Archive for März 2025

Die späte Entdeckung

23. März 2025

„Blood On The Tracks“ lief lange Zeit unter meinem Radar, jetzt wird in Bensheim der 50. Geburtstag gefeiert

In Singapur erschien die Platte mit blauem Cover, Copyright: Columbia Records

Wer mich kennt, weiß dass ich „Hurricane“ und „Desire“ damals zu Dylan gekommen bin. Die „Greatest Hits“ und „Hard Rain“ folgten, dann „Budokan“ und dann war ich mit „Slow Train Coming“ und „Saved“ etwas am Zweifeln, ehe „Shot Of Love“ und mein erstes Dylan-Konzert in Mannheim 1981 meine Begeisterung wieder befeuerten. Aber „Blood On The Tracks“ blieb mir in meiner Dylan-Anfangszeit merkwürdigerweise etwas verborgen. Die BOTT-Songs „Simple Twist Of Fate“, „Idiot Wind“, “Shelter From The Storm” und “You’re A Big Girl Now” kannte ich von den Live-Fassungen auf „Hard Rain“ und „Budokan“. Diese Versionen gruben sich bei mir fest.

Erst im zweiten Anlauf wird es gut

Erst später habe ich mir das Album zugelegt und es schätzen gelernt. Bob Dylan war selten so konzentriert und direkt, Stimme, Gitarrenspiel und Mundharmonika auf den Punkt. Und seine Lyrik so greifbar und geradeaus. Und noch später habe ich erfahren, dass das Album in zwei völlig unterschiedlichen Sessions in New York und Minnesota entstanden ist. Dass Dylan und sein Umfeld nach der Testpressung nicht zufrieden waren. Dabei verschliss Dylan schon während der New Yorker Sessions einige Musiker, weil sie seinem Tempo nicht gewachsen waren.

Auch das ein Zeichen dafür, dass diese Songs aus ihm raus mussten und er ganz genau darauf achtete, dass dies nach seiner Fasson passierte. In Minnesota rekrutierten und er und sein Bruder David, örtliche Musiker und spielten ein Großteil der Platte neu ein. Nun klang es nicht mehr so körnig und trocken, sondern die Melodien wirkten beschwingter und linderten den Schmerz, der sich unweigerlich bei den traurigen Liedern einstellt.

Songs bis heute im Gepäck

Dylan selbst verhielt sich nach der Veröffentlichung seines ersten Meisterwerks nach der Mittsechziger-Trilogie wie üblich recht ambivalent. Mal sagte er, hier ginge es nicht um seine Trennungsgeschichte, sondern die Songs basierten auf Geschichten von Tschechow, mal äußerte er seine Überraschung darüber, dass ein Album mit solch schmerzvollen Songs beim Publikum so erfolgreich war.

Einige Songs aber von „Blood on The Tracks“, die hat er danach immer wieder live gespielt. „Tangled Up In Blue“, „Shelter From The Storm“ und „Simple Twist Of Fate” sind bis heute immer wieder mal im Repertoire. Dauerbrenner war über viele Jahre “Tangled Up In Blue”. Das hat er 1685-mal gespielt, zuletzt am 20. August 2018. „Simple Twist Of Fate immerhin 829-mal, zuletzt am 17. September letzten Jahres. Und „Shelter From The Storm“ „nur“ 376-mal, zuletzt am 16. Juli 2015.

Veranstaltung feiert „50 Jahre Blood On The Tracks“

Am 20. Januar jährte sich die Veröffentlichung des Albums zum 50. Mal. Grund genug für Martin Grieben, Frank Willi Schmidt und mich, das Jubiäum mit einem eigenen Programm zu feiern, das wir am Donnerstag, 3. April, im Bensheimer PiPaPo-Kellertheater auf die Bühne bringen werden. Es gibt viele interessante Geschichten rund um dieses Album zu erzählen und die Songs sind ja sowieso zeitlos gut.

Infos und Tickets zur Veranstaltung gibt es hier: https://pipapo-kellertheater.de/bott-2/

Bob Dylans nie gedrehter Western

11. März 2025

Der Solitär auf Blood On The Tracks: Lily, Rosemary and the Jack of Hearts

The Jack of Hearts

Es liest sich wie die Vorlage für einen Western. Alle Zutaten sind drin. Ein Reicher, Big Jim, dem die Diamantenmine und damit die Stadt gehört. Seine traurige Ehefrau Rosemarie, seine langjährige Geliebte Lily und der gut aussehende Outlaw, der Jack of Hearts“, den beide Frauen anschmachten. Falsche Liebe, verzweifelte Liebe, vergangene Liebe. Ehe und Affäre – beides genauso traurig und verhängnisvoll. Alkohol und Gewalt. Saloon und Kartenspiel. Mord, Tod und Hinrichtung. Am Ende die Bank geknackt und der Jack of Hearts ist über alle Berge. Der Reiche ist tot, die Ehefrau hingerichtet und die Geliebte, die schon eine schwere Kindheit hatte, endgültig zerbrochen.

