Archive for Juni 2024

„Sir“ Oliver Mally & Peter Schneider: Almost There

22. Juni 2024

Die beiden „Blues Brothers“ zelebrieren ein Hochamt des Genres

Ich muss bekennen ich bin kein ausgesprochener Blues-Apologet. Ich bin eher verwurzelt in Folk und Old Time Music aus der angelsächsischen Tradition. Wenn diese angereichert wird durch Bluestöne oder ein Künstler zwischen Folk, Blues, Country und Rock (Americana!) dann ist das mehr mein Fall als das reine Bluesschema.

Hochamt des Blues

Umso mehr begeisterte mich daher „Sir“ Oliver Mally bei seinen Gastspielen in der Darmstädter Americana-Reihe. Er spielt dermaßen variabel und humorvoll Blues und Folk und Bob Dylan, dass es eine reine Freude ist. Umso gespannter war ich auf das gemeinsame zweite Album „Almost There“, das der Österreicher Mally mit seinem „Bruder im Geiste“, dem Münchner Peter Schneider, nun vorgelegt hat. Und bei den ersten Tönen dachte ich mir noch „tatsächlich Bluesschema“ ehe mir Song für Song ein immer größer werdendes Lächeln ins Gesicht einprägte. Denn was die beiden Blues Brothers hier zu Gehör geben ist nicht mehr und weniger als ein Hochamt des Blues.

Musik als magischer Song

Denn der Blues ist nicht gleich Blues. Der archaische, schematische Blues des Delta hat einen leichtfüßig pickenden Verwandten in der Piedmont-Region der Appalachen, der eng mit dem Ragtime verbunden ist. Und es gibt den Texas-Blues, der im Original mit Jazz-Improvisationen angereichert war. Und den elektrifizierten Chicago Blues. Mit all dem – dem Erbe von Robert Johnson, B.B. King oder John Lee Hooker – gehen die beiden Protagonisten sehr souverän um. Sie spielen durchweg slow, aber so intensiv, tief und abwechslungsreich, dass es nie langweilig wird. Im Gegenteil: Die Chemie der beiden Musiker stimmt so sehr, dass die beiden uns mit ihrer Musik und ihren Geschichten zwischen Witz und Tragik hineinziehen in einen Sog, aus dem man am Ende gar nicht mehr heraus will.

Entschleunigte, knisternde Atmosphäre

Auf der Grundlage ihres Blueskönnens ergänzt Peter Schneider die Bluestöne und -Geschichten der beiden kongenial um die Instrumentierung mit Lapsteel, Dobro, Blues Harp, Baritone, Slide und Steelstring Gitarren. Es entsteht eine völlig entschleunigte, knisternde Atmosphäre. Und jeder Song wie der Titeltrack „Almost There“, „Lot’s Of Rain“ oder “Honeytrap Blues” ist eine kleine Pretiose. Und das ganze Album? Einfach magisch. Zwei Bluesmaster auf dem Zenit ihres Könnens!

Trackliste:

  1. Od’d
  2. Almost There
  3. Lots Of Rain
  4. Rain Fell Hard
  5. Spellbound
  6. Everybody Knows
  7. Good Clean Dirty Fun
  8. Honeytrap Blues
  9. This Road
  10. Milk & Honey

Da kommt was Neues, aber was?

22. Juni 2024

Outlaw Tour: Bob Dylans erhoffte neue Setlist ist da. Und was fangen wir damit jetzt an?

Alles haben es herbeigesehnt. Nachdem Bob Dylan konsequent seine Rough And Rowdy Ways-Tour von Herbst 2021 bis zum Frühjahr 2024 durchgezogen hat, ahnte und hoffe man in der Dylan-Welt, dass die Outlaw-Tour etwas Neues bringen möge. Und tatsächlich kam es so.

Jim Keltner neu, Donnie Herron nicht mehr dabei

So blieb der Wechsel des Drummers nicht die einzige Veränderung der Band. Statt John Pentecost war es in Alpharetta, Georgia, zum Tour-Auftakt, niemand anderes als Trommel-Veteran Jim Keltner, der die Stöcke schwang. Der mittlerweile 82-jährige bestätigte das Klassentreffen-Feeling dieser Tour. Nelson, Dylan, Keltner, Plant, Krauss, Mellencamp – die Leute haben so oft schon zusammengearbeitet, dass man beim zählen kaum nachkommt.

