Happy Birthday, Mr. Chronicles!

24. Mai 2025

Bob Dylan ist mit jetzt 84 Jahren weiterhin als Outlaw unterwegs, singt zusammen mit Barbra Streisand und spricht bald durch die Stimme von Sean Penn/ Geburtstagsfeier am 29. Mai in Darmstadt

Foto: Sony Music, William Claxton

Als 17-jähriger denkt man nicht viel über die Zukunft nach. Der Oberstufenschüler aus Darmstadt, der diesen Bob Dylan an einem nassen Julitag 1981 erstmals im Mannheimer Eisstadion live auf einer Konzertbühne sah, freute sich damals noch über den gerade ein paar Wochen zurückliegenden zweiten Bundesligaaufstieg seiner Lilien und dachte im Voraus höchstens an die neue Spielzeit und das nächste Schuljahr. Aber wenn ihm damals jemand gesagt hätte, dass fast 45 Jahre später dieser kleine, zierliche Mann, wegen dem der Schüler nach Mannheim gekommen war, immer noch auf den Bühnen unterwegs sein würde, hätte ihn das sicherlich auch überrascht oder vielleicht hätte er es schlichtweg nicht geglaubt.

Der Film

Seit fast 50 Jahren bin ich nun dem großen Enigma Bob Dylan auf der Spur. Und immer wieder, wenn man denkt, jetzt kommt nix mehr, gibt es ungeahnte Wendungen. In diesem Jahr war es bislang das Dylan-Biopic „Like A Complete Unknown“, dass das Thema wieder neu aufflammen ließ. Nun ist der Film aus den Kinos, bei den Oscars leer ausgegangen und damit völlig unterbewertet. Dass er nun in Sonderveranstaltungen und auf Sommer-Filmfestivals läuft spricht für seine Qualität und das ungebrochene Publikumsinteresse.

Das (Hör-)Buch

Doch nach der opulenten Visualisierung der Dylan’schen Frühzeit steht nun das Gegenteil ins Haus. Ein intimes Hörbuch. Denn Sean Penn lieferte den perfekten Spoiler. Er würde in Kürze die „Chronicles Volume Two“ einlesen, erwähnt er in einem Interview unaufgefortdert. Wow! Der Hammer! Mehr als 20 Jahre nach „Chronicles Volume One“ liefert uns Dylan die Fortsetzung seiner „half true, half fiction“-Erzählung über Stationen seines Lebens. Wir dürfen gespannt sein, welche das diesmal sind. Und vor allem, wann das Buch, das die Vorlage des erwähnten Hörbuchs ist, denn wirklich erscheint.

Das Duett

Doch damit nicht genug. Am 27. Juni veröffentlicht Barbra Streisand das Album „The Secret Of Life: Partners, Volume 2“. In der Sammlung von Duetten ist auch eines mit Bob Dylan dabei. „The Very Thought Of You“. Wieder so ein Stück des „Great American Songbook”, das so unterschiedliche Künstler wie Bing Crosby und Billie Holiday, Doris Day und Nat King Cole aufgenommen haben. Nun also Bob & Barbra. Dylan soll angeblich sein „Lay, Lady, Lay“ für sie geschrieben haben. Wer weiß?

Die Tour…und das Album?

Und Dylan ist weiter unterwegs. Heute, am 24. Mai, an seinem Geburtstag, wird er in Ridgefield, Washington, im Rahmen von Willie Nelsons Outlaw-Tour konzertieren. Unglaublich! Zum Glück aller Dylan-Fans und Dylanologen fehlt jetzt nur noch ein Album mit neuen Originalsongs oder eine Bootleg-Series-Ausgabe von der Never Ending Tour. Doch wir wollen ja nicht maßlos sein. Außerdem muss man immer ein Ziel vor Augen haben.

Das dritte Buch über Dylan

Das hat auch der mittlerweile 61 Jahre alte ehemalige Oberstufenschüler aus Darmstadt. Sein schon länger angekündigtes, drittes Bob Dylan-Buch soll ja Bezug nehmen auf dieses Konzert von 1981. Realistischerweise wird es im kommenden Herbst/Winter finalisiert. 2026 sind es dann 45 Jahre seit der Mannheimer Konzert-Premiere. Das Buch im kommenden Jahr herauszubringen ist ein guter Plan, denke ich.

Die Darmstädter Geburtstagsfeier

Peter Schneider & „Sir“ Oliver Mally spielen am 29. Mai in Darmstadt die Songs von Bob Dylan, Foto: Violeta Lenz

Natürlich feiert auch der Schreiber dieser Zeilen in Darmstadt Bob Dylans 84. Geburtstag. Am kommenden Donnerstag, 29. Mai, spielen „Sir“ Oliver Mally und Peter Schneider die Songs des Meisters im Rahmen meiner Darmstädter Americana-Reihe. Jetzt Tickets sichern unter: www.knabenschule.de

Bobby & The Popes

9. Mai 2025

Dylan und die Päpste. Anmerkungen anlässlich der Wahl des neuen Papstes

Bob Dylan, Copyright: Sony Music

Ich bin schon mit etwa 19 oder 20 Jahren aus der Kirche ausgetreten, aber wie das so ist. So ganz lösen kann man sich Katholizismus nicht. Und bis Wojtyla war es ja auch ganz okay. Der progressive Aufbruch durch Johannes XXIII., der auch von Paul VI. fortgesetzt wurde. Wie progressiv Katholizismus sein kann, habe ich im Religionsunterricht in Grundschule und Gymnasium sowie im Kommunionsunterricht gelernt. Doch dann kam nach dem kurzen Interregnum durch Johannes Paul I., dem „lächelnden Papst“, der nach nur 33 Tagen unter mysteriösen Umständen starb, eben Karol Wojtyla alias Johannes Paul II. Doch während Johannes Paul I. sich wirklich inhaltlich auf seine Vorgänger beziehen wollte, war Wojtylas Namenwahl ein Etikettenschwindel. Der polnische Anti-Kommunist war die kirchliche Entsprechung des neokonservativen Zeitgeists eines Ronald Reagan, einer Maggie Thatcher oder eines Helmut Kohls. Dabei konservativ auf populäre, nicht auf elitäre Weise. So dass Karol Wojtyla von vielen gar als „Menschenfischer“ gesehen wurde. Dabei war er es, der 1985 dem Befreiungstheologen und sozialistischen Politiker Ernesto Cardenal das Priesteramt entzog.

