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Starke Stimmen, starke Frauen, starkes Festival

29. September 2019

39. Lahnsteiner Bluesfestival bot Programm der Extra-Klasse/ Blues-Louis an Brian Auger

Ali Neander’s Blues Bang & Friends

Am Ende waren es neben einem Rock-Veteranen vor allem die starken Frauenstimmen, die die 39. Auflage des Lahnsteiner Bluesfestivals prägten: Ann Vriend, Jessica Born (als Teil von Ali Neander’s Blues Band & Friends) und Shakura S’Aida begeisterten das Publikum mit perfektem Soul- und Bluesgesang, Brian Auger wurde für sein Lebenswerk mit dem Blues-Louis ausgezeichnet.

Den Auftakt des wie immer von Arnim Töpel souverän und humorvoll moderierten Abends in der Lahnsteiner Stadthalle machte die Kanadierin Ann Vriend. Zweifellos mit großem Talent ausgestattet, schöpfte sie an diesem Abend dieses jedoch nicht voll aus. Sie lieferte eine gute Show ab, die noch hätte besser sein können. Sie zeigte schöne Ansätze eines anspruchsvollen Pop-Souls und glänzt durch ideenreiches Songwriting , doch mit den Vergleichen mit Aretha Franklin, die ihr im Vorfeld zugeschrieben wurden, tut man ihr keinen Gefallen. Unterm Strich bleibt ein Auftritt, der auf eine sehr positive Resonanz im Publikum traf und Interesse macht, zu schauen, wie sich ihr Talent weiter entwickeln wird.

Ali Neander’s feine Band und Jessica Borns beeindruckende Gesangsleistung
Dann der erste Knaller des Abends: Ali Neander’s Blues Bang & Friends. Mit Jessica Born am Gesang, Felix Zöllner mit Vocals und Harp, Raoul Walton am Bass, Marcel Millot an den Drums, Markus Lauer an der Orgel, Biber Herrmann mit Gitarre und Gesang sowie dem Bläser-Set mit Tommy Schneller (Saxophone, Vocals), Gary Winters (Trompete) und Dieter Kuhlmann (Trombone). Hier wurde in mehrfacher Hinsicht mit dem ganz großen Besteck operiert. Nach einem tollen Solo-Beginn mit „I Got My Mojo Working“ von Biber Herrmann, bei dem er seine faszinierenden Gitarrenkünste eindrucksvoll unter Beweis stellte, und einem feinen Zweierauftritt mit Ali Neander, kam der Rest der Band auf die Bühne und es ging die Post in Sacken Blues-Rock und Soul ab. Insbesondere Sängerin Jessica Born begeisterte, in dem sie alle ihre stimmlichen Register zog und die sind enorm: da ist Soul und Blues in der Stimme, da ist Power, Gefühl und viel Seele.

Doch auch das konnte nur funktionieren mit einer perfekten Bandleistung: Die präzise Rhythmus-Sektion war präzise, Neanders Gitarrenspiel ebenso druckvoll wie einfallsreich und der Bläsersatz ergänzte mit starkem Timing. Zweite gesangliche Entdeckung des Auftritts von Neanders Blues Bang war Tommy Schneller, der mit seinem einzigen Solo-Vortrag stimmlich zwischen Stevie Wonder und Dr. John reüssierte. Denn für den Gesang war ja eben Jessica Born und daneben auch Felix Zöllner zuständig, der ansonsten an der Harp brillierte. Und so spielte sich das Ensemble durch viele Blues- und Soul-Klassiker u.a. von Sam & Dave sowie Howlin‘ Wolf.