Nicht dabei zum Tour-Auftakt war Donnie Herron. Also kein Lap Steel, keine Mandoline, Geige oder Trompete. Schade, finde ich. Der trug viel zum Sound bei und war seit fast 20 Jahren, seit 2005 – fester Bestandteil der Band. Eine Veränderung, die sich nicht aufdrängte. Sollte es dabei bleiben, dann vielen Dank für deine tolle Musik, Donnie! Ansonsten das bekannte Personal mit Bob Britt, Doug Lancio an den Gitarren und Tony Garnier am Bass.

Slow aber niemals langweilig

Musikalisch ist es slow, aber eben nicht langweilig oder gar uninspiriert. Was man bislang gehört klingt gut, klingt aber auch nicht so, dass es nicht noch besser werden könnte. Dylans Stimme ist weiterhin richtig gut und besser als vor 30 Jahren. Es fallen die vielen Covers auf, das ist im Grunde die einzige Konstante zu den Konzerten im Frühjahr. Er zollt seinen Helden Tribut. Diesmal gibt es u.a. Songs von Little Walter, Chuck Berry und Hank Williams zu hören.

Wieder viele Cover

Seine eigenen Songs datieren fast ausschließlich aus den 2000er Jahren mit dem Schwerpunkt auf „Tempest“: „Pay In Blood“, Early Roman Kings“, „Scarlet Town“ und das immer wieder fantastische „Long And Wasted Years“, dem bestmöglichen Abschluss-Song eines Dylan-Konzertes. Diesmal noch schrofferer Endpunkt, weil keine Zugaben mehr folgten. „Things Have Changed“ ist wieder da, „Simple Twist Of Fate”, das irgendwie bei der RARW-Tour verloren ging, ebenfalls. Und er spielt „Under The Red Sky“, das er das letzte mal vor über zehn Jahren, im November 2013, gespielt hat.

Was bedeutet die neue Setlist?

Es ist also eine Setlist, die Fragen aufwirft, die erst mit den nächsten Konzerten (vielleicht) beantwortet werden können. Welcher Logik folgt die Auswahl seiner eigenen Songs? Es ist auf alle Fälle eine große Freude, den alten Bob weiterhin zuhören zu können. Wir wünschen Willie Nelson gute Besserung und hoffen, dass er gesund und fit nach der angekündigten kleinen Pause zurückkommt.

Erste Zwischenbilanz folgt Anfang Juli

Wir werden die Tour aufmerksam verfolgen und uns dann Anfang Juli an einer Bilanz des ersten Abschnitts versuchen. Augen- und Ohrenzeuginnen-Bericht inklusive. Stay tuned!

Setlist:

Alpharetta, Georgia, Ameris Bank Amphitheatre, 21. Juni 2024

1.         My Babe (Bob on piano) (song by Little Walter)

2.         Beyond Here Lies Nothin‘ (Bob on piano)

3.         Simple Twist Of Fate (Bob on piano)

4.         Little Queenie (Bob on piano) (song by Chuck Berry)

5.         Mr. Blue (Bob on piano) (song written by DeWayne Blackwell)

6.         Pay In Blood (Bob on piano)

7.         Cold Cold Heart (Bob on piano) (song written by Hank Williams)

8.         Early Roman Kings (Bob on piano)

9.         Under The Red Sky (Bob on piano)

10.       Things Have Changed (Bob on piano)

11.       The Fool (Bob on piano) (song written by Naomi Ford and Lee Hazlewood)

12.       Scarlet Town (Bob on piano)

13.       Long and Wasted Years (Bob on piano)

Rory sings “Mother of Muses”, sings “Murder Most Foul”

2. Juni 2024

Das Dylan-Cover-Album von Rory Block überrascht mit selten nachgespielten Dylan-Songs

Copyright: Stony Plain Records

Mich freut jedes Dylan-Cover-Album erstmal. Weil es immer schön ist, wenn Künstlern die Dylan-Songs so viel bedeuten, dass sie sie selber aufnehmen. Leider beschränken sich viele dabei auf das „Greatest Hits“-Material und die xte Version von „Mr. Tambourine Man“ oder „Blowin‘ In The Wind“ ist manchmal schon eine Herausforderung. Und das nicht nur für den Künstler.

