Natürlich habe ich Sam Shepard über die Beschäftigung mit Bob Dylan kennengelernt. Er reiste mit Dylans-Wahnsinns-Tross 1975 durch die Neu-England-Staaten und sollte das Drehbuch für des Meisters verkanntes Filmwerk „Renaldo & Clara“ verfassen. Seine Ideen wurden nicht umgesetzt, stattdessen verfasste er das „Rolling Thunder Logbook“ und setzte damit der Tour ein literarisches Denkmal. Er schrieb mit Dylan einen der wenigen guten Dylan-Songs der 1980er Jahre: „Brownsville Girl“. Und er schrieb über Dylan das Stück „True Dylan“. Was natürlich Ironie ohne Ende war. Denn auch dieses Bühnenwerk kam dem „wahren“ Dylan so nah oder so fern, wie alle sonstigen Biographien über den Meister. Aber keiner verstand es wie Shepard, aus den Facetten der öffentlichen Figur Bob Dylan eine Bühnenfigur zu erfinden, die so viele richtige Fragen über Dylan aufwarf.
Erst danach habe ich seine Kurzgeschichten gelesen, habe ihn als Schauspieler wahrgenommen und seine Bedeutung für Wim Wenders in „Paris, Texas“ erfasst und den wunderbar selbstironischen „Don’t Come Knocking“ gesehen. Vielleicht jetzt erst habe ich seine Bedeutung für das „andere Amerikas“ richtig einzuschätzen gelernt.
In jedem Film, in jeder Rolle, in all seinen Stücken und Geschichten, arbeitete er sich an Amerika ab. An dessen Glücksversprechen, an den Hoffnungen der Menschen, es möge ihnen irgendwann besser gehen und an den unendlich vielen Situationen, in denen die Hoffnungen dieser Menschen enttäuscht werden: Von den Umständen, von den anderen Amerikanern, von Amerika. Denn genau so großzügig wie Amerika mit seinem Glücksversprechen ist, so großzügig ist es auch mit seiner Gewalt, ist es darin, dass es Menschen ins Bodenlose stürzen lassen kann, dass es Menschen um ihre Existenz bringen kann.
Shepard hat dies immer in einer unheimlichen Weite und Lakonie beschrieben. Der Weite der amerikanischen Landschaft, der Lakonie seiner Menschen, die in dieser Weite darum kämpfen müssen, wahrgenommen zu werden. Um am Ende dann oftmals zu scheitern. An den falschen Plänen, an ihren Ängsten, an ihrem Versagen oder an ihren moralischen Maßstäben.
Sam Shepard hat über die alltägliche Zerstörung des amerikanischen Traums geschrieben. Mit ihm ist nun ein weiterer unserer großen amerikanischen Träume gestorben. Rest In Peace, Sam Shepard!
Schlagwörter: Bob Dylan, Brownsville Girl, Paris, Rolling Thunder Review, Texas, Wim Wenders
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