Archive for Juni 2025

Vor 40 Jahren: Bob Dylan goes Kirmestechno

20. Juni 2025

1985 erschien das über- und totproduzierte Album „Empire Burlesque“. Erinnerungen und Nachbetrachtungen

Copyright: Sony Music

Am 10. Juni 1985 erschien „Empire Burlesque“, das 23. Studioalbum von Bob Dylan. Es wird bis beute als Beginn der Dylan’schen Schwächeperiode in den 1980ern Jahren bewertet. Auch ich habe damals gehadert mit dem Album, ohne zu wissen, dass es 1986 mit „Knocked Out Loaded“ und 1988 mit „Down In The Groove“ noch schlimmer kommen sollte.

In der Erinnerung hatte ich damals noch das starke Infidels-Album, dass seine Rückkehr aus der evangelikalen Falle markierte und die letztlich erfolgreiche Europa-Tour 1984, die ich wegen anderer Prioritätensetzung leider nicht miterlebt habe, die ich aber später mittels der wunderbaren „Radio-Robertage“ von Günter Amend mit dem Titel „Reunion Sundown“ nachverfolgen konnte.

Dylan im Popsänger-Gewand

Die Spannung und Vorfreude waren also durchaus groß. Aber schon das Cover sollte eine Warnung sein. Dylan sah aus wie ein Popsänger. Schicker Anzug, gekünstelte Haltung. Ganz anders das Back-Cover-Foto. Dylan in seiner Bühnenkleidung von 1984 mit einer unbekannten Schönheit. Einer Frau, mit der er damals wohl eine Zeit lang ging und die nicht aus dem Musikbusiness stammt. Die ihm wohl so wichtig war, dass ein Foto mit ihr auch im Booklet der ebenfalls 1985 erschienen Karriere-Retrospektive „Biograph“ erschienen ist. Das Geheimnis ihres Namens ist nach meinen Quellen bisher nicht gelüftet worden. Oder gibt es neuere Hinweise? Da ich keine Bücher von Clinton Heylin lese, dem Bob Dylan-Gossip-Schnüffler, könnte ich da was verpasst haben.

Wie auch immer. Die Musik hinterließ mich mit gemischten Gefühlen. Die Melodien blieben allesamt im Ohr, waren unterscheidbar. Auch das zeichnet Dylan für mich immer aus. Die Texte waren jedoch außer „Clean Cut Kid“, dem Song über einen Vietnamkriegsveteranen, und dem recht faden „Trust Yourself allesamt in irgendeiner Form Love Songs. Textlich nicht aufregend. Wie später herausgefunden wurde, hat Dylan wohl persönlichere Lyrics durch Filmzitate ersetzt. Typisch für den alten Geheimniskrämer, der das „Montieren“ von Songtexten in den 2000er Jahren dann zur Perfektion bringen sollte.

Kaputt produziert, aber auch ein paar Lichtblicke

Die Unbekannte (?) mit Bob Dylan, Copyright: Sony Music

Und dann eben kaputt produziert: „Never Gonna Be The Same Again“, „When The Night Comes Falling From The Sky” (ganz schlimm!) oder “Something’s Burning Baby”. Da geben sich Synthesizer und Drum-Computer ein böses Stelldichein. Selbst der ehrliche Rocker „Clean Cut Kid“ wird durch die völlig verunglückte Produktion von Arthur Baker massakriert.

Drei Songs aber sind mit denn noch im Kopf und im Herz geblieben. „I’ll Remember You“ ist für dieses Album überraschend zurückhaltend produziert und entfaltet daher seine Wirkung. „Emotionally Yours“ ist einfach unwiderstehlich. Man merkt, dass es an einen konkreten Menschen (in diesem Fall Elisabeth Taylor) gerichtet ist. Und natürlich „Dark Eyes“. Der schönste Song des Albums, weil die Lyrik besticht und alles nur mit Gitarre und Mundharmonika vorgetragen wird. Unvergessen die magisch-knisternde Duett-Performance zusammen mit Patti Smith 1995.

Erst später sollte man durch Outtakes und Alternate Versions („Springtime in New York“) hören können, wie das Album hätte auch klingen können. Schade wieder einmal, dass Dylan sich hier falsch entschieden hatte. „New Danville Girl“ wurde gar nicht auf die Platte genommen, erschien erst ein Jahr später auf dem unmotivierten „Knocked Out Loaded“ in einer anderen Fassung als „Brownsville Girl“: Der tolle Song ging damit leider unter. Zum Album erschienen auch zwei Videos, die sich dem Niveau der Platte anpassten und hier unten zu sehen sind. Einmal spielt Dylan unter der Regie von Paul Schrader zu „Tight Connection To My Heart“ in einer Geschichte, die auch „Lost in Japan“ heißen könnte. Und dann lässt er sich von seinem Freund Dave Stewart zum Song „When The Night Comes Falling From The Sky“ als Rockstar in Tourbus und beim Konzert im kleinen Club inszenieren.

1985 aber folgte noch der desaströse Auftritt Dylans bei Live Aid am 13. Juli und die Rehabilitierung Dylans durch seinen ersten Auftritt mit Tom Petty & The Heartbreakers bei Farm Aid. Zweischneidig war dagegen die Veröffentlichung von „Biograph“. Inmitten einer künstlerischen Krise eine Karriere-Retrospektive zu veröffentlichen, macht die Fallhöhe nur um so deutlicher. Grundsätzlich freute man sich aber über diese Zusammenstellung, die ja auch bisher unveröffentlichtes Material enthielt.

Dylan goes Miami Vice, Copyright: Sony Music

Erst Ende der 1980er steigt Dylans Form wieder an

Die 1980er sollten aber für Dylan-Fans noch weitere Prüfungen vorsehen. So musste ich nach dem Live-Aid-Desaster, das ich live am TV verfolgte auch noch das völlig uninspirierte Konzert 1987 in der halbleeren Frankfurter Festhalle erleiden. Anschließend war ich soweit von Dylan entfernt, dass ich von der Veröfffentlichung von „Down In The Groove“ 1988 erst zufällig während eines Bildungsurlaubes in Luxemburg erfuhr.

Aber mit den Traveling Wilburys, „Oh Mercy“ und „Under The Red Sky” hatte mich Dylan schnell wieder. Und mit dem Offenbacher Konzert 1991 begann dann für mich eine ganz neue Dylan-Zeitrechnung. Doch das ist eine ganz andere Geschichte.