In solchen Fragen war Wojtyla stramm rechts. Kein Wunder, denn seine rechte Hand in Sachen Kirchenpolitik war schließlich der rechtsabgedrehte klerikal-autoritäre Kardinal Josef Ratzinger, oder auch „Ratz-Spatzl“ genannt. Jedenfalls vom legendär-schrägen bayerischen Musiker Georg Ringsgwandl. Der übrigens – und so langsam tasten wir uns zu Bob Dylan vor – die schönste Coverversion von „Gotta Serve Somebody“ ever geschrieben hat. „Nix Mitnemma“ ist im Gegensatz zum devoten und servilen Bob-Original wunderbar subversiv. Und gefällt mir auch besser als das Original. Sorry, hier kann ich aus meinem Herzen keine Mördergrube machen.

Johannes Paul II. Copyright: Wikimedia Commons

Die Päpste in Bob Dylans Werk: Fundstellen

Dieser Bob Dylan ist gläubiger Mensch und das darf er auch sein. Umso schöner, dass seine eifernden Predigen über den Gott der Rache lange, lange vorbei sind und er heutzutage ganz weise, seine Gottesliebe in feiner Lyrik in seine Songs einfließen lässt. Der Papst war tatsächlich immer wieder mal ein Thema in seinem Oeuvre. So kann man die Zeile „You know, it’s not even safe no more In the palace of the Pope” von “Infidels” 1983 durchaus als durch den Tod Johannes Paul I. inspiriert ansehen. Die zwei Attentate binnen eines Jahres auf Johannes Paul II. waren es wohl eher nicht, denn die fanden außerhalb des Papstpalastes statt. In Bob Dylan’s 115th Dream tritt er selbst als „Pope of Eruke“ auf und im Song „In The Garden“ wird Petrus genannt, der immerhin später als erster Papst angesehen wurde.

Offensichtlichste Verbindung Dylans zum Papsttum ist natürlich sein Auftritt vor Johannes Paul II. beim Eucharistischen Weltkongress 1997 in Bologna. Der „Menschenfischer“ wusste, wie er Dylans Bedeutung für diese gemeinsam theologische Selbstverständigung von Geistlichen, Ordensleuten und Laien nutzen konnte. Ganz anders „Ratzl-Spatzl“. Der weltfremde Dogmatiker hatte keinerlei Beziehung zur populären Musik und rieb sich an Dylans Image als progressive Leitfigur.

Dylan spielt vor dem Papst und Ratzinger wollte es verhindern

„‚Es gab Gründe, skeptisch zu sein und das war ich‘, schreibt Papst Benedikt XVI. in seinem Buch Johannes Paul II: Mein geliebter Vorgänger. 1997 heißt Benedikt noch Joseph Ratzinger und ist Kardinal. „In gewisser Weise bin ich auch heute [2007] noch skeptisch.“ So äußert der Rockmusikhasser in dem Buch seine Zweifel darüber, ob es richtig gewesen sei, den „sogenannten Propheten“ Dylan auf die Bühne zu lassen. 1997 möchte Kardinal Ratzinger das Konzert sogar aktiv verhindern und spricht sich gegen Dylans Auftritt aus. Zum Glück hat er damals noch nicht allzu viel zu sagen — und zum Glück sieht der amtierende Papst das Ganze ein wenig anders.“ (Timon Menge im Magazin The Circle“). Dylan greift das scheinbar einige Jahre später im Song „False Prophet“ auf.

Bob & Bob: Kirchen-Papst und Songwriter-Papst

Leo XIV. Copyright: Wikimedia Commons

Und jetzt also der erste amerikanische Papst. Und was für einer! Leo XIV. ist ein fortschrittlicher, weltoffener und an der katholischen Soziallehre orientierter Geistlicher. Robert F. Prevost stammt einer katholischen Familie mit französischen, italienischen, spanischen und kreolischen Wurzeln. Und besitzt neben der US-amerikanischen auch die peruanische Staatbürgerschaft. Steht also für das Amerika, das Trump eliminieren will. Schwierige Sache für „the orange brain“. Er und Vance geben nach außen ihre Freude über den Landsmann kund, in der MAGA-Bewegung aber knirscht es. Ein linker Marxist, der schon Trump und Vance kritisiert hätte, heißt es sinngemäß in den entsprechenden Kanälen. Diese Wahl war auch ein Zeichen der katholischen Kirche gegen die unchristliche Politik des MAGA-Amerika.

Zum Tod von Franziskus zirkuliert eine Aussage von Dylan, deren Echtheit umstritten ist. Wird er sich zu seinem Vornamensvetter Robert, der ja von seinen Freunden nur Bob genannt wurde, äußern? Und wird Leo XIV. den größten lebenden amerikanischen Künstler in irgendeiner Form würdigen? Wir werden sehen und freuen uns über einen Papst, der ein amerikanischer Gegenentwurf zum dreisten Donald ist.

