Was erwartet uns bei den drei Frankfurter Konzerten? Dylan spielt vom 16. bis 18. Oktober in der Mainmetropole
Nach dem dritten Prager und dem Erfurter Konzert war spätestens klar: Bob Dylan hat diesmal keinen Ehrgeiz, musikalisch perfekt zu sein. Waren seine Auftritte 2022 und 2023 durchchoreografierte Kammerkonzerte mit fast beängstigender Perfektion, so schlägt das Pendel nun ins Gegenteil: Auf einer der letzten Etappen seiner „Rough And Rowdy Ways-Tour 2021-2024 kommt wieder der experimentelle Dylan zum Vorschein.
Der experimentelle Dylan ist wieder da!
Diese Europa-Tour verblüfft wieder einmal mehr: Gerade noch hat die Bilder vorm Auge, als er bei seinem letzten Outlaw-Konzert den Rhythmus von „Desolation Row“ mit dem Schraubenschlüssel ans Mikrofon haut. Diesmal schnappt er sich in Berlin ganz am Anfang des Konzerts die Gitarre und spielt bei „All Along The Watchtower“ mit dem Rücken zum Publikum. „It Ain’t Me Babe“ streckt er mit langem Intro auf mehr als zehn Minuten. Mal spielt er ganz sparsam Klavier, dann wieder ausschweifend, teil mit großartigen Soli. Das trifft auch auf sein Harmonikaspiel zu.
Und der Gesang: Erst nuschelt die ersten Zeilen des Abends am Mikrofon vorbei, dann haut er ein paar Nummern später einen Gesangsvortrag der Extraklasse raus. Dylan ist bei dieser Tour kaum zu fassen. Als würden hier in einer großen Performance alle unterschiedlichen Versatzstücke seiner Art des Konzertierens aus allen Karriere-Jahrzehnten bunt gemischt und auf den Boden der Bühne ausgeschüttet.
Die Musik ist dunkel – Rhythm & Blues getränkt – aber einige erzählen auch von musikalischen Anleihen bei Schönberg oder Brecht. Kleiner, kultureller Gruß ans Gastgeber-Land? Dylan spielte in den USA seit der Herbsttour 2023 eine ganze Reihe von Coverversionen, manchmal auch mit Ortsbezug. Hier in Deutschland also der Verweis auf Expressionismus und Neue Musik?
Ungeschliffene Performance, klar konzipierte Setlist
So ungeschliffen die Performance auch erscheint: Jedenfalls ist die Setlist ganz klar konzeptioniert: Der Auftaktsong „All Along the Watchtower“ ist die Analyse unserer Gegenwart: „Es muss doch einen Ausweg geben, dem Unheil zu entfliehen.“ Dann folgen einige Songs, die Dylans persönliche Programmatik entfalten: „It Ain’t Me Babe“, „I Contain Multidudes“. Mit „When I Paint My masterpiece“ schließlich als Dreh- und Angelpunkt seines momentanen konzertanten Selbstverständnisses. Wenn das Meisterwerk gemalt ist, kannst Du dich zur Ruhe setzen. Er ist aber nie zufrieden damit, das treibt ihn an. Also übermalt er immer wieder sein großes Meisterwerk. Mal wird es gut, mal wird es grauslich, der Künstler aber bleibt lebendig.
Dann wendet er sich den Songs zu, die seine mittlerweile bekannte Vorliebe für böse und verstörende Geschichten: „Black Rider“, „My Own Version Of You“ und das umgeschriebene „To Be Alone With You“.
Im letzten Teil Key wird es schließlich philosophisch, historisch und göttlich: Bei „Key West“, „Mother Of Muses“ und „Every Grain Of Sand“ begegnen sich beim Meister der Song-Collage Ginsberg, Corso und Kerouac, Kalliope, General Sherman und Martin Luther King und Dylan sieht Gottes Hand in jedem Blatt und jedem Sandkorn.
Was geht ab zwischen Bob und Jim?
Zur Folklore dieser Tour gehören wohl auch mittlerweile die Scharmützel, die sich Beobachtern zufolge Dylan mit seinem Drummer Jim Keltner liefert. So richtig zufrieden scheint er mit der Arbeit seines alten Weggefährten Keltner wohl nicht zu sein. Aber diese Zufriedenheit scheint ohnehin nur schwer erreichbar. Seit George Receli von 2001 bis 2019 durchgehend für Dylan getrommelt hat, haben wir dann in den Jahren 2019 bis 2024 mit Matt Chamberlain, Charley Drayton, John Pentecost und Jim Keltner gleich vier verschiedene Drummer in Bob Dylans Band erleben dürfen. Mal schauen wie es mit Bob und Jim weitergeht.
Nürnberg soll dann ziemlich nahtlos an Berlin angeknüpft haben. Was dafür spricht, dass sich in Frankfurt Dylan wieder etwas neues Performatives ausdenken könnte. Wir können uns darauf freuen. Denn auch der alte experimentelle Verwirrkopf ist zurück. Das macht Lust auf mehr.



















