Neil Young und Bob Dylans gemeinsamer Auftritt in Kilkenny

Promo: Veranstalter
Nein, das wird nicht passieren! Träumer, die da denken Bob Dylan und Neil Young würden sich zum Tour-Abschluss die Bühne für einen gemeinsamen Song teilen. Niemals wird das geschehen! So oder ähnlich dachte ich wie so manch anderer vermeintlicher Realist auch. Zu oft hatte Dylan solche Chancen trotz gemeinsamer Touren mit Willie Nelson, John Mellencamp oder Merle Haggard ausgelassen.
Dadurch hatte man fast vergessen, dass Dylan 2013 bei der Americanarama-Tour tatsächlich gemeinsam mit Wilcos Jeff Tweedy, My Morning Jackets Jim James, und Ryan Bingham zusammen den „Band“-Klassiker „The Weight“ gespielt hatte. Aber das war die große Ausnahme von der Regel.
Aber irgendwie passte dieser gemeinsame Auftritt am Sonntagabend im irischen Kilkenny zu dieser staunenswerten Dylan-Tour im Sommer 2019. Hatte Dylan im Frühjahr schon begeistert durch frische, neue Arrangements seiner Songs – „Don’t Think Twice“ am Klavier nur von Tony zart mit Bass und Bogen begleitet war der Höhepunkt im April in Augsburg – kam bei dieser Tour nun eine für Dylan überbordende Spiel- und Ausdrucksfreude dazu. Selten hat man ihn so entspannt im hier und jetzt gesehen, schon lange nicht mehr so voller Energie und der Lust und dem Spaß an der Performance. Die Konzerte 2017 und 2018 waren sehr gut, die Frühjahrstour auch, doch jetzt steigerte sich Dylan gegen Ende seiner diesjährigen Europatour zu einer beachtlichen Form empor.
Diesmal war „Girl From The North Country“ der Höhepunkt. Ganz zart, ganz langsam, ganz eindringlich hat der 78-jährige sein frühes Lied über eine Jugendfreundin gesungen. Mit so viel Melancholie, dass einem die Tränen kommen. Fast ebenso melancholisch kommt auch „Simple Twist If Fate“ in diesen Tagen daher. Erinnerungen des alten Mannes an vergangene Liebschaften voller Sehnsucht, voller Hingabe und voller Einsicht, dass das lange zurückliegt aber immer zu diesem Leben dazugehören wird.
Dylan scheint sich der eigenen Bedeutung in diesen Tagen sehr bewusst zu sein und reagiert mit Stolz und der Selbstverpflichtung, etwas Gutes abzuliefern darauf. Kein Auto-Pilot, nicht eine Zeile wird da weg genuschelt. Während Bob mit immer neuen Verfremdungen seiner Songs durch Deutschland reiste, war Neil Young indes als ton- und wortgetreuer Apologet seiner selbst unterwegs. Herausgefordert von der jungen Truppe um Willie Nelsons Sohn Lukas, treibt er die Jungen an, spielt seine Songs wie man sie halt kennt, nur eben live. Mit noch längeren und noch brachialeren Soli die Rocknummern, weich und geschmeidig die zarten Folknummern. Das macht richtig Spaß, ist sicher leichter zugänglich wie die Dylan-Methode, sollte aber nicht – wie in der britischen Presse geschehen- gegen Dylans Art der Performance ausgespielt werden.
Denn beide sind in ihrer Art einzig und besonders. Dass sie sich nun zusammen die Bühne zum Abschluss ihrer beider Touren in Kilkenny teilten, ist auch etwas Besonderes. Wie gesagt, beide sind sich ihrer Stellung bewusst. Und so singen sie aus vollem Herzen das alte Traditional „Will The Circle Be Unbroken“, das schon von so großen und wichtigen Interpreten wie der Carter Family oder den Staple Singers angestimmt wurde.
Dylan und Young hatten in jungen Jahren die Nachfolge der alten Folkmusiker mit ihren eigenen musikalischen Mitteln angetreten, nun im Herbst ihres Lebens nehmen sie die jenseitige Hoffnung des alten, überlieferten Liedes auf. Ein Lied, das auch immer dazu dient, einem die Last vom Leben zu nehmen, weil es verheißt, dass da noch etwas Besseres kommt.
Doch wer Dylan und Young im Sommer 2019 im Konzert erlebt hat, der hat alles andere als Künstler gesehen, die eine Last zu tragen haben. Im Gegenteil: Da konnte man zwei spielfreudige alte Haudegen sehen, die wir weiterhin gerne regelmäßig hierzulande zu Besuch hätten. They Are Younger than that now!