Ich gebe es gerne zu. Auch ich habe die Platte seit vielen Jahren im Regal und habe sie, wenn’s hochkommt, zweimal in meinem Leben gehört. Der Vollständigkeit halber. Und sie seitdem nicht vermisst. Die Rede ist – Dylan-Afficionados wissen es längst – natürlich von „Self Portrait“. Der stets verkannten und oft verdammten Dylan-Scheibe von 1970.
Sie ist nun wieder in der Dylan-Welt in aller Munde. Denn ausgerechnet die Aufnahmen zu dieser Platte bilden die Basis und den Hintergrund für die neueste Veröffentlichung der Bootleg-Series. Sicher, wir alle hätten was anderes lieber gehabt. Endlich mal wieder ein Live-Album, mit den besten Aufnahmen der Never-Ending-Tour. Oder die kompletten Dylan-Cash-Sessions. Oder die Bromberg-Sessions von 1992. Oder Outtakes der jüngsten Platten. Aber Self Portrait?
Und doch: Da man ja davon ausgehen kann, dass bei Sony nichts von Dylan veröffentlicht wird ohne seine Zustimmung, hatte er wohl zumindest nichts dagegen, etwas mehr Licht in diese Schaffensperiode zu bringen. Und so ist diese Ausgabe der Bootleg-Series für die Dokumentare und Archivisten unter den Dylan-Fans besonders wichtig. Aber: Die Platte kann mit einigen Jahren Abstand durchaus gehört werden. Denn sie dokumentiert nicht weniger als Dylans eigene Bestätigung der Basement Tapes: Dylan manifestiert sich in diesen Jahren als Künstler, der fest verortet ist in der Musik von Americana und Great American Songbook. Dylan als Rock-Avantgardist endete 1966. Seitdem ist er zwar weiterhin innovativ. Aber musikalisch eignet er sich nur mehr vorhandenes an, bzw. bringt es zusammen: Nach Rock meets Folk, nun Rock meets Country, Rock meets Medicine Show meets Commedia dell’arte (Rolling Thunder Review) , Rock meets Big Band (Welttournee 1978) , schließlich Rock meets Gospel (1979-81). Seine Genialität liegt in der der traumwandlerisch-bestechenden Mischung der musikalischen Versatzstücke und der kulturellen Ausdrucksformen, die er nutzt, um auf ihnen große Songpoesie zu entfalten.
Doch hier auf Selbst-Porträt muss er die Versatzstücke und Genres erst mal finden und sich aneignen. Als Zeugnis künstlerischen Outputs ist Self Portrait weniger relevant. als Zeugnis künstlerischen Inputs umso mehr. Dieser Dylan – und das erinnert uns an manch frühes Konzert der Never Ending Tour- übt vor Publikum.
Ja und dann…dann habe ich mir Self Portrait doch ein bisschen schön gehört. Wer das Album hat, sollte sich mal darauf einlassen. Manches kommt einem bekannt vor, manchem begegnet man in späteren Schaffensperioden wieder, manches hört sich wirklich gar nicht schlecht an. Und manches bleibt einfach obskur. Ein wichtiges Stück Dylan ist wieder entdeckt worden. Unerschöpflich diese Quelle…
Und hier zur musikalischen Untermalung ein schönes Video zu „Blue Moon“ in der Self Portrait-Fassung:
Schlagwörter: Americana, Blue Moon, Bob Dylan, Self Portrait
21. Juli 2013 um 12:18 pm |
genau so sehe ich das auch ,bobby 1963.und überhaupt was ist so schlimm an songs wie „days of ´49″oder „lily of the west.und street legal war die erste scheibe die ich als 16jähriger bei erscheinen kaufte ,davor hatte ich nur hardrain,desire und eine best of.street legal ist für mich eine art schlüsselalbum,die ich heute gern noch oft höre,die damalige kritik verstand ich nie.und als sie vor jahren mal remastered wurde,war es nochmal ein neues hörerlebnis.ich freue mich schon auf another self portrait,man sollte dankbar sein für jede aufnahme.
