Die Muse Amerika

Und noch mehr Notizen zu Rough And Rowdy Ways“: Dylan singt in „Mother Of Muses“ auch über sein Land

General William T. Sherman, Foto: Wikimedia Commons

Der Song klingt erst wie eine alte Folk-Ballade aus dem US-Bürgerkrieg, dann noch älter. Als würde Homer sein Lied singen und die Laute anschlagen. Denn Dylan ruft die alten griechischen Musen an: Mnemosyne und Calliope.

Wie ein uraltes Lied
Doch die dritte Strophe führt aus der Antike mitten in das 19. und 20. Jahrhundert, als die Grundlagen des amerikanischen Jahrhunderts gelegt wurden:

Sing of Sherman, Montgomery and Scott
And of Zhukov, and Patton, and the battles they fought
Who cleared the path for Presley to sing
Who carved the path for Martin Luther King
Who did what they did and they went on their way
Man, I could tell their stories all day

Sherman ist natürlich der legendäre General aus dem US-Bürgerkrieg, Montgomery ein amerikanischer General des Unabhängigkeitskrieges und Winfield Scott war ein US-General, der die US-Armee im 19. Jahrhundert bis in den Bürgerkrieg hinein prägte. Zhukov war der oberste russische Militär im 2. Weltkrieg und Patton ein legendärer amerikanischer Haudegen in diesem Krieg.

Die ersten drei stehen für die Entwicklung und Ausdehnung der USA mittels teilweise grausamer Kämpfe gegen die Briten, die Indianer, die Mexikaner und die US-Südstaaten. Die letzten beiden für den Sieg über den Faschismus und die Befreiung Europas.

Dylan sang über den Aufstieg des Landes…
Bei aller Fragwürdigkeit mancher Feld- oder Charakterzüge dieser Männer sieht Dylan diese Siege als Voraussetzung des amerikanischen Jahrhunderts an. Diese Kämpfe sind die Voraussetzung für den Sieg Amerikas und Russlands über den Faschismus, für Elvis und eine globale Rock- und Jugendkultur und für Martin Luther King und dem Glücksversprechen, Rassismus und Ungleichheit zu beenden.

Dylan weiß um die Widersprüche im Kampf für die Freiheit. Er weiß um die Widersprüche seines Landes. Er hat in frühen Jahren mit „With God On Our Side“ schon einmal den Aufstieg der Vereinigten Staaten besungen. Hat ihre Kriege aufgezählt. Er weiß, dass Amerika eine einzigartige Populärkultur hervorgebracht hat, aber auch Gewalt, Indianerkriege und Rassismus. Dies beschäftigt ihn seinem Alter in diesen Zeiten um so stärker.

Elvis Presley, Foto: Wikimedia Commons

Dylan bringt exemplarisch ja auch mit „Murder Most Foul“ die zwei Seiten Amerikas poetisch zum Klingen. Und nicht von ungefähr spricht Dylan im die Veröffentlichung des Albums begleitenden Interview über das Sand-Creek-Massaker an den Cheyenne und Arapahos im Jahr 1864 und über den Tod George Floyds dieser Tage. Dylan hat die schwarzen Märtyrer Emmett Till und George Jackson besungen und hat vor wenigen Jahren erst gesagt, man müsse nur die Namen austauschen, diese Songs hätten noch immer ihre Gültigkeit.

…nun singt er über den Niedergang
Dylan singt auf diesem Album den Schwanengesang auf Amerikas vermeintliche Größe, er singt im fortgeschrittenen Alter über den Niedergang Amerikas. Er kassiert den amerikanischen Traum ein, weil der schon immer auch den Albtraum inkludiert hatte. Dylan argumentiert dialektisch. Und wie bei Dylan üblich liefert er auch hier nur die Analyse. Denn den Reim darauf, also den Weg um diese Widersprüche zu überwinden, den müssen wir selbst finden.

Das Lied zu Shermans „March Through Georgia“:

Und Elvis‘ erster Hit:

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