Größtes „Umsonst und Draußen“-Bluesfestival der Welt – breite Angebotspalette von traditionellem Blues über Soul bis hin zu Americana
Das wunderbare an den Ausgangsbedingungen dieser Reise war, dass in unser einziges Zeitfenster für diese Reise sowohl die World of Bob Dylan Conference (30. 5. – 2. Juni) als auch das Chicago Bluesfestival (7.- 9. Juni) fielen. Nach dem Bericht über Tulsa, Oklahoma nun also die Eindrücke vom Bluesfestival in der „Windy City“.

Betty LaVette
Am Freitag besorgten wir uns erst einmal einen Eindruck vom Gelände. Drei Open-Air-Bühnen, eine Zeltbühne und das große Amphitheater mit dem phänomenalen Pritzker-Pavillon werden an drei Tagen bespielt. Das Programm bot heuer neben traditionellem Blues, Electric Blues und Bluerock, auch Folk, Soul und Americana. Und genau das – wir sind keine Hardcore-Bluesfans – machte das Festival für uns attraktiv. Neben „The American Songster Dom Flemons (hierzu später mehr an anderer Stelle), interessierte uns besonders Dave Alvin (den konnten wir letztlich dann doch nicht sehen), die Bluesrock-Schwestern „Larkin Poe“, die große alte Dame des Soul, Betty LaVette sowie Ruthie Foster, die wir beim Bluesfest in Lahnstein 2017 kennen- und schätzen gelernt hatten.
Das Publikum des Festivals ist nicht so bunt wie gedacht. Schwarze sind im Publikum seltener als gedacht vertreten. Die jungen Afroamerikaner hören Rap und HipHop, R&B und Soul. Blues scheint da eher etwas für Spezialisten und die ältere Generation zu sein. Gut siebzig Prozent sind der Besucher sind weiß, darunter auch einige Freak und Hippie-„Veteranen“, die aussahen, als wäre sie schon in Woodstock dabei gewesen. Wir deckten uns an diesem Freitag mit den offiziellen Festival-Shirts ein und besuchten das „Visit Mississippi“-Zelt, in dem nochmals viele Bluesdevotionalien und auch hübsche blaue „Mississippi Blues Trail-Rucksäcke“ zu bekommen waren.
Betty LaVette
Am Samstag spielte Dom Flemons nachmittags hintereinander auf zwei Bühnen, ehe wir nach einem Abendessen im Außengelände des Park Grill Restaurants, uns im Pritzker Pavillon Betty LaVette anschauten. Ich gebe zu, dass sie mir erst durch ihre großartige Platte mit Dylan-Coverversionen bekannt wurde. Von diesem Album – „Things Have Changed“ – spielte sie eine ganze Reihe von Songs, neben dem Titeltrack u.a. auch „Do right to me baby (Do unto others)“ und „Going, Going, Gone“. Die Show der mittlerweile 73-jährigen war ganz klar als Retrospektive angelegt und zwischen den fetzigen Soul-Rhytmen erzählte die Diva von den wichtigsten Stationen ihrer Karriere. Es war ein beeindruckendes Konzert und ein ganz starker und souveräner Auftritt, begeistert gefeiert vom Publikum, dessen Herz ihr schon vor dem ersten Ton gehörte.
Larkin Poe
Am Sonntagnachmittag dann standen „Larkin Poe“ auf dem Programm. Die beiden Schwestern Rebecca und Megan Lovell gründeten die Band 2010 und benannten sie nach einem Vorfahren von ihnen, der ein Cousin von Edgar Allan Poe war. Spielten die beiden von 2010 zusammen mit ihrer älteren Schwester Jessica noch Folk und Bluegrass, entdeckten sie fortan den Blues für sich und wurden als Southern Bluesrock-Kapelle öfters auch als „kleine Schwestern der Allman Brothers“ tituliert. An diesem Nachmittag spielten sie über eine Stunde lang Power-Bluesrock und begeisterten das Publikum. Natürlich spielten auch sie eine ganze Reihe von Stücken ihres aktuellen Albums „Venom & Faith“ wie Sometimes, Beach Blonde Bottle Blues oder Blue Ridge Mountains. Dabei sind die Rollen der Schwestern klar verteilt. Für Kommunikation und Show ist „Sonnenschein“ Rebecca zuständig. Die musikalischen Akzente auf Lap Steel und Dobro setzt die ältere, introvertiertere Megan. Am Ende war ein überzeugendes Plädoyer, dass auch anno 2019 der Blues-Rock immer noch lebt und in den beiden Mädels Atlanta, Georgia, eine Zukunft hat.

Copyrigt: Chicago Blues Festival
Ruthie Foster
Am Abend dann zum Abschluss trat dann Ruthie Foster auf. Sie bekam vor ihrem Konzert auch noch flugs einen Preis überreicht, ehe sie mit ihrer Band auf die Bühne trat. 2017 beim Lahnstein Bluesfestival gehörte noch Samantha Banks zu ihren Musikern. Die Drummerin starb am 25. April 2018 an den Folgen eines Schlaganfalls. Samantha war ein ganz wichtiger Teil der Seeler der Band und irgendwie hat sie eine wirkliche Lücke hinterlassen. Brannen Temple ist auch ein guter Drummer, doch Samantha war mehr. So gerät die Band etwas in Schieflage, weil Tastenspieler Scottie Miller etwas zu exaltiert rüberkommt, aber eben nicht dieses Soul-Blues-Charisma besitzt. Er wirkt eher wie der ehrgeizige Musterschüler, der mit überlangen Soli nervt. Und Ruthie? Die gibt die nachsichtige, souveräne Lehrerin und weiß, dass ihre Bühnenpräsenz die Gruppe zusammenhält. Sie spielt eigene Stücke, Songs von Lucinda Williams und Mavis Staples und spielt einen ordentlichen, sehr unterhaltsamen Set, der allerdings nie die Dichte, die Power und die Magie von Lahnstein erreicht.
Unterm Strich ist das Chicago Bluesfestival eine absolut lobenswerte Einrichtung, die gut daran tut, auch anderen verwandten Stilrichtungen Platz zu geben. Wir haben es sehr genossen.