Wie ein Western von John Ford

„Lily, Rosemary and the Jack of Hearts“: Wow – was für ein Stoff. Daraus hätten John Ford oder Anthony Mann oder vielleicht auch Sergio Leone einen klassischen Western gemacht. Alle Figuren sind gebrochen und der erfolgreiche Minenbesitzer stirbt am Ende. Doch die Gerechtigkeit siegt nicht. Der Outlaw triumphiert und lässt die Frauen verloren zurück. Die eine zerbrochen, die andere tot.

Und tatsächlich geht es um Eigentum, Besitz und Recht. Auch eine Art Parabel. Der Reiche der sich Gefälligkeiten und Frauen kaufen kann. Der eine konventionelle Ehe vortäuscht, die aber nur als Bild nach außen funktioniert, nach innen ist sie ein Gefängnis für die Ehefrau im goldenen Käfig. Am Ende wird Recht gesprochen. Ob das Urteil die Richtige trifft, bleibt unklar.

Der Richter, der dafür bekannt ist, mit dem Aufhängen schnell zu sein, ist auch keine wirkliche Respektsperson. Er ist selber ein zwielichtiger Säufer. So bleibt das Gesetz des Westens ein Gesetz des Dschungels. Zwar sind formal alle Positionen eines angeblichen Rechtsstaates besetzt. Doch es herrscht das Recht des Stärkeren und so mancher Würdenträger ist eine nichtsnutzige Marionette.

Aber so sind die Sitten im wilden Westen. Wobei wenn man es sich recht überlegt, feiern diese Wild-West-Manieren in Amerika ja gerade wieder eine Renaissance.

Ein Song, der aus dem Rahmen fällt

Wie auch immer fällt dieser Song aus dem Rahmen von „Bood On The Tracks“. Dylans Trennungsalbum, Dylans Schmerzensalbum. Er ist eine fiktive Geschichte, der allwissende Erzähler ersetzt den Ich-Erzähler. Wobei Dylan ist ja eigentlich gar kein Storyteller, sondern ein Maler. Er malt die Geschichten. Es gibt Songs, die funktionieren wie Skizzen, ein paar andeutende Federstrich und jeder liest eine (andere) Geschichte daraus. Andere funktionieren wie ein großes Gemälde eines alten Meisters, ein Panoramabild, in dem unheimlich viel an allen Orten auf der Leinwand gleichzeitig passiert.

Zudem war er ja auf Blood On The Tracks ja noch direkt von Norman Raeben beeinflusst. „Tangled Up In Blue“ erzählt die Geschichte nicht straight forward. Schauplätze, Zeiten, Perspektiven wechseln und springen hin und her. Auf der nächsten Platte, „Desire“, da schuf er Songs, die straight forward erzählt werden und daher wie ein Filmplot wirken: „Hurricane“, „Joey“, „Black Diamond Bay“, „Romance In Durango“. „Lily, Rosemarie and the Jack of Hearts“ nimmt das schon vorweg. Ohne den Off Broadway-Regisseur Jaques Levy als Co-Texter.

Zwischen den vielen traurigen inneren Monologen auf „Blood On The Tracks“ wirkt unser Song wie ein Solitär. Irgendwie aus dem Rahmen gefallen. Engagierter, treibender Gesang, schmissige Musik. Vielleicht hält dieser Song, weil er aus dem Rahmen fällt, den Rest zusammen. Als Fixpunkt, als notwendiges Erholungsreservoir zwischen all dem aufwühlenden emotionalen, selbstbezogenem Songwriting der anderen Lieder. Für den Hörenden wie für den Sänger gleichermaßen. Gerade weil er quer zu den anderen Songs liegt, gehört er dazu. Ohne ihn wäre die Platte inhaltlich zugespitzter. Aber musikalisch ärmer.

50 Jahre Blood On The Tracks. Ein Bob Dylan-Abend, Copyright: PiPaPo

50 Jahre Blood On The Tracks – Ein Bob Dylan-Abend

Auch bei diesem Abend am 3. April im Bensheimer PiPaPo-Kellertheater mit Songs und Geschichten rund um das Album, gesungen, gespielt und erzählt von Martin Grieben, Frank Willi Schmidt und Thomas Waldherr kommt der Song oder besser gesagt die Geschichte, die darin erzählt wird und die Funktion, die der Song auf der Platte hat, natürlich vor.

