Als der Autor dieses Blogs ein Jugendlicher war, damals Ende der 1970er Jahre, da trieb er sich des Öfteren in der Fußgängerzone seiner Heimatstadt Darmstadt herum und lauschte einer Musikgruppe. Die Musik, die sie spielten, faszinierte ihn, es war Folk-Rock mit einem Schuss Country und die Truppe hieß Bernies Autobahn Band. Ein paar Jahre später wurden sie recht groß und ihre Musik gehörte zum Soundtrack der 1980er zwischen Anti-Starbahn- und Friedenbewegung und begleiteten den jungen Erwachsenen aus Darmstadt noch eine ganze Zeit lang. Ihr Chef Bernie Conrads sollte später nach Auflösung der Band 1989 ein anerkannter Songschreiber für Musiker wie Peter Maffay und Stefan Stoppok werden.
Damals jedoch in den ausgehenden Siebzigern hatte der Jugendliche gerade Bob Dylan für sich entdeckt und ein Song stach immer wieder bei den Auftritten von Bernie und seinen Kumpanen heraus: „Is Anybody Goin‘ To San Antone“. Das war ein echter Ohrwurm und so wurde es mir gesagt, er sei von Bob Dylan. Leider konnte ich ihn auf keiner meiner Dylan-Platten und auch nicht auf denen von Bernies Autobahn Band entdecken. Irgendwann hörte ich auf zu suchen. Im Ohr blieb er mir aber immer noch.
Als dann vor kurzem Darmstadt und San Antonio eine Städtepartnerschaft eingingen, da kam er mir natürlich wieder verstärkt in den Sinn. Und da es heute youtube gibt, recherchierte ich und siehe da – ich wurde fündig. 1973 hatte Dylan – vielleicht noch inspiriert durch den Ausflug in die Grenzregion der USA und Mexiko mit seiner Rolle und dem Soundtrack zu Patt Garrett & Billy The Kid – mit dem Texas-Country-Rocker Doug Sahm (Sir Douglas Quintet, The Texas Tornados, The Texas Mavericks) den Song aufgenommen. Er wurde im selben Jahr als Doug Sahm-Single veröffentlicht, auf eine LP kam er erst 1984. „Doug Sahm Live“ ist allerdings eine semi-offizielle Veröffentlichung.
Erst jetzt tackerte es wieder bei mir. Wo hatte ich den Song in den letzten Jahren schon mal gehört? Charley Pride! Richtig, Charlie Pride sang ihn in der Marty Stuart Show. Ich liebe diese kitschige, sentimentale aber immer lagerübergreifende All-American-Show. Bei Marty spielen die Oak Ridge Boys, Charlie Daniels oder Doug Kershaw genauso wie Roger McGuinn, Charley Pride oder die Carolina Chocolate Drops. Da ist Marty ganz der Tradition Johnny Cashs verpflichtet, der damals in seiner Show Ende der 1960er Jahre, als Amerika ähnlich politisch polarisiert war wie heute, auch Künstler wie Bob Dylan, Pete Seeger und Neil Young auftreten ließ, die allesamt dem konservativen Country-Stammpublikum nicht geheuer waren.
Doch zurück zu Charlie Pride, ihm wird im Allgemeinen der Sog zugerechnet. Mein großer country.de-Kollege Manfred Vogel hat vor wenigen Jahren sehr schön herausgearbeitet, wie es jedoch kam, dass 1970 fast zeitgleich zwei Versionen des Songs veröffentlicht wurden. Eine von Charley Pride, ihm hatte man das Exklusivrecht zugebilligt und eine von dem Ex-Footballspieler Richard „Bake“ Turner. Grund war dass der Musikverlag der Autoren Glenn Martin und Dave Kirby gerade von einem anderen Verlag aufgekauft wurde. Das Songschreiber-Duo hatte von den Vorgängen keine Ahnung. Charley Pride murrte, als er Turner mit dem Song im Fernsehen sah, und doch nahm er den Song auf. Richtige Entscheidung, es sollte sein dritter Nr. 1-Hit und ein Millionenseller werden. Beiden gebühren die Meriten. Blke Turner hatte den Song als erster bereits im April 1969 aufgenommen, doch Charlie Pride veröffentlichte ihn als erster im Februar 1970, während Turners Version erst im März desselben Jahres erschien. Prides Aufnahme toppte, Turners Platte floppte. Dumm gelaufen für den ehemaligen Texas-Footballstar. Doch die beiden lernten sich bald darauf kennen und wurden gute Freunde.
Gute Freunde waren damals auch Bob Dylan und Doug Sahm. Bob, der Zeit seines Lebens immer neugierig war und alle möglichen musikalischen Einflüsse aufgesogen hatte, musste von dem gleichaltrigen Sahm begeistert gewesen sein. Denn der bewegte sich so sicher auf allen möglichen musikalischen Gefilden: Von Rock á la Jimi Hendrix über die klassische Countrymusik und den Western Swing bis hin zum Country- und Folk-Rock. Kein Wunder, das er den Nr. 1-Country-Hit im Repertoire hatte. So klingt dann auch die Sahm/Dylan- Version ganz entspannt und angenehm.
Es ist also streng genommen kein Dylan-Song, den die BAB damals gespielt hat. Im Gegensatz zu „Wenn es Nacht wird in der Stadt“, das ein Cover von „Just Like Tom Thumb’s Blues“ ist und Titelstück der 1978 erschienenen zweiten Platte der Band.
Von „Is Anybody Goin‘ To San Antone“ gibt es jedenfalls noch eine ganze Reihe von Coverversionen, die es im Gegensatz zum BAB-Cover auf eine Platte geschafft haben. Es gibt Versionen u.a. von Otis Willlams, Ray Price, Mel Tillis, Buck Owens, Tanya Tucker und Truck Stop.
Die Version von Bernies Autobahn Band aber habe ich auch nach 40 Jahren immer im Ohr. Eine neue Cover-Version höre ich dann morgen. Denn da spielt die „TeXas House Band“ bei „Americana im Pädagog“ und hat wegen der Städtepartnerschaft einige San Antonio-Songs im Gepäck. Unglaublich, wie sich manchmal der Kreis schließt.
Schlagwörter: Bake Turner, Bob Dylan, Charley Pride, Doug Sahm, Marty Stuart, San Antonio
30. November 2017 um 9:21 pm |
Danke! Weiß nicht, ob sich ein Kreis geschlossen hat, kennen tue ich das auch, aber ich habe heute Abend erstmal „Wenn es Nacht wird in der Stadt“ und „Ohne Filter“ von BAB mehrfach gehört. Schallplatte. Fast verschüttet. In meiner damaligen Band haben wir versucht Stücke von BAB zu covern, das war nicht wirklich einfach, weil das exzellente Musiker waren/sind.