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Gelungener Premieren-Event von Inside Llewyn Davis in Darmstadt

8. Dezember 2013

Inside_Llewyn_Davis_Poster_300dpi_RGBGut 120 Gäste im Publikum, beste Stimmung und ein toller neuer Coen-Film sorgten für einen gelungenen Premieren-Event von „Inside Llewyn Davis“ in Darmstadt.

Julia Wettlaufer begrüßte für die Darmstädter Kinos und Thomas Waldherr sprach in seinem Vortrag über „Inside Llewyn Davis, T-Bone Burnett und die Musik in den Filmen der Coen-Brüder. Dabei arbeitete er den inneren Zusammenhang zwischen dem Coen/Burnett-Klassiker „O Brother, Where Art Thou?“ und dem neuen Film heraus, indem er die grundlegenden Explosionen der amerikanischen Populärmusik im vergangenen Jahrhundert – Country, Blues, Rock’n’Roll sowie Folkrevival, Dylan und Folkrock – in Beziehung zu den beiden Filmen stellte.

Die „DoubleDylans“ brachten dann das Publikum auf Folkszenen-Betriebstemperatur, in dem sie Songs von Dylan und Woody Guthrie mit Traditionals mischten und auf ihre eigene Art ohne große Ehrfurcht aber mit viel Esprit interpretierten.

Das Vorprogramm zum Film kam sehr gut an und bereitete den Boden für ein wunderbares Werk voller absurdem Witz, schrägem Humor und schöner Musik. Wer mit Dylan und der Folkmusik nicht viel anfangen kann, der wird allein von der absurden Tragikomödie begeistert sein. Dylan- und Folkfreunde haben darüber hinaus einen Riesenspaß an Zitaten, bekannten Typen und Orten des Greenwich Village und natürlich an der Musik. Kino mit Kult- und Klassikerpotential!

Der Vortrag von Thomas Waldherr als PDF-Dokument:Waldherr_Vortrag_05122013

Der König von Greenwich Village

9. Mai 2013

Dave Van Ronk-Biographie liefert Vorlage für neuen Coen-Film/ Van Ronks Respekt vor Dylan

der-koenig-von-greenwich-villageWas haben die Coens schon für tolle Filme gemacht. Unser liebster – „O Brother, Where Art Thou?“ war ja auch vor allem wegen der Musik ein Meilenstein. Schließlich begründete er Anfang des Jahrtausends eine bis heute reichende Wiederentdeckung von Old-Time und Bluegrass-Musik und war auch Antriebsfeder für das damals noch junge  Americana-Genre.

Kein Wunder, dass wir uns viel vom neuesten Werk der Brüder versprechen. Schließlich spielt „Inside Llewyn Davis“ in der Folkszene in New York Anfang der 60er Jahre und irgendwie spielte unser Freund Bob Dylan da ja durchaus auch eine wichtige Rolle. Vor allem aber ist der Film an die Lebensgeschichte von Dave Van Ronk angelegt. Der zu jung war für die Alten wie Pete Seeger und Woody Guthrie und zu alt war für die Jungen wie Bob Dylan, Joan Baez und Phil Ochs.

Die Filmvorlage, Van Ronks Autobiographie „Der König von Greenwich Village“, die Elijah Wald mitgeschrieben hat, ist ein wirklich unterhaltsames Stück Zeitgeschichte. Man erfährt viel über die Szene in Greenwich und New York City in der bleiernen Eisenhower-Zeit, als man sich an Boheme und Beatniks orientierte, aber die Alte Linke noch existierte. Die in tausend Splittergruppen an den Sieg des Proletariats glaubte, während die Neue Linke bei den Kämpfen für Bürgerrechte und Frieden gerade geboren wurde. Und van Ronk legt die Finger in derer beider Wunden. Schöne Szene, als der alte Sozialist den jungen Linken sinngemäß erklärt: „Ich weiß, dass ich in ein paar Jahren immer noch Sozialist bin, während ihr dann Zahnärzte sein werdet.“ Sehr treffend.

Aber natürlich geht es in der Van Ronk-Biographie um die Musik. Um die Folkszene rund um den Washington Square, um die Clubs in Bleecker- und MacDougal-Street, in denen van Ronk seinerzeit eine bedeutende Figur war. Handelt von der Jazzszene, der alten Folkszene und vom Folkrevival, und dann taucht irgendwann auch Bob Dylan auf. Mit dem geht Van Ronk achtsam um. Zwar nimmt er kein Blatt vor den Mund bei der Angelegenheit, dass Dylan ohne ihn vorher zu fragen mit seinem Arrangement von „House Of The Rising Sun“ ins Aufnahmestudio gegangen ist, aber er schlägt hier durchaus versöhnliche Töne an. Er schätzt Dylan sehr, warnt aber stets davor, ihn zu überhöhen. Sehr ehrlich und nachvollziehbar sind dann die Schilderungen, wie er auf Distanz zum jungen, hippen Bobby geht. Der schreitet quasi als Folkprinz mit Hofstaat und Gefolge durchs Viertel und geriert sich als ziemlicher Angeber. Da will Dave nichts mit zu tun haben.

So kommt es wie so oft, wenn zwei große Egos – und das hatte Van Ronk, „Der König von Greenwich Village“, in der Tat, man spürt es in jeder Zeile – aufeinander prallen, da tut Abstand Not. Aber wie wir wissen ist das ja nur eine Seite der vielen Gesichter des Bob Dylan. Die andere, die auch immer wieder im Laufe seiner Karriere herauskommt, ist die verletzliche, schüchterne, fast zerbrechliche Seite. Man muss ich nur mal als Vergleich folgendes ansehen: Den selbstbewussten, biestigen und exzentrischen Star aus „Don’t Look Back“ 1965, den schüchternen, linkischen jungen Musiker aus der Johnny Cash-Show von 1969 und den kraftvollen Leader und Impresario der Rolling Thunder Konzerte im November 1975. Wie schrieb mal einer so treffend über Dylan: „Die menschlichste aller Stimmen, der unstimmigste aller Menschen…“

Doch Van Ronk vollzieht keinen offenen Bruch. Er trifft sich immer mal wieder mit Dylan, aber es wird nie mehr so nah sein, wie vor Dylans Durchbruch. Und verteidigt er ihn sogar gegenüber den Szene-Anfeindungen, als er angeblich keine politischen Lieder mehr singt und die E-Gitarre einstöpselt. Doch während Dylan zum Weltstar aufsteigt, bleibt Van Ronk ein Musiker, der trotz großer Fähigkeiten sich jeden Tag von neuem zur Decke strecken muss. Dass er dennoch keine Bitterkeit gegenüber Dylan aufkommen lässt, beweist seine menschliche Größe und seinen Respekt vor der künstlerischen Leistung Dylans. Ein weiterer Beweis: Bis zuletzt  – er starb 2002 – hatte er Dylan-Songs im Repertoire. Siehe unten „Buckets of Rain“ von 2001.

Vom Coen-Brüder-Film haben wir nur ein paar Sequenzen im Trailer (siehe unten) gesehen und wollen noch kein Urteil über ihn abgeben. Aber auch wenn dieses Buch nur sehr frei als Vorlage für „Inside Llewyn Davis“ gedient haben sollte: Für alle, die sich für die Folkszene und ihre Protagonisten interessieren, ist „Der König von Greenwich Village“ eine wahre Fundgrube. (Heyne-Taschenbuch/ 9,99 Euro).