Suzanne & Bob

1. Mai 2025

Eine Fortsetzung ihrer lebenslangen Dylan-Geschichte: Suzanne Vegas „I Want You“-Spin Off „Chambermaid

Suzanne Vega, Foto: Wikimedia Commons

Im Frühjahr 1987 war Dylan eigentlich fast schon ein „Has Been“. Hierzulande war noch sein desaströser Auftritt beim Live Aid-Festival 1985 in unguter Erinnerung. Weder seine Rehabilitation beim Farm Aid noch seine triumphalen Touren 1986 mit Tom Petty & The Heartbreakers erzeugten in Deutschland einen besonderen Effekt. Später im Jahr sollte er beispielsweise die Frankfurter Festhalle höchstens zur Hälfte füllen und einen lustlosen Auftritt hinlegen. Ungefähr in dieser Zeit erschien Suzanne Vegas zweite Platte, „Solitude Standing“. Die warme, angenehme Stimme, dieses überraschte, freundliche Gesicht auf dem Cover und zwei große Hits – „Tom’s Diner“ und „Luka“ – machten aus ihr die neue Folk-Hoffnung. Später kam Tracy Chapman und noch ein bisschen später Ani Di Franco. Die New Folkszene lieferte in den 1980er und 1990er Jahren immer wieder neue Hoffnungen darauf – interessanter Weise immer Frauen –   die von Dylan hinterlassene Leerstelle zu füllen. Auch ich kaufte mir „Solitude Standing“. Doch während ich bei Suzanne über die Jahre nicht wirklich dran blieb und sie später nur hin und wieder mal wahrnahm, gewann Bob mich mit „Oh Mercy“ und den „Traveling Wilburys“ wieder. Irgendwie konnte dem keiner das Wasser reichen.

Dylan einer ihrer Vorbilder

Das sieht auch Suzanne Vega so, die sich Ende der 1970er Jahre ganz klassisch in den Kaffeehäusern und Folk-Clubs des Greenwich Village ihre ersten Sporen verdiente. Ihre Vorbilder: Leonard Cohen, Lou Reed und natürlich Bob Dylan. Immer wieder beschäftigt sie sich mit Bob. Er ist einfach einer ihrer Idole, auch wenn sie sich 2001 in der Debatte über „Love And Theft“ dazu hinreißen lässt, in der New York Times mit in das Geheul über Textdiebstahl einzustimmen: „Ich schaute mir die Sache an und kam zur Ansicht, dass das nicht der gewöhnliche Gang der Dinge ist. Es ist eindeutig, dass bei der Wahl von Worten und Metaphern unkorrekt vorgegangen wurde. Aber ich wollte nicht diejenige sein, die schreibt: Dylan stiehlt bei anderen Dichtern. Obwohl ich denke, dass er es tat. Andererseits: Dass er, der sich stets als großer Renegat inszeniert hat, ein Album veröffentlicht und in kleinen Fußnoten alle Bezugspunkte zur Literatur und Songlyrik der letzten 200 Jahre auflistet, wäre auch schwer vorstellbar. Er wollte immer außerhalb der Gesellschaft stehen, also passt diese Art von Raubrittertum gut zu ihm.“

Mal streng, mal voller Wertschätzung

Copyright: Columbia Records

Bei der Verleihung des Literatur-Nobelpreises 2016 war ihre Strenge schon wieder verflogen und sie äußerte sich in der „Observer New Review“ schon wieder sehr wertschätzend. Sie kontert den Vorwurf der Misogynie, in dem sie sagt: „Meine Mutter hielt Dylan immer für etwas frauenfeindlich, aber das sehe ich anders. Ich sehe in seiner Musik eine ganze Reihe weiblicher Charaktere – von Göttinnen und Königinnen über verehrte Frauen bis hin zu Frauen, die benutzt und missbraucht werden. Ich fände es toll, wenn andere Songwriter mit ähnlicher literarischer Neigung den Nobelpreis gewinnen könnten. Wie Lucinda Williams. Ihre Arbeit hat eine literarische Dimension, die den Song vom bloßen Popsong zu etwas viel Tieferem erhebt.“

Und erklärt zur Auszeichnung für Dylan: „Ich freue mich riesig für Bob Dylan und finde es sehr angemessen, dass er für die literarische Exzellenz seines Werks gelobt wird. Die Auszeichnung würdigt ihn als Schöpfer „neuer poetischer Ausdrucksformen innerhalb der großen amerikanischen Songtradition“, und genau das hat er getan. Er wird nicht als Musiker geehrt, sondern für die Tiefe und Breite seiner Vision und die Eloquenz der Sprache, mit der er sie zum Ausdruck bringt. In seinen Liedern findet er jedes literarische Mittel: Charakter, Erzählweise, Stil.“

“Chambermaid” und „I Want You”

Nun ist Suzanne Vega nach einigen Jahren Pause mit neuem Album wieder da. „Flying with Angels“ heißt es und es enthält mit „Chambermaid“ ein Stück, das man als so etwas wie ein „Spin Off“ von Dylans „I Want You“ bezeichnen kann.  Über „Chambermaid“ sagt Vega: „In meiner Adaption von Bob Dylans ‚I Want You‘ stelle ich mir vor, was die Figur der Chambermaid über ihre eigenen Bestrebungen und ihre Beziehung zu dem großen Mann selbst sagen würde.“ In einem Interview für den Mannheimer Morgen hat sie auch noch hinzugefügt, dass sie Dylan einer ihrer Helden sei und sie ihn um die Erlaubnis gebeten habe, die Melodie von „I Want You“ benutzen zu dürfen: „Ich habe Bobs Melodie gestohlen, wofür er mir eine Freigabe erteilen musste. Das hat er.“

Der Song erzählt, wie sich die Chambermaid in Dylan hineindenkt, von ihm träumt, aber dann doch irgendwann den Job quittiert, weil es letztendlich doch nur Träume von einer realen Annäherung sind. Auch wenn sie ihm einen Kuss rauben konnte.  Aber er gibt ihr in seinen Träumen den wichtigen Hinweis, doch selber das Schreiben anzufangen. Ein schöner, spielerischer Song, der zeigt, dass Suzanne Vega auch ohne die großen Hits eine verlässliche Größe in der Musikwelt ist. Wer will, kann sie im Herbst live im Konzert erleben. Sie spielt im Oktober in München, Hamburg, Berlin, Luxemburg, Offenbach und Köln.

Ein afroamerikanisches Mississippi-Panorama

19. April 2025

„Blood & Sinners“ ist mehr als ein Gangster- und Vampirfilm-Hybrid: Er ist zeichnet afroamerikanische Musik- und Kulturgeschichte nach

Copyright: Warner Bros.