Bei Rory Blocks neuem Album “Positively Fourth Street” (VÖ 27. Juni) hat mich daher die Tracklist sofort begeistert. „Ring Them Bells”, “Not Dark Yet” und die Krönung: “Mother Of Muses” und “Murder Most Foul”! Zwei der komplexesten Songs des ohnehin schon komplexen „Rough And Rowdy Ways“, das ist eine Ansage!

Blues-Veteranin

Ich kannte bislang keine Coverversionen des Songs abseits der Private Records manches Dylan-Fans. Die 74-jährige Rory Block ist eine Roots Music- und Blues-Veteranin, die mit Unterbrechungen seit fast 60 Jahren Musik macht und mit zahlreichen Preisen bedacht wurde. „Die wahrscheinlich hartnäckigsten und enthusiastischsten Anfragen meiner Fans nach etwas außerhalb des Blues-Genres waren die wiederholten Aufrufe, eine Hommage an Bob Dylan aufzunehmen. Wie bei allen meinen Aufnahmen sind es die Lieder, die mich am tiefsten bewegen und die mein Herz und meine Seele berühren, die ich aufnehme“, sagt Rory zum Album. Die Anfrage und ihre Umsetzung verwundern nicht, schätzt sie bekanntermaßen Dylan sehr und hat sie doch über die Jahre manch Tribute Album aufgenommen. Für Son House und Bukka White zum Beispiel.

Als wenn die „Mother Of Muses“ selbst zur Lyra greift

Nun also Dylan. Und mit das Beste an ihrem Album sind denn auch tatsächlich die beiden genannten Cover. Wenn Rory „Mother Of Muses“ spielt, dann ist es ein berührender Vortrag. Mit ihrer ehrlichen, vom Leben gegerbten Stimme macht sie sich den Song zu eigen, als wäre sie selbst die Muse, die in antiker Runde ein Lied auf der Lyra zum Besten gibt. Die Botschaft des Ursprungs aller Kunst und der Selbstreflektion über den eigenen Stand in der Welt der Künste wird hier zu ihrer ganz eigenen Auseinandersetzung. Faszinierend!

„Murder Most Foul“ – bewegend und berührend

Dafür, sich mit dem fast 17 Minuten langen – und dem damit längsten aller Dylan-Songs – „Murder Most Foul“ zu beschäftigen, ist schon alleine verdienstvoll. Ein langes Lied, das nie aus seiner Form ausbricht kann auch zu einer Stolperfalle der Langeweile werden. Nicht so bei Rory. Mit ihrer teilweisen schütteren Stimme schafft sie es genau, die Spannungsbögen und den doppelten Boden des Songs aufzubauen. Sie deklamiert den Song nicht, sie lebt und fühlt den Song. Wo Dylan mitunter mit altersweiser Distanziertheit singt, füttert sie den Song in ihrer Performance mit Gefühl und Emotion. Sie leidet an der Geschichte ebenso wie Dylan, aber sie ist nicht der alleswissende Erzähler, sondern erzählt, als hätte sie alles miterlebt. So wird der Song, der bei Dylan einen Sog darstellt, in dem eine Geschichte erzählt wird, der man voller Spannung atemlos folgt, bei ihr zu einem Parforce-Ritt, der berührt und bewegt und einem selber Kraft kostet. Kunst schmerzt mitunter und hier tut sie es und das ist auch gut so, denn so etwas wie Rory Blocks Version hört man selten. Absolut outstanding!

Ausführliche Besprechung demnächst auf country.de

Wie gesagt, Ende des Monats erscheint das Album. Leider ist bislang nur „Ring Them Bells“ vorab veröffentlicht worden, das aber nur unzureichend die große Qualität ihres Albums abbildet. Ob „Not Dark Yet“ oder „Everything Is Broken“, vieles übertrifft hier die durchaus sehr solide Coverversion des „Oh Mercy“-Stücks. Eine detaillierte Besprechung des neuen Longplayers von Rory Block erfolgt demnächst auf country.de.