21. Juli 2013 um 6:57 am |
Also das mit dem Sommer ’92 am Bürgeler Schultheißweiher wußte ich wirklich nicht! Die Dylan-Geschichte und insbesondere die Rezeptionsgeschichte von „Self Portrait“ muss völlig neu geschrieben werden! 😉
Ich fand die Basement Tapes als die Phase, in der Dylan sich alle Spielarten des Americana angeeignet hat, stets interessanter. Die Musik von Self Portrait fand ich zu glatt, da fehlte mir die künstlerische Dramatik.
Und trotzdem kann ich die Platte jetzt nach einigen Jahren Abstand und vor den neu veröffentlichten Bootleg-Series-Aufnahmen als Hintergrund neu entdecken und schätzen lernen. Nicht als Haupt- oder Meisterwerk, sondern als ein für den Künstler wichtiges Nebenwerk mit der er Grundlagenarbeit betrieben hat.
Und Street Legal fand ich schon beim Erscheinen eine tolle Platte. „No Time To Think“, „True Love Tends To Forget“, „Baby Stop Crying“, „Changing of the guards“, „Senor“ und das böse „New Pony“ – super! 🙂
T.W.
20. Juli 2013 um 11:18 pm |
also ich hatte nie probleme mit self portrait.sie strahlt eine gewisse ruhe und frieden aus. zumindest suggerieren das die vielen fotos ,bob beim waldspaziergang usw.was „gerüchteküche“da behauptet ist schwachsinn.der grösste teil der aufnahmen sind dem sammler wirklich neu,und die paar songs die bekannt sind,sind hier in alternativen versionen vertreten.bevor tell tale signs rauskam dachte ich auch nicht dass columbia noch soviel unbekanntes in den archiven hatte.man bekommt bei bob immer was für´s geld,anders als bei hendrix oder den beatles,bei denen immer vor weihnachten „neue“songs entdeckt werden.gottseidank kann ich mit denen eh nichts anfangen.
20. Juli 2013 um 1:53 pm |
Hey Blogger,
nur zweimal gehöhrt? Die lief monatelang im Sommer 1992 am Bürgeler Schultheißweiher. Die Aufnahmen ohne Overdubs nochmal neu zu verkaufen ist ja fast bushidomäßig geil.
c.u.
Robert
20. Juli 2013 um 10:40 am |
Hallo !
Nur zweimal gehört ? Schade. Aber es kann einem ja nicht alles gefallen, auch wenn man ein großer Fan ist. Mir gefiel „Selfportrait“ eigentlich schon immer gut, zumindest nicht so schlecht , wie sie seinerzeit verrissen wurde. Es war eine der ersten Alben, die damals in Vinyl in unserem Plattenschrank stand. Eher aus Zufall. Daher ist sie bei uns auch mit Erinnerungen verknüpft. Genau so wie die „Street Legal“ , die seinerzeit ebenfalls kritisiert wurde. Aber beide Alben haben ihre Fans gerade bei den Leuten, die sich nicht um das „Geschreibsel“ von Kritikern scheren, mögen sie noch so angesehen sein. Es sind fraglos nicht die Highlights in dem großen Werk Bob Dylans, aber für mich schließt sich ein Kreis in dem sich bestätigt was Dylans Musik eigentlich wirklich ausmacht, dass ist die Bindung an traditionelle, uramerkanische Musik. Dem ist er eigentlich immer treu geblieben , so vielschichtig und wechselhaft Dylans Musik vielen erscheinen mag. Ich finde ein Bootleg Album genau aus dieser Zeit superspannend. Gerade die Aufnahmen ohne die overdups zu hören, die in „Selfportrait“ dann stelleweise einfach „too much“ waren. Aufnahmen mit „The Band“ und George Harrison. Dazu viel unveröffentlichtes Material. Ich freue mich , als wäre August schon Weihnachten. Gruß Robert K. nr. Dortmund