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Die ganz frühen Jahre

6. September 2025

Folge 18 der Bootleg Series beschäftigt sich mit Dylans ganz jungen Jahren. Damit ist aber nur eine Lücke der Werkausgabe geschlossen, andere bleiben.

Copyright: Sony Music

Bei jeder Tourankündigung die Bob Dylan derzeit macht, rätseln alle: „Wird es seine letzte sein?“ Den Live-Künstler Bob Dylan könnten wir schon bald verlieren bzw. vielleicht gibt er nur noch wenige ausgewählte Konzerte. Der kreative Kopf ist aber scheinbar rege und produktiv wie gewohnt. Ein neues Buch mit Zeichnungen erscheint im Herbst, hier und da geht er ins Studio und wahrscheinlich ist sein Notizbuch voller halbfertiger oder bei Seite gelegter Songideen.

Zurück zu den Anfängen

Dass jetzt, während er auf die 85 zugeht, in diesem Jahr gleich zwei Filme über seine Frühzeit erschienen sind und die nächste Ausgabe der Bootleg Series sich mit den ganz frühen Jahren 1956 bis 1963 befasst, passt aber zu dem oben skizzierten Gedanken der Endlichkeit, bei der man sich wieder auf die Ursprünge besinnt. So wie Dylan selbst, der gerade zum Tour-Auftakt in Bangor, Maine mit „Masters Of War“, „To Ramona“ und „Don’t Think Twice“ ganz alte Werke rausholt. Dass „Masters Of War“ dabei als Statement zur Weltlage gesehen wird? War die Weltlage je anders? Ja und Nein. Abgesehen von Europa bis zu den Balkankriegen war seit dem 2. Weltkrieg irgendwo immer Krieg. Aber: Die Kriege sind nähergekommen (Ukraine), werden scheinbar von allen beteiligten Seiten immer rücksichtloser geführt (Hamas/Netanjahu-Regierung) bzw. führt Trump schon eine Art Krieg in eigenem Land gegen Migranten und gegen demokratische Städte und schafft wieder ein Kriegsministerium. Und hätte dafür dann gerne den Friedensnobelpreis? Unter diesen Bedingungen ist „Masters Of War“ dann tatsächlich ein Statement. Und ist genauso aktuell wie alle seine Protestsongs heute noch – oder wieder – aktuell sind.

Bei der Bootleg Series Vol. 18 hinterfragt man natürlich die Qualiät der Aufnahmen. Wir kennen ja die Hotel- und Partytapes der frühen Jahre. Jetzt auch die Highschool-Tapes? Die Probenkeller-Tapes? Und sein allererstes Solokonzert auf der Sommerlager-Hütte ist auch dabei? Man sagt, dieses Projekt sei für Dylans rechte Hand Jeff Rosen ein Herzensanliegen. Und in der Tat: Editorisch ist das genau die Lücke. Man hat den Musiker Dylan damit bis zu seinen Anfängen zurückverfolgt. Ob das jetzt Schlüsse auf seine spätere künstlerische Entwicklung zulässt? Wir werden sehen.

Wer hat die Liner Notes geschrieben?

Es bleibt zu wünschen, dass ein kluger Kopf – Greil Marcus, Elijah Waldo, Rosen selbst? – mit den Liner Notes beauftragt worden ist und nicht Schlüssellochgucker Clinton Heylin. Wenn das gewährleistet und das Ganze einigermaßen hörbar, dann noch optisch gut und wertig verpackt ist, dann kann man sich wirklich freuen. Auf das ganze Werk. Aber auch unter einem anderen Aspekt: Schließlich stand das Ding irgendwie jahrelang da wie der sprichwörtliche Elefant im Raum. Wenn das mal erledigt ist, kann man sich endlich wieder anderem zuwenden.

Wir warten immer noch auf die Veröffentlichung von Live-Musik der jüngeren Touren oder gar ein Box-Set, das einen schönen Überblick über die Touren seit 1988 gibt. Dass Dylans letztes Live-Album – außer dem Sonderaufgebot an Stars vom Madison Square Garden 1992 – das uninspirierte Genöhle und Gefuddel mit Grateful Dead ist (ich weiß, dass mir jetzt einige böse sind) – ruft bei mir immer noch große Schmerzen hervor. Die tollen 1986er Konzerte mit Tom Petty harren auch immer noch einer offiziellen Veröffentlichung. Außer dem Australien Konzertfilm „Hard To Handle“ ist da nie was erschienen.

Wir hätten da noch ein paar Wünsche

Also schauen wir mal was jetzt kommt. Dass die Bootleg Series Vol. 18 die Reihe abschließen wird, ist schwer vorstellbar. Da ist einfach noch zu viel da. Und es kommt ja auch immer noch weiteres hinzu. Wobei wir wieder in der anfangs gestellten Frage wären. Und die lässt sich aus Jahrzehnten Bob-Watching einfach nicht zwingend und klar beantworten. Stay tuned!