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Chicago Bluesfestival

19. Juni 2019

Größtes „Umsonst und Draußen“-Bluesfestival der Welt – breite Angebotspalette von traditionellem Blues über Soul bis hin zu Americana

Das wunderbare an den Ausgangsbedingungen dieser Reise war, dass in unser einziges Zeitfenster für diese Reise sowohl die World of Bob Dylan Conference (30. 5. – 2. Juni) als auch das Chicago Bluesfestival (7.- 9. Juni) fielen. Nach dem Bericht über Tulsa, Oklahoma nun also die Eindrücke vom Bluesfestival in der „Windy City“.

Betty LaVette

Am Freitag besorgten wir uns erst einmal einen Eindruck vom Gelände. Drei Open-Air-Bühnen, eine Zeltbühne und das große Amphitheater mit dem phänomenalen Pritzker-Pavillon werden an drei Tagen bespielt. Das Programm bot heuer neben traditionellem Blues, Electric Blues und Bluerock, auch Folk, Soul und Americana. Und genau das – wir sind keine Hardcore-Bluesfans – machte das Festival für uns attraktiv. Neben „The American Songster Dom Flemons (hierzu später mehr an anderer Stelle), interessierte uns besonders Dave Alvin (den konnten wir letztlich dann doch nicht sehen), die Bluesrock-Schwestern „Larkin Poe“, die große alte Dame des Soul, Betty LaVette sowie Ruthie Foster, die wir beim Bluesfest in Lahnstein 2017 kennen- und schätzen gelernt hatten.

Das Publikum des Festivals ist nicht so bunt wie gedacht. Schwarze sind im Publikum seltener als gedacht vertreten. Die jungen Afroamerikaner hören Rap und HipHop, R&B und Soul. Blues scheint da eher etwas für Spezialisten und die ältere Generation zu sein. Gut siebzig Prozent sind der Besucher sind weiß, darunter auch einige Freak und Hippie-„Veteranen“, die aussahen, als wäre sie schon in Woodstock dabei gewesen. Wir deckten uns an diesem Freitag mit den offiziellen Festival-Shirts ein und besuchten das „Visit Mississippi“-Zelt, in dem nochmals viele Bluesdevotionalien und auch hübsche blaue „Mississippi Blues Trail-Rucksäcke“ zu bekommen waren.

Betty LaVette
Am Samstag spielte Dom Flemons nachmittags hintereinander auf zwei Bühnen, ehe wir nach einem Abendessen im Außengelände des Park Grill Restaurants, uns im Pritzker Pavillon Betty LaVette anschauten. Ich gebe zu, dass sie mir erst durch ihre großartige Platte mit Dylan-Coverversionen bekannt wurde. Von diesem Album – „Things Have Changed“ – spielte sie eine ganze Reihe von Songs, neben dem Titeltrack u.a. auch „Do right to me baby (Do unto others)“ und „Going, Going, Gone“. Die Show der mittlerweile 73-jährigen war ganz klar als Retrospektive angelegt und zwischen den fetzigen Soul-Rhytmen erzählte die Diva von den wichtigsten Stationen ihrer Karriere. Es war ein beeindruckendes Konzert und ein ganz starker und souveräner Auftritt, begeistert gefeiert vom Publikum, dessen Herz ihr schon vor dem ersten Ton gehörte.

Larkin Poe
Am Sonntagnachmittag dann standen „Larkin Poe“ auf dem Programm. Die beiden Schwestern Rebecca und Megan Lovell gründeten die Band 2010 und benannten sie nach einem Vorfahren von ihnen, der ein Cousin von Edgar Allan Poe war. Spielten die beiden von 2010 zusammen mit ihrer älteren Schwester Jessica noch Folk und Bluegrass, entdeckten sie fortan den Blues für sich und wurden als Southern Bluesrock-Kapelle öfters auch als „kleine Schwestern der Allman Brothers“ tituliert. An diesem Nachmittag spielten sie über eine Stunde lang Power-Bluesrock und begeisterten das Publikum. Natürlich spielten auch sie eine ganze Reihe von Stücken ihres aktuellen Albums „Venom & Faith“ wie Sometimes, Beach Blonde Bottle Blues oder Blue Ridge Mountains. Dabei sind die Rollen der Schwestern klar verteilt. Für Kommunikation und Show ist „Sonnenschein“ Rebecca zuständig. Die musikalischen Akzente auf Lap Steel und Dobro setzt die ältere, introvertiertere Megan. Am Ende war ein überzeugendes Plädoyer, dass auch anno 2019 der Blues-Rock immer noch lebt und in den beiden Mädels Atlanta, Georgia, eine Zukunft hat.