„Blood & Sinners“ (Originaltitel „Sinners“) ist ein bild- und musikgewaltiges Werk. Regisseur Ryan Coogler, u.a. auch für die beiden „Black Panther“-Filme zuständig, bleibt sich treu. Waren die beidem genannten Actionfilme eigentlich Transportmittel für ein neues pan-afrikanisches Selbstbewußtsein, so ist „Sinners“ mehr als ein Gangster-Vampirfilm-Hybrid. Coogler entwirft hier ein Mississippi-Panorama, das die afroamerikanische Musik- und Kulturgeschichte in einer Nacht verdichtet. So wie „O Brother Where Art Thou?” von den Coen-Brüdern die frühe Country- und Bluegrassmusik anhand einer Mississippi-Odyssee wiederentdeckte, zeichnet Coogler die Geschichte der schwarzen Musik nach. In einer langen, fantastischen, bildgewaltigen Musik- und Tanzszene wird die afroamerikanische Musik von ihren afrikanischen Roots bis zu ihren Urban Hip Hop-Roots in den Mittelpunkt gestellt.

Gleichzeitig wird das Zeitkolorit der US-Südstaaten in den 1930er Jahren aus einer afroamerikanischen Perspektive ins Bild gerückt. Wir sehen den Ku Klux Klan, wir erfahren von Lynchmorden, sehen eine Chain-Gang beim Arbeiten und Singen, wir hören von der rassistischen Ein-Tropfen-Theorie und beobachten eine schwarze Frau, die afroamerikanischen Volksglauben Hoodoo praktiziert.

Das ist der Hintergrund vor dem die Zwillingsbrüder Smoke und Stack (Michael B. Jordan) einen Juke Joint in Mississippi eröffnen. Ausgerechnet dem örtlichen „großen Drachen“ des Ku Klux Klan kaufen sie für diesen Zweck eine alte Sägemühle ab. Doch während alles am Eröffnungsabend am Feiern ist, braut sich das Unheil zusammen. Drei zwielichtige, weiße Musikanten begehren Einlass und werden abgewiesen. Doch Mary, Stacks ehemalige Freundin, legt ein Wort für die drei ein. Sie trifft sie an, als sie eine wunderschöne Version von „Wild Mountain Thyme“ intonieren. Doch der u.a. auch von Bob Dylan und Joan Baez gecoverte schottisch-irische Folksong ist die hier die süße Melodie des Verderbens. Denn auch böse Menschen singen schöne Lieder. Beziehungsweise die Vampire. Natürlich wird Mary gebissen und das Unheil nimmt seinen Lauf. Ein wildes Gemetzel im Juke Joint führt zu massenhaft blutigen Szenen und am Ende überleben nur Smoke und Sammie, der junge Bluesmusiker, der gegen den Willen seines Prediger-Vaters die Gitarre spielt.

Während sich Smoke am Ku-Klux-Klan rächt, der sich die Sägemühle wieder aneignen will, flieht Sammie gen Norden. Er lässt sich nicht den Blues verbieten. Auch in seiner Religionskritik ist der Film deutlich. Wenn der alte Bluesmusiker Delta Slim sagt, dass der Blues afrikanische Wurzeln hat und nicht aufgezwungen wurde, wie die christliche Religion, dann greift er direkt einen wichtigen Grund der Verteufelung des Blues durch schwarze Gemeinden auf. Man fürchtete das afrikanische Erbe. Wenn in der Szene des Showdowns von Smoke mit dem irischen Obervampir Remmick, dieser sagt, auch seinen Vorfahren sei die christliche Religion aufgezwungen worden, aber sie habe etwas tröstliches, dann werden hier Fragen von Religion und Macht verhandelt. Überhaupt sind die Vampire hier keineswegs des Teufels, sondern im christlichen Glauben gefestigt. Ihr Auftreten hat etwas sektenhaftes und ist damit eine Anspielung auf das fundamentalistisch-evangelikale weiße Christentum.

Am Ende dann ein Szenenwechsel. 60 Jahre später ist Sammie ein bekannter alter Bluesstar und hat einen eigenen, nach seiner auch beim Vampirgemetzel umgekommenen Geliebten Pearline, benannten Club. Er wird von den dann doch beim großen Vampirsterben davon gekommenen Stack und Mary besucht. Sie bieten Unsterblichkeit an, doch er lehnt den Biss ab und sie verschwinden. Er zieht die Sterblichkeit und Vergänglichkeit vor.

Fazit: „Sinners“ ist einer der besten Filme zum Thema afroamerikanische Kultur- und Gesellschaftsgeschichte der letzten Jahre. Ganz großes Kino, das man so noch nicht gesehen hat. Wieder einmal hat Coogler dem Kino etwas Neues gegeben. Das macht ihn zu einem der besten und wichtigsten Regisseure unserer Zeit.

Bob Dylan der Cousin, Phil Ochs das Vorbild

13. April 2025

Mit der mehrfach Grammy-nominierten SONiA disappear fear kommt eine musikalische Botschafterin des anderen Amerikas am 24. April erneut nach Darmstadt

SONiA disappear fear, Photo by Steve Tabor

Sie ist eine queere, jüdische Singer-Songwriterin und Bürgerrechtsaktivistin. SONiA disappear steht wie kaum eine andere Künstlerin für das „andere“ Amerika, dem sich die Darmstädter Americana-Reihe verschrieben hat. Heuer jährt es sich zum zehnten Male, dass die kleine, quirlige Powerfrau an den Woog kommt.

SONiA mit dabei bei den „Hands Off“-Protesten

Und was hat sich in all diesen Jahren getan. Im Frühjahr 2016 sprachen wir das erste Mal über Trump und fürchteten die Folgen, sollte er gewinnen. Wir überstanden aber auch das. Doch als Trump 2024 das zweite Mal zum Präsidenten gewählt wurde, waren auch wir ratlos. Zudem erkrankte Terry, SONiAs Ehefrau und Managerin und ist bis heute in Behandlung.

