From Sand Rabbit Town into the whole wide world
Howdee Everyone,
armes Amerika!
Jetzt hat er sein Vehikel gefunden, um ganz unverblümt dem Bürgerkrieg das Wort zu reden. „Befreit Minnesota!“,“Befreit Michigan!“, „Befreit Virginia!“ Selbst der ungebildete Trump weiß, welche Geister er hier herauf beschwört und an welches amerikanische Trauma er hier anknüpft. Die Trump-Jünger und Alt-Right-Aktivisten warten inmitten ihrer Waffenarsenale schon lange auf den günstigen Augenblick zum Losschlagen und führen eine neue Sezession im Schilde.
Bob Dylan kennt seinen Bürgerkrieg ganz genau. Seiner „Biographie“, den „Chronicles“ zufolge hat er Monate lang in der Bibliothek auf Mikrofilmen die Zeitungen der Jahrgänge 1855 bis 1865 studiert. Er hat die Sklaverei einmal als immerwährende Wunde der amerikanischen Nation bezeichnet, hat aber auch in seinen Studien festgestellt, dass es in dieser Auseinandersetzung auch um verschiedene Wirtschaftssysteme, Wertvorstellungen und kulturelle Normen geht, die immer mehr auseinanderstreben. Dylan ist Zeit seines Lebens in seiner Musik auf diesen Krieg und seine Umstände zurückgekommen. Von „John Brown“ über den jungen Soldaten, der als Krüppel nach Hause kommt, über „Blind Willie McTell“ als Gemälde des tiefen Südens bis zu „Cross‘ The Green Mountain“, den Song, der aus den Briefen der Soldaten erzählt.
Dylan webt den traumatischen Konflikt hinein in seinen Patchwork-Quilt seines Amerikas. Er weiß, dass er ungelöst ist. Die Sklaverei und Rassismus findet ihre Fortsetzung in den Köpfen, Strukturen und Machtverhältnissen bis heute. Das Land ist heute zudem gespalten nicht nur zwischen Nord und Süd, sondern auch zwischen den Küstenstreifen in West und Ost und dem vielen Land dazwischen. Und gerade diese Menschen haben die Demokraten seit Bill Clinton vergessen. Die arbeitenden Menschen, die dem Strukturwandel des Rust Belt, der Perspektivlosigkeit in den Appalachen oder den ökologischen Katastrophen am Golf von Mexiko zum Opfer gefallen sind, wurden mit ihren Problemen alleine gelassen.
Dylan, der gerne dem linksliberalen Lager zugeordnet wird, obwohl er sich doch stets nie zu einer Gruppe gehören wollte, hat von „Masters Of War“ bis „Murder Most Foul“ stets den militärisch-industriellen Komplex und seine Macht als Ursache vieler Fehlentwicklungen gesehen. Er hat mit „Only A Pawn In Their Game“ auf die herrschaftssichernde Funktion des Rassismus der armen Weißen aufmerksam gemacht, bei Live Aid den Überlebenskampf der US-Farmer gegen die Banken erwähnt und mit Workingman’s Blues #2 den Niedergang der amerikanischen Arbeiterklasse in den Zeiten der Globalisierung beschrieben. Er hat für Bill Clinton bei dessen Inauguration gespielt. Bei der von Obamas war er nicht mehr zugegen. Die beiden Demokraten hätten seinen Liedern nur richtig zuhören müssen, da hätten sie ahnen können, was da kommt.
„Murder Most Foul“ ist nicht nur die Schilderung eines historischen Vorganges und „I Contain Multitudes“ ist mehr als ein weiteres Selbstporträt des Künstlers. Sie sind auch Zeugnisse für das heutige Amerika. Allein durch die Präsentation eines Präsidenten wie Kennedy und der Vielfalt der amerikanischen Populärkultur bei „Murder“ sowie der expliziten Darstellung, dass der amerikanische Künstler ein Ergebnis der Vielfalt und der Widersprüche des Landes sind, ist eine klatschende Ohrfeige für alle Anhänger des Othering, für alle angelsächsischen White Supremacy-Fans und Alt-Right-Schergen.
Den Namen des Präsidenten, der gerade dem Bürgerkrieg das Wort redet, muss Dylan gar nicht nennen, dass er diese Songs jetzt zu diesem Zeitpunkt, in dem einer bedrohlichen Krankheit vom US-Präsidenten mit Hohlheit, Eitelkeit, Spaltung und Aufwiegelei begegnet wird und damit die Katastrophe immer größer macht, sagt genug.
Bob Dylan – Only A Pawn In Thei Game
Bob Dylan – John Brown
Bob Dylan – Workingman’s Blues #2
Schlagwörter: Amerikanischer Bürgerkrieg, Bob Dylan, USA