Copyrigt: Chicago Blues Festival

Ruthie Foster
Am Abend dann zum Abschluss trat dann Ruthie Foster auf. Sie bekam vor ihrem Konzert auch noch flugs einen Preis überreicht, ehe sie mit ihrer Band auf die Bühne trat. 2017 beim Lahnstein Bluesfestival gehörte noch Samantha Banks zu ihren Musikern. Die Drummerin starb am 25. April 2018 an den Folgen eines Schlaganfalls. Samantha war ein ganz wichtiger Teil der Seeler der Band und irgendwie hat sie eine wirkliche Lücke hinterlassen. Brannen Temple ist auch ein guter Drummer, doch Samantha war mehr. So gerät die Band etwas in Schieflage, weil Tastenspieler Scottie Miller etwas zu exaltiert rüberkommt, aber eben nicht dieses Soul-Blues-Charisma besitzt. Er wirkt eher wie der ehrgeizige Musterschüler, der mit überlangen Soli nervt. Und Ruthie? Die gibt die nachsichtige, souveräne Lehrerin und weiß, dass ihre Bühnenpräsenz die Gruppe zusammenhält. Sie spielt eigene Stücke, Songs von Lucinda Williams und Mavis Staples und spielt einen ordentlichen, sehr unterhaltsamen Set, der allerdings nie die Dichte, die Power und die Magie von Lahnstein erreicht.

Unterm Strich ist das Chicago Bluesfestival eine absolut lobenswerte Einrichtung, die gut daran tut, auch anderen verwandten Stilrichtungen Platz zu geben. Wir haben es sehr genossen.

Chicago 1: Das Chicago Bluesfestival

26. April 2019

Start und Zielpunkt unserer diesjährigen USA-Rundreise wird Chicago sein. Wie es der Zufall so will, wird unsere Tage in der „Windy City“

Copyrigt: Chicago Blues Festival

das 36. Chicago Bluesfestival (Riesenprogramm, freier Eintritt!)stattfinden. Eine schöne Fügung. Und noch schöner, dass bei diesem Bluesfestival neben klassischen Blues-Acts auch Musikerinnen und Musiker spielen, die eher zum Americana- oder Folk-Genre zählen. Oder dem Soul folgen. Letzteres ist sicher für Betty LaVette zu sagen, die mit „Things Have Changed“ 2018 eines der interessantesten Dylan-Cover-Alben ever herausgebracht hat.

Dom Flemons, dessen Weg ich schon seit seiner Zeit bei den Carolina Chocolate Drops verfolge, der sich ganz bewusst „Songster“ und nicht „Bluesman“ nennt, weil für ihn afroamerikanische Musik mehr als Blues und Jazz ist und mit dem Album „Black Cowboys“ eine wegweisendes Werk vorgelegt hat, ist ebenso mit dabei wie Dave Alvin, einer meiner langjährigen Americana-Heroen oder Ruthie Foster, die uns 2017 beim Lahnstein Bluesfestival begeistert hat.

Und am Vorabend des Bluesfestivals spielt dann auch noch Trapper Schoepp in Chicago, der jüngst auf alte Dylan-Lyrics eine Melodie geschrieben hat und nun mit Mr. Bob Dylan gemeinsam die Autorenschaft für „On Wisconsin“ inne hat. Großartig!

Chicago war und ist eine Musikstadt. Hier hat sich der Jazz fortentwickelt, hier wurde durch die Migration der schwarzen aus dem Süden der Country-Blues zum elektrischen Blues und zum Rythm & Blues. Aber Chicago hat noch einiges mehr zu bieten. Davon erzähle ich dann in Kürze.

Ruthie Foster und das 37. Lahnsteiner Bluesfestival

1. Oktober 2017

Nein, ich bin eigentlich kein Blueser. Von Hause aus bin ich wegen Bob Dylan Folk-Rocker, dann kam über die Jahre die Liebe zum Alternative Country, zur Old Time Hillbilly-Musik und zum Bluegrass dazu. Doch für all diese Musik hat der Blues eine immense Bedeutung. Als ich dann nach regelmäßigem Austausch über Bob Dylan und die Americana-Musik mit Tom Schroeder, einem „Elder Statesman“ der deutschen Folk- und Bluesmusikszene, von ihm zum 37. Lahnsteiner Bluesfestival eingeladen wurde, fuhren wir sehr gerne hin.