Doch SONiA wäre nicht SONiA würde sie sich jetzt zurückziehen. Sie folgt den Protesten gegen Trump und seiner Regierung der Oligarchen, die mit den Slogans „Hands Off“ und Fighting Oligarchy“ gegen eine Politik eintreten, die Gender- und Bürgerechte wieder abschaffen will und mit ihrer Zoll-, Wirtschafts-, Sozial- und Gesundheitspolitik für die amerikanische Demokratie und die hart arbeitenden Menschen eine existentielle Bedrohung darstellt.

Sie beherrscht die Protestsongs ebenso wie die leichteren Töne

Mit im Gepäck hat sie bei ihren Auftritten immer auch Songs zweier Künstler mit denen sie besonders stark verbunden und deren Liedgut immer dann passt, wenn es darum geht, für Menschenrechte, für gleiche Bürgerechte und gegen Rassismus und Homophobie aufzustehen. Denn Bob Dylan, Schöpfer von ewigen Klassikern wie „Blowin‘ In The Wind“ und „The Times They Are A-Changing“ ist ihr Cousin, und Phil Ochs, Autor von „Power And Glory“ und „I Aint’t Marching Anymore“, ihr künstlerisches Vorbild. Aber auch John Lennons „Imagine“ steht schon mal auf ihrer Setlist neben ihren eigenen Songs, in denen sie Haltung zeigt wie „By My Silence“, „Abraham“ oder „I Can’t Breathe“.  Doch sie beherrscht auch die leichten Töne wie beispielsweise ihr bezauberndes „Princess And The Honey Bee“ beweist. So steht sie auch für eine weitere Säule des Selbstverständnisses der Reihe: Sie steht für Unterhaltung mit Haltung.

Darum wollen wir SONiAs Konzert in unser Darmstädter Americana-Reihe am Donnerstag, 24. April (Beginn 20 Uhr) in der Bessunger Knabenschule, zu einem starken Statement für das „andere“, das vielfältige, demokratische und solidarische Amerika machen. Weitere Infos und Tickets unter www.knabenschule.de .

Die späte Entdeckung

23. März 2025

„Blood On The Tracks“ lief lange Zeit unter meinem Radar, jetzt wird in Bensheim der 50. Geburtstag gefeiert

In Singapur erschien die Platte mit blauem Cover, Copyright: Columbia Records

Wer mich kennt, weiß dass ich „Hurricane“ und „Desire“ damals zu Dylan gekommen bin. Die „Greatest Hits“ und „Hard Rain“ folgten, dann „Budokan“ und dann war ich mit „Slow Train Coming“ und „Saved“ etwas am Zweifeln, ehe „Shot Of Love“ und mein erstes Dylan-Konzert in Mannheim 1981 meine Begeisterung wieder befeuerten. Aber „Blood On The Tracks“ blieb mir in meiner Dylan-Anfangszeit merkwürdigerweise etwas verborgen. Die BOTT-Songs „Simple Twist Of Fate“, „Idiot Wind“, “Shelter From The Storm” und “You’re A Big Girl Now” kannte ich von den Live-Fassungen auf „Hard Rain“ und „Budokan“. Diese Versionen gruben sich bei mir fest.

Erst im zweiten Anlauf wird es gut

Erst später habe ich mir das Album zugelegt und es schätzen gelernt. Bob Dylan war selten so konzentriert und direkt, Stimme, Gitarrenspiel und Mundharmonika auf den Punkt. Und seine Lyrik so greifbar und geradeaus. Und noch später habe ich erfahren, dass das Album in zwei völlig unterschiedlichen Sessions in New York und Minnesota entstanden ist. Dass Dylan und sein Umfeld nach der Testpressung nicht zufrieden waren. Dabei verschliss Dylan schon während der New Yorker Sessions einige Musiker, weil sie seinem Tempo nicht gewachsen waren.

Auch das ein Zeichen dafür, dass diese Songs aus ihm raus mussten und er ganz genau darauf achtete, dass dies nach seiner Fasson passierte. In Minnesota rekrutierten und er und sein Bruder David, örtliche Musiker und spielten ein Großteil der Platte neu ein. Nun klang es nicht mehr so körnig und trocken, sondern die Melodien wirkten beschwingter und linderten den Schmerz, der sich unweigerlich bei den traurigen Liedern einstellt.

Songs bis heute im Gepäck

Dylan selbst verhielt sich nach der Veröffentlichung seines ersten Meisterwerks nach der Mittsechziger-Trilogie wie üblich recht ambivalent. Mal sagte er, hier ginge es nicht um seine Trennungsgeschichte, sondern die Songs basierten auf Geschichten von Tschechow, mal äußerte er seine Überraschung darüber, dass ein Album mit solch schmerzvollen Songs beim Publikum so erfolgreich war.

Einige Songs aber von „Blood on The Tracks“, die hat er danach immer wieder live gespielt. „Tangled Up In Blue“, „Shelter From The Storm“ und „Simple Twist Of Fate” sind bis heute immer wieder mal im Repertoire. Dauerbrenner war über viele Jahre “Tangled Up In Blue”. Das hat er 1685-mal gespielt, zuletzt am 20. August 2018. „Simple Twist Of Fate immerhin 829-mal, zuletzt am 17. September letzten Jahres. Und „Shelter From The Storm“ „nur“ 376-mal, zuletzt am 16. Juli 2015.

Veranstaltung feiert „50 Jahre Blood On The Tracks“

Am 20. Januar jährte sich die Veröffentlichung des Albums zum 50. Mal. Grund genug für Martin Grieben, Frank Willi Schmidt und mich, das Jubiäum mit einem eigenen Programm zu feiern, das wir am Donnerstag, 3. April, im Bensheimer PiPaPo-Kellertheater auf die Bühne bringen werden. Es gibt viele interessante Geschichten rund um dieses Album zu erzählen und die Songs sind ja sowieso zeitlos gut.

