmusik, da ist der Soul ja nahe. Aber auch auf „Infidels“ oder „Empire Burlesque“ gibt es sie. Oder man erinnere sich an seine großartige Version von Sam Cookes „A Change Is Gonna Come“ 2004 zum 70. Geburtstag des New Yorker Apollo Theater.

Daran hat sich Bettye LaVette nur teilweise orientiert. So sind auf ihrem neuen Album „Things Have Changed“ natürlich Coverversionen von „Do Right To Me Baby“ (Slow Train Coming), Don’t Fall Apart on Me Tonight (Infidels) sowie „Seeing The Real You At Last“ und „Emotionally Yours“ von „Empire Burlesque“ enthalten. Doch abseits des Naheliegenden hat sie auch ganz andere Songs in ihr Soul-Universum überführt. Sie hat sozusagen die Dylan-Momente aufgespürt, die in anderen Genres liegen und nur auf die „Ver-Soulung“ warten. Aber sie hat Dylans Songs nicht nur „ver-soult“, sie hat sie sich gänzlich angeeignet.

Denn wer hätte „Things Have Changed“ auf einer Soul-Platte erwartet. Aber warum denn nicht? Ist der Song doch eine Antwort des älteren Dylan auf „The Times They Are Changin“. Und war nicht Cookes Song eine Antwort auf Dylans „Blowin In The Wind“? Und Bettye singt auch das Lied der sich ändernden Zeiten auf dieser Platte. Aber auch „Political World“ oder „It Ain’t Me Babe“ hat sie überführt.

Mrs. LaVette sagt dazu, Sie habe nicht die Absicht gehabt ein Dylan-Tribut zu schaffen. Sie wollte sich die Songs für ihren Mund zurechtlegen. „Gerade als wären sie für mich geschrieben worden“. Und so wandelt sie das ohnehin doch ziemlich wandlungsfähige Dylan-Material – der Meister beweist das ja derzeit wieder Abend für Abend – geradezu genial zu Soul-Perlen. Auch indem sie die Texte für ihren Gebrauch – Geschlecht und Biografie sind hier entscheidend – hier und da umschreibt. Bettye LaVette hatte als junge Künstlerin alle Anlagen für eine große Karriere. Mit 16 Jahren hatte sie 1962 bereits einen US-Hit, danach versandete allerdings ihre Plattenkarriere, obwohl sie durchaus große Bühnenerfolge vorzuweisen hatte. Ihr erstes Album „Child of the Seventies“ wurde 1972 nicht veröffentlicht und sie kam erst im Jahr 2000 wieder ins Rampenlicht als das Debütalbum nachträglich herausgebracht wurde. Seitdem hat sie einige erfolgreiche und mehrfach ausgezeichnete Alben aufgenommen. Sie kennt also das Leben, sein „Auf und Ab“ und seine wundersamen Überraschungen.

„Things Have Changed“ ist eine Platte geworden, an der man einfach hängen bleibt. Sie ist spannungsgeladen, weil Bettye LaVette sich nicht schont und ziemlich tief in ihr Seelenleben blicken lässt, das von Lebensweisheit geprägt ist. Der Longplayer ist musikalisch spannend weil Keith Richards und Larry Campbell die Songs durch ihr perfektes Zusammenspiel in neue, unerwartete Richtungen führen und schon durch kleine musikalische Momente einen faszinierenden Sog schaffen.

Uns so ist es mich ist eines der besten Dylan-Coveralben überhaupt. Mehr noch, eines der besten Soul-Alben der letzten Jahre. It’s her masterpiece!


Ruthie Foster und das 37. Lahnsteiner Bluesfestival

1. Oktober 2017

Nein, ich bin eigentlich kein Blueser. Von Hause aus bin ich wegen Bob Dylan Folk-Rocker, dann kam über die Jahre die Liebe zum Alternative Country, zur Old Time Hillbilly-Musik und zum Bluegrass dazu. Doch für all diese Musik hat der Blues eine immense Bedeutung. Als ich dann nach regelmäßigem Austausch über Bob Dylan und die Americana-Musik mit Tom Schroeder, einem „Elder Statesman“ der deutschen Folk- und Bluesmusikszene, von ihm zum 37. Lahnsteiner Bluesfestival eingeladen wurde, fuhren wir sehr gerne hin.