Dort bemerkte ich dann, dass Tom Schroeder im Programmheft meine Gedanken zum Thema „Americana und Protestsongs in den Zeiten von Trump“ aufgenommen hatte und mich sogar dort namentlich erwähnt hatte. Wow!

Albert Castiglia und Mike Zito

Guitar Champs
Erster Act des Abends waren dann die „Guitar Champs“, Mike Zito und Albert Castiglia, die beide Meister ihres Fachs sind, und auch mich begeisterten. Ich bin kein Bluesrock-Fan und kann stundenlangen Blues-Rock-Gewittern nicht viel abgewinnen. aber was die beiden eine knappe Stunde lang da veranstalteten, war allererste Sahne. Beide spielen lange virtuose Bluesgitarrensoli und doch könnte ihre Spielweise nicht unterschiedlicher sein. Wo Zito eher lickt und perlt, da zieht und zwingt Castiglia die Töne, und beide holen das letzte aus sich und ihren Instrumenten heraus. Und wo Zito eine gute Rockstimme hat, hat Castiglia eine Blues-Röhre. Und wenn die beiden dann noch miteinander spielen und jeder den anderen zu noch größeren Höchstleistungen anstachelt, dann gibt es kein Halten mehr. Allerhöchste Spielfertigkeit – ein Genuß!

Joja Wendt und Stefan Gwildis

Stefan Gwildis


Nun kommt der Teil des Abends, der eher dem leichteren Mainstream-Blues gewidmet ist. Joja Wendt, der laut Laudatorin Andrea Ballschuh ein wirklich sympathischer Mensch ist, bekommt den Blues-Louis 2017. Zusammen mit seinem Kumpel Stefan Gwildis bringt er dann ein paar Songs zum Klingen und insbesondere Gwildis‘ Hit „Spiel das Lied in Dir“ sorgt für Riesenstimmung im Publikum.

Ruthie Foster

Ruthie Foster
Ich gebe zu, ich hatte sie vor dem Abend nicht auf dem Schirm. Umso begeisterter war ich nach dem Auftritt der Texanerin, die in großartiger Weise Folk, Gospel, Soul und Blues mischt und damit bestes Americana erschafft. Bei ihrer Musik und ihren Texten ist der Süden präsent. Die kleinen Käffer aus denen man fliehen will, die Herzlichkeit der Leute, ebenso wie der Rassismus, Armut und privaten Katastrophen ebenso wie die Liebe und der Gottesglaube. Mit im Gepäck hat sie auch Songs musikalischer Vorbilder wie Sister Rosetta Tharpe oder Mavis Staples.

Mit der Unterstützung ihrer tollen Band – Scottie Miller an Tasteninstrumenten und Mandoline, Samantha Banks an Drums, Percussion und Spoons sowie Larry Fulcher, ganz zurückhaltender Bassist, der aber viel für den Zusammenhalt der Band tut – nimmt sie das Publikum mit auf eine Reise durch den Süden mit. Unglaublich, mit wieviel Energie und Stimme die nicht sehr große Frau in der Lage ist, ihren Songs Aus- und Nachdruck zu verleihen.
Die Frau hat noch dazu so ein natürliches, sympathisches Cahrisma, dass ihr die Herzen in der Lahnsteiner Stadthalle im Nu zufliegen. Ihr viel umjubelter Auftritt endet erst nach einer so im Zeitplan nicht vorgesehenen Zugabe. Und kaum ist sie von der Bühne, ist sie auch schon auf der anderen Seite der Halle am Verlaufsstand und signiert CDs und ist zu jedem Selfie bereit. Eine fantastische Künstlerin.

Danach ist dann die „Latvian Blues Band“ eher als Partyband zu werten. Doch im Anbetracht der Uhrzeit und dem Nachhauseweg entscheiden wir uns aufzubrechen und auf Party und After Show-Meeting zu verzichten. Doch warum nicht nächstes Mal? Denn nach diesem tollen Erlebnis werden wir ganz sicher nochmals nach Lahnstein kommen.