Infos und Tickets zur Veranstaltung gibt es hier: https://pipapo-kellertheater.de/bott-2/

Bob Dylans nie gedrehter Western

11. März 2025

Der Solitär auf Blood On The Tracks: Lily, Rosemary and the Jack of Hearts

The Jack of Hearts

Es liest sich wie die Vorlage für einen Western. Alle Zutaten sind drin. Ein Reicher, Big Jim, dem die Diamantenmine und damit die Stadt gehört. Seine traurige Ehefrau Rosemarie, seine langjährige Geliebte Lily und der gut aussehende Outlaw, der Jack of Hearts“, den beide Frauen anschmachten. Falsche Liebe, verzweifelte Liebe, vergangene Liebe. Ehe und Affäre – beides genauso traurig und verhängnisvoll. Alkohol und Gewalt. Saloon und Kartenspiel. Mord, Tod und Hinrichtung. Am Ende die Bank geknackt und der Jack of Hearts ist über alle Berge. Der Reiche ist tot, die Ehefrau hingerichtet und die Geliebte, die schon eine schwere Kindheit hatte, endgültig zerbrochen.

Wie ein Western von John Ford

„Lily, Rosemary and the Jack of Hearts“: Wow – was für ein Stoff. Daraus hätten John Ford oder Anthony Mann oder vielleicht auch Sergio Leone einen klassischen Western gemacht. Alle Figuren sind gebrochen und der erfolgreiche Minenbesitzer stirbt am Ende. Doch die Gerechtigkeit siegt nicht. Der Outlaw triumphiert und lässt die Frauen verloren zurück. Die eine zerbrochen, die andere tot.

Und tatsächlich geht es um Eigentum, Besitz und Recht. Auch eine Art Parabel. Der Reiche der sich Gefälligkeiten und Frauen kaufen kann. Der eine konventionelle Ehe vortäuscht, die aber nur als Bild nach außen funktioniert, nach innen ist sie ein Gefängnis für die Ehefrau im goldenen Käfig. Am Ende wird Recht gesprochen. Ob das Urteil die Richtige trifft, bleibt unklar.

Der Richter, der dafür bekannt ist, mit dem Aufhängen schnell zu sein, ist auch keine wirkliche Respektsperson. Er ist selber ein zwielichtiger Säufer. So bleibt das Gesetz des Westens ein Gesetz des Dschungels. Zwar sind formal alle Positionen eines angeblichen Rechtsstaates besetzt. Doch es herrscht das Recht des Stärkeren und so mancher Würdenträger ist eine nichtsnutzige Marionette.

Aber so sind die Sitten im wilden Westen. Wobei wenn man es sich recht überlegt, feiern diese Wild-West-Manieren in Amerika ja gerade wieder eine Renaissance.

Ein Song, der aus dem Rahmen fällt

Wie auch immer fällt dieser Song aus dem Rahmen von „Bood On The Tracks“. Dylans Trennungsalbum, Dylans Schmerzensalbum. Er ist eine fiktive Geschichte, der allwissende Erzähler ersetzt den Ich-Erzähler. Wobei Dylan ist ja eigentlich gar kein Storyteller, sondern ein Maler. Er malt die Geschichten. Es gibt Songs, die funktionieren wie Skizzen, ein paar andeutende Federstrich und jeder liest eine (andere) Geschichte daraus. Andere funktionieren wie ein großes Gemälde eines alten Meisters, ein Panoramabild, in dem unheimlich viel an allen Orten auf der Leinwand gleichzeitig passiert.

Zudem war er ja auf Blood On The Tracks ja noch direkt von Norman Raeben beeinflusst. „Tangled Up In Blue“ erzählt die Geschichte nicht straight forward. Schauplätze, Zeiten, Perspektiven wechseln und springen hin und her. Auf der nächsten Platte, „Desire“, da schuf er Songs, die straight forward erzählt werden und daher wie ein Filmplot wirken: „Hurricane“, „Joey“, „Black Diamond Bay“, „Romance In Durango“. „Lily, Rosemarie and the Jack of Hearts“ nimmt das schon vorweg. Ohne den Off Broadway-Regisseur Jaques Levy als Co-Texter.

Zwischen den vielen traurigen inneren Monologen auf „Blood On The Tracks“ wirkt unser Song wie ein Solitär. Irgendwie aus dem Rahmen gefallen. Engagierter, treibender Gesang, schmissige Musik. Vielleicht hält dieser Song, weil er aus dem Rahmen fällt, den Rest zusammen. Als Fixpunkt, als notwendiges Erholungsreservoir zwischen all dem aufwühlenden emotionalen, selbstbezogenem Songwriting der anderen Lieder. Für den Hörenden wie für den Sänger gleichermaßen. Gerade weil er quer zu den anderen Songs liegt, gehört er dazu. Ohne ihn wäre die Platte inhaltlich zugespitzter. Aber musikalisch ärmer.

50 Jahre Blood On The Tracks. Ein Bob Dylan-Abend, Copyright: PiPaPo

50 Jahre Blood On The Tracks – Ein Bob Dylan-Abend

Auch bei diesem Abend am 3. April im Bensheimer PiPaPo-Kellertheater mit Songs und Geschichten rund um das Album, gesungen, gespielt und erzählt von Martin Grieben, Frank Willi Schmidt und Thomas Waldherr kommt der Song oder besser gesagt die Geschichte, die darin erzählt wird und die Funktion, die der Song auf der Platte hat, natürlich vor.

Infos und Tickets: http://www.pipapo-kellertheater.de/bott-2/

Joan Osborne veröffentlicht Live-Album mit Dylan-Songs

2. März 2025

„Dylanology live“ erscheint im April

Und erneut legt eine Frau ein großartiges Dylan-Cover-Album vor. Nachdem in den letzten Jahren u.a. Bettye LaVette, Chrissie Hynde, Lucinda Willams und Rory Block hier brilliert haben, veröffentlicht Joan Osborne demnächst mit „Dylanology live“ bereits ihr zweites Werk mit Dylan-Songs.