Infos und Tickets: http://www.pipapo-kellertheater.de/bott-2/

Joan Osborne veröffentlicht Live-Album mit Dylan-Songs

2. März 2025

„Dylanology live“ erscheint im April

Und erneut legt eine Frau ein großartiges Dylan-Cover-Album vor. Nachdem in den letzten Jahren u.a. Bettye LaVette, Chrissie Hynde, Lucinda Willams und Rory Block hier brilliert haben, veröffentlicht Joan Osborne demnächst mit „Dylanology live“ bereits ihr zweites Werk mit Dylan-Songs.

Copyright: Womanly Hips Records

Welterfolg mit „One Of Us””

Es wäre schon gemein, würde man Joan Osborne als „One Hit Wonder“ bezeichnen. In den 1990ern wurde sie weltbekannt mit dem Pop-Hit „One Of Us“. Bestätigen konnte sie den großen Erfolg aber nicht. Was ihr aber wenig ausmachte. Denn die mittlerweile 62-jährige ist eigentlich eine Blues- und Folksängerin, die als Live-Künstlerin in den USA unermüdlich seit gut 25 Jahren auf Konzerttour ist, auch wenn sie in der großen Öffentlichkeit nicht mehr so richtig wahrgenommen wird.

Immer wieder aber beschäftigte sie sich in ihrer Karriere mit der Musik von Bob Dylan. So hatte sie auf ihrem 1996er Erfolgsalbum „Relish“ eine Version von Dylans „Man In The Long Black Coat“, auf ihrem zweiten Album befindet sich eine Version von „Make You Feel My Love“. 1998 nahm sie zusammen mit Dylan eine Version von „Chimes Of Freedom“ für eine TV-Serie über die 1960er Jahre auf, und sie sang sogar schon mal mit ihm auf der Bühne während einer US-Tour mit den Grateful Dead.

Immer wieder Bob Dylan

Dabei ist Joan Osborne nach eigenen Angaben nie ein unkritischer Super-Fan gewesen. So manche Songs gefielen ihr nicht, weil da „ein Hauch von Frauenfeindlichkeit mitschwingt“, sagte sie der Dylan-Website „Flagging Down the Double E’s“. Aber sie kam zu dem Schluss: „Ich wollte großartige Songs hören und ich wollte lernen, wie man Songs schreibt, und was das angeht, ist er eine der Ikonen des 20. Jahrhunderts. Ihn also einfach wegen dieser Handvoll Songs, die ich ein wenig hässlich fand, von vornherein abzulehnen, war es meiner Meinung nach einfach nicht wert…Ich hatte einfach das Gefühl, ich würde mir ins eigene Fleisch schneiden, wenn ich ihm wegen des hässlichen Beigeschmacks einiger Songs überhaupt nicht mehr zuhörte.“

So war es nur eine Frage der Zeit, bis sie ihr ersten Dylan-Album veröffentlichte. 2017 nahm Joan Osborne dann das von Kritikern gefeierte Album „Songs of Bob Dylan“ auf. Es war das Ergebnis eines längeren Prozesses. Sie wollte ein Album mit Songs von ihr wichtigen Singer-Songwritern aufnehmen. Als sie dann für ein Programm in einem New Yorker Kabarett-Theater angesprochen wurde, wollte sie dort nicht ihre Songs spielen, sondern die eines großen Vorbildes. Sie dachte über Leonard Cohen nach, sie dachte über Lou Reed nach. Doch es sollte Bob Dylan werden. Das war der Anfang des „Songs of Bob Dylan“-Projektes. Es wurde ein erfolgreiches Projekt. Jetzt, acht Jahre nach dieser Studioaufnahme erscheinen nun in Kürze Live-Mitschnitte, die zeigen wie toll ihre Live-Interpretationen sind, wie ihre Songversionen Leidenschaft, Emotionen und Energie ausstrahlen.

Dylanology live“ als Album und on Tour

Joan Osborne veröffentlicht „Dylanology Live“ am 25. April über Womanly Hips Records. Die Aufnahme enthält acht Darbietungen von Bob Dylan-Songs, die von der Grammy-nominierten Sängerin ausgewählt wurden, mit den besonderen Gästen Amy Helm, Jackie Greene und Robert Randolph. Zu den Songs gehören „Spanish Harlem Incident“, „Buckets Of Rain“, „Masters Of War“, „Tonight I’ll Be Staying Here With You“ und „High Water (For Charley Patton)“.

Osborne hat neue Tourdaten und die erste Etappe der kommenden Dylanology-Tour angekündigt. Bei den Dylanology-Terminen werden Nicki Bluhm, Gail Ann Dorsey (David Bowie), Cindy Cashdollar (Bob Dylan, Van Morrison) und Anders Osborne als besondere Gäste dabei sein.