Brian Auger mit Lilliana de los Reyes

Pete Yorks humorvolle Laudatio zur Preisverleihung an Brian Auger
Zum 21. Mal wurde dann der Blues-Louis vergeben. In diesem Jahr erhielt ihn Orgel-Rock-Veteran Brian Auger für sein Lebenswerk zur Entwicklung der Orgel in der Rockmusik. Laudator war der Blues-Louis-Preisträger von 2014, Pete York, und gemeinsam sorgten sie – da waren sich die Beobachter einig- für die bislang beste und unterhaltsamste Blues-Louis-Verleihung überhaupt. Wie die beiden Rock-Veteranen sich voller britischem Humor die Bälle zuspielten – da blieb kein Auge trocken und keine Pointe ungesetzt. Ein ganz großer Spaß.

Auch der folgende Auftritt von Brian Auger und Oblivion Express war perfekte Unterhaltung. Auger ist auch mit 80 Jahren voller Energie und Spielfreude, dabei blitzt ihm der stets der Schalk im Nacken. Dylan-Fans ist Brian Auger natürlich auch wegen seiner von Julie Driscoll gesungenen Version von „This Wheel’s On Fire“ bekannt, die 1968 zum einem großen Hit wurde. Die Rolle der Sängerin übernahm an diesem Abend Lilliana de los Reyes, die Ex-Santana-Sänger Alex Ligertwood vertrat. Wobei sie mehr als eine Vertretung war. Ihr perfekter, gefühlvoller Gesang und ihre optische Präsenz setzte Zeichen, und dabei hat sie Talent und Kontur genug, der Gefahr zu trotzen, möglicherweise nur als hübsches Beiwerk den genialischen Maestro an der Orgel wahrgenommen zu werden. Denn sie stammt schließlich aus einer großen kubanischen Musikerdynastie. Ihr Vater Wally ist ein legendärer Drummer und ihr Großvater Walfredo arbeite u.a. mit Linda Ronstadt und Steven Winwoord zusammen.

Shakura S’Aida

Shakura S’Aida setzt einen selbstbewussten und begeisternden Schlusspunkt
Der Abend schloss dann mit einer weiteren starken Frauenstimme. Shakura S’Aida brachte zu fortgeschrittener Stunde den Saal zum Kochen und Singen. Mit ihrem musikalisch abwechslungsreichen Mix aus Soul, Blues und Rock bildete sie alle menschlichen Emotionen ab. Sie war Entertainerin, Diva und Wildkatze. Vor allem aber eine selbstbewusste schwarze Frau, die stets die Kontrolle darüber behält, was sie macht. Und was sie macht, macht sie, weil sie es will und sie macht es gut. Mit „Gechee Woman“, „Don’t Tell Mama Where Her Children Hide“ oder „Devil Only Know My First Name“ heizte sie mit mit einer mitreißendne Performance voller souveränen Körperlichkeit dem Publikum ein, brachte die Halle zu toben und setzte dem großartigen Programm des diesjährigen Lahnsteiner-Bluesfestival einen großen und würdigen Abschluss.

Bei der Güte dieser Auftritte fragt man sich, wie das Ganze im kommenden Jubiläumsjahr noch getoppt werden soll. Doch wenn es das jemand schaffen kann, dann die klugen und kenntnisreichen Organisatoren dieses Festivals!

Ruthie Foster und das 37. Lahnsteiner Bluesfestival

1. Oktober 2017

Nein, ich bin eigentlich kein Blueser. Von Hause aus bin ich wegen Bob Dylan Folk-Rocker, dann kam über die Jahre die Liebe zum Alternative Country, zur Old Time Hillbilly-Musik und zum Bluegrass dazu. Doch für all diese Musik hat der Blues eine immense Bedeutung. Als ich dann nach regelmäßigem Austausch über Bob Dylan und die Americana-Musik mit Tom Schroeder, einem „Elder Statesman“ der deutschen Folk- und Bluesmusikszene, von ihm zum 37. Lahnsteiner Bluesfestival eingeladen wurde, fuhren wir sehr gerne hin.