Copyright: Womanly Hips Records

Welterfolg mit „One Of Us””

Es wäre schon gemein, würde man Joan Osborne als „One Hit Wonder“ bezeichnen. In den 1990ern wurde sie weltbekannt mit dem Pop-Hit „One Of Us“. Bestätigen konnte sie den großen Erfolg aber nicht. Was ihr aber wenig ausmachte. Denn die mittlerweile 62-jährige ist eigentlich eine Blues- und Folksängerin, die als Live-Künstlerin in den USA unermüdlich seit gut 25 Jahren auf Konzerttour ist, auch wenn sie in der großen Öffentlichkeit nicht mehr so richtig wahrgenommen wird.

Immer wieder aber beschäftigte sie sich in ihrer Karriere mit der Musik von Bob Dylan. So hatte sie auf ihrem 1996er Erfolgsalbum „Relish“ eine Version von Dylans „Man In The Long Black Coat“, auf ihrem zweiten Album befindet sich eine Version von „Make You Feel My Love“. 1998 nahm sie zusammen mit Dylan eine Version von „Chimes Of Freedom“ für eine TV-Serie über die 1960er Jahre auf, und sie sang sogar schon mal mit ihm auf der Bühne während einer US-Tour mit den Grateful Dead.

Immer wieder Bob Dylan

Dabei ist Joan Osborne nach eigenen Angaben nie ein unkritischer Super-Fan gewesen. So manche Songs gefielen ihr nicht, weil da „ein Hauch von Frauenfeindlichkeit mitschwingt“, sagte sie der Dylan-Website „Flagging Down the Double E’s“. Aber sie kam zu dem Schluss: „Ich wollte großartige Songs hören und ich wollte lernen, wie man Songs schreibt, und was das angeht, ist er eine der Ikonen des 20. Jahrhunderts. Ihn also einfach wegen dieser Handvoll Songs, die ich ein wenig hässlich fand, von vornherein abzulehnen, war es meiner Meinung nach einfach nicht wert…Ich hatte einfach das Gefühl, ich würde mir ins eigene Fleisch schneiden, wenn ich ihm wegen des hässlichen Beigeschmacks einiger Songs überhaupt nicht mehr zuhörte.“

So war es nur eine Frage der Zeit, bis sie ihr ersten Dylan-Album veröffentlichte. 2017 nahm Joan Osborne dann das von Kritikern gefeierte Album „Songs of Bob Dylan“ auf. Es war das Ergebnis eines längeren Prozesses. Sie wollte ein Album mit Songs von ihr wichtigen Singer-Songwritern aufnehmen. Als sie dann für ein Programm in einem New Yorker Kabarett-Theater angesprochen wurde, wollte sie dort nicht ihre Songs spielen, sondern die eines großen Vorbildes. Sie dachte über Leonard Cohen nach, sie dachte über Lou Reed nach. Doch es sollte Bob Dylan werden. Das war der Anfang des „Songs of Bob Dylan“-Projektes. Es wurde ein erfolgreiches Projekt. Jetzt, acht Jahre nach dieser Studioaufnahme erscheinen nun in Kürze Live-Mitschnitte, die zeigen wie toll ihre Live-Interpretationen sind, wie ihre Songversionen Leidenschaft, Emotionen und Energie ausstrahlen.

Dylanology live“ als Album und on Tour

Joan Osborne veröffentlicht „Dylanology Live“ am 25. April über Womanly Hips Records. Die Aufnahme enthält acht Darbietungen von Bob Dylan-Songs, die von der Grammy-nominierten Sängerin ausgewählt wurden, mit den besonderen Gästen Amy Helm, Jackie Greene und Robert Randolph. Zu den Songs gehören „Spanish Harlem Incident“, „Buckets Of Rain“, „Masters Of War“, „Tonight I’ll Be Staying Here With You“ und „High Water (For Charley Patton)“.

Osborne hat neue Tourdaten und die erste Etappe der kommenden Dylanology-Tour angekündigt. Bei den Dylanology-Terminen werden Nicki Bluhm, Gail Ann Dorsey (David Bowie), Cindy Cashdollar (Bob Dylan, Van Morrison) und Anders Osborne als besondere Gäste dabei sein.

„You can call me Timmy, you can call me Zimmy”

14. Februar 2025

Zur Deutschland-Premiere von “Like A Complete Unknown” auf der Berlinale: Timothée Chalamet spielt Dylan grandios, hat aber auch einen starken Cast um sich

Copyright: Searchlight/ Disney

„Timmy’s a brilliant actor so I’m sure he’s going to be completely believable as me. Or a younger me. Or some other me“, lobte Dylan in einer für ihn typischen Art schon vor einigen Monaten Timothée Chalamet. Und tatsächlich ist Chalamet ein brillanter Bob Dylan. Und ragt aus einem starken Cast heraus.

Chalamet spielt Dylan nicht als Imitation. D.h. er spielt nicht äußerliches Verhalten nach, sondern er hat die Figur gründlich studiert und versucht ihm menschlich, geistig und körperlich nahe zu kommen. Also nicht nur schleppender, lässiger Gang und cooler Blick, Sonnenbrille und Zigarette im Mundwinkel, sondern eben auch der Drang immer weiter zu gehen, seine eigene Kunst über alles zu stellen und damit allen vor den Kopf zu stoßen, die es gut mit ihm meinen. Chalamet will auch Dylan nicht erklären, sondern er legt ihn als Enigma an. Dylan wird uns auch nach diesem Film ein Rätsel bleiben. Wir sehen eine Künstlerfigur bei der Entstehung zu und wie sich das auf die Menschen in seiner Umgebung auswirkt. Sylvia Russo alias Suze Rotolo, gespielt von Elle Fanning, verzweifelt an der Unergründlichkeit des scheinbar aus dem Nichts gekommenen Dylan. Und Joan Baez, gespielt von Monica Barbaro, merkt wie er sich niemandem verpflichtet fühlt und wie kompromisslos und egozentrisch er seinen musikalischen Weg gehen will. So entsteht die Künstler- und Kunstfigur Bob Dylan gerade auch in seinen Spiegelungen bei den Mitmenschen.