Dort bemerkte ich dann, dass Tom Schroeder im Programmheft meine Gedanken zum Thema „Americana und Protestsongs in den Zeiten von Trump“ aufgenommen hatte und mich sogar dort namentlich erwähnt hatte. Wow!

Albert Castiglia und Mike Zito

Guitar Champs
Erster Act des Abends waren dann die „Guitar Champs“, Mike Zito und Albert Castiglia, die beide Meister ihres Fachs sind, und auch mich begeisterten. Ich bin kein Bluesrock-Fan und kann stundenlangen Blues-Rock-Gewittern nicht viel abgewinnen. aber was die beiden eine knappe Stunde lang da veranstalteten, war allererste Sahne. Beide spielen lange virtuose Bluesgitarrensoli und doch könnte ihre Spielweise nicht unterschiedlicher sein. Wo Zito eher lickt und perlt, da zieht und zwingt Castiglia die Töne, und beide holen das letzte aus sich und ihren Instrumenten heraus. Und wo Zito eine gute Rockstimme hat, hat Castiglia eine Blues-Röhre. Und wenn die beiden dann noch miteinander spielen und jeder den anderen zu noch größeren Höchstleistungen anstachelt, dann gibt es kein Halten mehr. Allerhöchste Spielfertigkeit – ein Genuß!

Joja Wendt und Stefan Gwildis

Stefan Gwildis


Nun kommt der Teil des Abends, der eher dem leichteren Mainstream-Blues gewidmet ist. Joja Wendt, der laut Laudatorin Andrea Ballschuh ein wirklich sympathischer Mensch ist, bekommt den Blues-Louis 2017. Zusammen mit seinem Kumpel Stefan Gwildis bringt er dann ein paar Songs zum Klingen und insbesondere Gwildis‘ Hit „Spiel das Lied in Dir“ sorgt für Riesenstimmung im Publikum.

Ruthie Foster

Ruthie Foster
Ich gebe zu, ich hatte sie vor dem Abend nicht auf dem Schirm. Umso begeisterter war ich nach dem Auftritt der Texanerin, die in großartiger Weise Folk, Gospel, Soul und Blues mischt und damit bestes Americana erschafft. Bei ihrer Musik und ihren Texten ist der Süden präsent. Die kleinen Käffer aus denen man fliehen will, die Herzlichkeit der Leute, ebenso wie der Rassismus, Armut und privaten Katastrophen ebenso wie die Liebe und der Gottesglaube. Mit im Gepäck hat sie auch Songs musikalischer Vorbilder wie Sister Rosetta Tharpe oder Mavis Staples.

Mit der Unterstützung ihrer tollen Band – Scottie Miller an Tasteninstrumenten und Mandoline, Samantha Banks an Drums, Percussion und Spoons sowie Larry Fulcher, ganz zurückhaltender Bassist, der aber viel für den Zusammenhalt der Band tut – nimmt sie das Publikum mit auf eine Reise durch den Süden mit. Unglaublich, mit wieviel Energie und Stimme die nicht sehr große Frau in der Lage ist, ihren Songs Aus- und Nachdruck zu verleihen.
Die Frau hat noch dazu so ein natürliches, sympathisches Cahrisma, dass ihr die Herzen in der Lahnsteiner Stadthalle im Nu zufliegen. Ihr viel umjubelter Auftritt endet erst nach einer so im Zeitplan nicht vorgesehenen Zugabe. Und kaum ist sie von der Bühne, ist sie auch schon auf der anderen Seite der Halle am Verlaufsstand und signiert CDs und ist zu jedem Selfie bereit. Eine fantastische Künstlerin.

Danach ist dann die „Latvian Blues Band“ eher als Partyband zu werten. Doch im Anbetracht der Uhrzeit und dem Nachhauseweg entscheiden wir uns aufzubrechen und auf Party und After Show-Meeting zu verzichten. Doch warum nicht nächstes Mal? Denn nach diesem tollen Erlebnis werden wir ganz sicher nochmals nach Lahnstein kommen.