Dort bemerkte ich dann, dass Tom Schroeder im Programmheft meine Gedanken zum Thema „Americana und Protestsongs in den Zeiten von Trump“ aufgenommen hatte und mich sogar dort namentlich erwähnt hatte. Wow!

Albert Castiglia und Mike Zito

Guitar Champs
Erster Act des Abends waren dann die „Guitar Champs“, Mike Zito und Albert Castiglia, die beide Meister ihres Fachs sind, und auch mich begeisterten. Ich bin kein Bluesrock-Fan und kann stundenlangen Blues-Rock-Gewittern nicht viel abgewinnen. aber was die beiden eine knappe Stunde lang da veranstalteten, war allererste Sahne. Beide spielen lange virtuose Bluesgitarrensoli und doch könnte ihre Spielweise nicht unterschiedlicher sein. Wo Zito eher lickt und perlt, da zieht und zwingt Castiglia die Töne, und beide holen das letzte aus sich und ihren Instrumenten heraus. Und wo Zito eine gute Rockstimme hat, hat Castiglia eine Blues-Röhre. Und wenn die beiden dann noch miteinander spielen und jeder den anderen zu noch größeren Höchstleistungen anstachelt, dann gibt es kein Halten mehr. Allerhöchste Spielfertigkeit – ein Genuß!

Joja Wendt und Stefan Gwildis

Stefan Gwildis


Nun kommt der Teil des Abends, der eher dem leichteren Mainstream-Blues gewidmet ist. Joja Wendt, der laut Laudatorin Andrea Ballschuh ein wirklich sympathischer Mensch ist, bekommt den Blues-Louis 2017. Zusammen mit seinem Kumpel Stefan Gwildis bringt er dann ein paar Songs zum Klingen und insbesondere Gwildis‘ Hit „Spiel das Lied in Dir“ sorgt für Riesenstimmung im Publikum.

Ruthie Foster

Ruthie Foster
Ich gebe zu, ich hatte sie vor dem Abend nicht auf dem Schirm. Umso begeisterter war ich nach dem Auftritt der Texanerin, die in großartiger Weise Folk, Gospel, Soul und Blues mischt und damit bestes Americana erschafft. Bei ihrer Musik und ihren Texten ist der Süden präsent. Die kleinen Käffer aus denen man fliehen will, die Herzlichkeit der Leute, ebenso wie der Rassismus, Armut und privaten Katastrophen ebenso wie die Liebe und der Gottesglaube. Mit im Gepäck hat sie auch Songs musikalischer Vorbilder wie Sister Rosetta Tharpe oder Mavis Staples.

Mit der Unterstützung ihrer tollen Band – Scottie Miller an Tasteninstrumenten und Mandoline, Samantha Banks an Drums, Percussion und Spoons sowie Larry Fulcher, ganz zurückhaltender Bassist, der aber viel für den Zusammenhalt der Band tut – nimmt sie das Publikum mit auf eine Reise durch den Süden mit. Unglaublich, mit wieviel Energie und Stimme die nicht sehr große Frau in der Lage ist, ihren Songs Aus- und Nachdruck zu verleihen.
Die Frau hat noch dazu so ein natürliches, sympathisches Cahrisma, dass ihr die Herzen in der Lahnsteiner Stadthalle im Nu zufliegen. Ihr viel umjubelter Auftritt endet erst nach einer so im Zeitplan nicht vorgesehenen Zugabe. Und kaum ist sie von der Bühne, ist sie auch schon auf der anderen Seite der Halle am Verlaufsstand und signiert CDs und ist zu jedem Selfie bereit. Eine fantastische Künstlerin.

Danach ist dann die „Latvian Blues Band“ eher als Partyband zu werten. Doch im Anbetracht der Uhrzeit und dem Nachhauseweg entscheiden wir uns aufzubrechen und auf Party und After Show-Meeting zu verzichten. Doch warum nicht nächstes Mal? Denn nach diesem tollen Erlebnis werden wir ganz sicher nochmals nach Lahnstein kommen.