Edward Norton spielt Pete Seeger. In seinem als Filmvorlage dienenden Buch „Dylan goes Electric“ beschreibt Wald die Folk-Legende als Menschen, der schüchtern und dennoch für alle zugänglich war, der Gemeinschaftssinn hatte, aber der es einem manchmal schon schwer machte, ihn zu mögen. Seeger war einfach sehr überzeugt davon, auf dem richtigen Weg zu sein. Und diesen Seeger-Charakter spielt Norton kongenial zu Timothée Chalamets Dylan-Darstellung.

Elle Fanning ist ein vielleicht zu harmlose und liebe Sylvia/Suze. Denn von der richtigen Suze, die aus einer Familie von italienischen Kommunisten stammte, lernte Dylan das Interesse an gesellschaftlichen Themen und die Grundlagen des Brecht’schen Theaters. Aber wie Elle Fanning die ihr zugeschriebene Rolle mit Liebe, die erst zur Verzweiflung und dann zur Enttäuschung wird, spielt, ist großes Kino und ihre Szenen beim Newport Festival sind einfach grandios.  

Monica Barbaro ist ganz die dunkelhaarige Madonna des Folk Revivals. Sie ist auf Augenhöhe mit Dylan. Auch sie liebt ihn und auch sie nervt sein ungezügeltes Ego. Ein „Arschloch“ nennt sie ihn in einer Szene. Dies beschreibt deren Verhältnis ganz gut. Beide finden sich faszinierend, doch Dylans Drang zu neuen künstlerischen Ufern ist stärker als die Liebe oder die Loyalität zu Joan.

Von den Nebenfiguren bleiben vor allem Boyd Holbrook als Johnny Cash, Scott McNairy als Woody Guthrie und Dan Fogler als Albert Grossman in nachhaltiger Erinnerung. Holbrook spielt den Cash hier als coolen Rowdy, der Dylan in seinem Weg zum Rock unterstützt. McNairy spielt den schwerkranken Woody beeindruckend und Fogler zeigt uns treffend einen smarten Bussinessman, der so gern hip wäre.

So lebt der Film gerade auch von seinen schauspielerischen Leistungen. Timmy-Zimmy ragt zwar heraus, aber dann kann er nur, weil er das neben weiteren großen Schauspieler:innen agiert.

Eine breitere Besprechung des Films ist ab dem Nachmittag des 15. Februar im Online-Magazin Key West  – www.keywestmagazin.com – lesen.

Besondere Darmstadt-Premiere

Am 27. Februar, zum Filmstart von „Like A Complete Unknown“, lädt das Programmkino Rex zu einer besonderen Darmstadt-Premiere ein: Vor dem Film werden der „Darmstädter Dylan“ Dan Dietrich ein paar Dylan-Songs spielen und Dylan-Experte Thomas Waldherr einen kleinen Einführungsvortrag halten. Der Vorverkauf läuft – Infos und Tickets gibt es hier: https://www.kinopolis.de/…/rexextra-like-a…/5733

50 Jahre „Blood On The Tracks“

24. Januar 2025

Ein Bob Dylan-Abend mit Martin Grieben, Frank Willi Schmidt & Thomas Waldherr

Copyright: Columbia Records

Am Donnerstag, 3. April, steht das monatliche Americana-Konzert des Bensheimer PiPaPo-Kellertheaters im Wambolter Hof ganz im Zeichen Bob Dylans. Die Musiker Martin Grieben und Frank Willi Schmidt nähern sich zusammen mit dem Musikjournalisten und Dylan-Kenner Thomas Waldherr mit Songs und Geschichten dem Dylan-Album „Blood On The Tracks“ an, das am 20. Januar 1975 veröffentlicht wurde und daher in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag feiert. Konzertbeginn ist 20 Uhr, Einlass ist 19 Uhr. Karten gibt es in Kürze online unter  www.pipapo-kellertheater.de .

„Viele Leute sagen mir, dass ihnen das Album gefällt. Ich kann das nur schwer nachvollziehen. Ich meine … Menschen mögen diese Art von Schmerz?“, sagte Bob Dylan zum Erfolg des Albums, das unbestritten als eines seiner Meisterwerke von gilt. Es ist Dylans „Trennungsalbum“. Die Zeit mit Sara scheint vorbei, die Veränderungen und Verwerfungen in seinem Leben sind wirklich schmerzhaft. Der Verlust der Liebe von/für Sara, der Verlust von Sara, die Trennung von Sara – all das tut höllisch weh. „Wie ein Korkenzieher in meinem Herzen“, singt er in „You’re Big Girl Now“. Der Song gehört mit „If You See Her, Say Hello“ und „You Gonna Make Me Lomesome When You Go“ zu den offensichtlichsten und persönlichsten Trauerverarbeitungen des Albums, während „Tangled Up In Blue, „Simple Twist Of Fate“ und „Idiot Wind“ dann wieder Geschichten erzählen, die wie bei Dylan üblich nicht immer für bare Münze genommen werden müssen, aber gerade deswegen große Songs sind.

Die Musiker Martin Grieben (Gesang, Gitarre, Mundharmonika) und Frank Willi Schmidt (Bass) sowie der Musikjournalist und Dylan-Kenner Thomas Waldherr bringen in ihrem Programm mit Musik und Geschichten alle Titel des Albums auf die Bühne, sowie zusätzliche, ausgewählte Dylan-Stücke. Martin Grieben ist dem Bensheimer Publikum von seinem Elvis-Abend in bester Erinnerung, Frank Willi Schmidt ist als Bassist in einer Reihe von musikalischen Projekten tätig, während Thomas Waldherr mit seiner Darmstädter Americana-Reihe Kooperationspartner des PiPaPo-Theaters ist.