Ein Film, seine Sichtweise auf die afro-amerikanische Kultur und was Bob Dylan jetzt auch noch damit zu tun hat
Oliver Hardts sehenswerter Film “The United States Of Hoodoo” spürt den Wurzeln der afro-amerikanischen Kultur in der afrikanischen und karibischen Voodoo-Religion nach. Deren Spuren finden sich an vielen Orten der amerikanischen Kultur und Alltagskultur. Vom Mississippi-Blues bis zum Rap, von der bildenden Kunst bis zur New Orleans-Küche.
Sie finden sich in der liberalsten Stadt des US-amerikanischen Südens – New Orleans – ebenso wieder wie in den tief christlich geprägten Landstrichen am Mississippi Delta. Sie finden sich im schwarzen Gospel-Gottesdienst genauso wie im Blues, im Soul, im Rock’n’Roll. Und durch die Verschmelzung der weißen Hillbilly-Musik mit dem schwarzen Blues finden sie sich sogar in der weiß geprägten Countrymusik.
So ist der faustische Pakt Robert Johnsons mit dem Teufel nur die christliche Lesart des Zusammentreffens des Musikers mit dem Voodoo-Gott Legba, der ein Gauner, ein Trickster ist und nicht das personifizierte Böse wie der Teufel. Diese Lesart geht einher mit der christlichen Verteufelung der afrikanischen Religion der schwarzen Sklaven, als auch mit der Ablehnung der sündigen Blues und Soulmusik durch die schwarzen Christengemeinden im Süden.
All das schwingt auch in Songs von Bob Dylan mit. So dachte ich mir jedenfalls. Schließlich stammt Dylan aus der Generation amerikanischer Musiker, die sich als erste ganz offen zur afroamerikanischen Musiktradition bekannt haben. Schließlich war Elvis vor allem auch ein weißes Phänomen der Abgrenzung, über den Musiker wie Chuck Berry, Little Richard oder auch Muddy Waters nur müde lächeln konnten. Gegen die Laszivität und Sexualität, die in Blues und Soul innewohnt, war Presleys Hüftschwung der reinste Kindergeburtstag. Musiker wie Dylan, die Stones, Clapton oder auch „The Band“, bekannten sich dagegen offen zu den Traditionslinien der schwarzen Musik und die Folkszene Anfang der 60er holte ja schließlich die alten Bluesmänner zurück in Rampenlicht.
Und dennoch ist Dylan als weißer Mittelstandsjunge geprägt von der jüdisch-christlich-abendländischen Tradition. Sie prägt sein Koordinatensystem und bildet den Hintergrund seiner Vorstellungswelt und seiner Songlyrik. Wirkliche Einflüsse afroamerikanischer Hoodoo-Alltagskultur sind auf die Fülle des Gesamtwerks betrachtet, auf den ersten Blick allenfalls nur kleinen Spurenelementen nachzuweisen.
So ging ich bei der voreiligen Heranziehung von „Carribean Wind“ dann auch gleich in die Irre. Es sind andere Songs, die kleinste Hoodoo-Spuren in sich tragen. Jokerman beispielsweise, dessen mystische Sprache Bezüge aufweist, dessen Protagonist – der unbeschwerte, leichtfüßige Jokerman, Gauner, Trickster – Züge von Papa Legba trägt. Ein Song, der entstanden ist, als Dylan sich einige Zeit immer wieder mal in der Karibik aufhielt, weil er auf den Bahamas eine Yacht hatte. Und Dylan wäre nicht Dylan, wenn er nicht Stimmung und Vorstellungswelt der Menschen dieser Gegend aufgesogen hätte wie ein Schwamm.
Und natürlich in „Blind Willie McTell“, Dylans lyrisch-musikalisch-mystische Retrospektive des alten Südens zwischen Sklaverei und Bürgerkrieg, christlicher Erweckung und afrikanischer Herkunft der schwarzen Sklaven. Oder das Album Oh Mercy, das in New Orleans entstanden ist und über dem eine flirrende, geisterhafte Stimmung liegt.
Oder in „New Pony“ vom Album „Street Legal“, der von Charlie Pattons und Son House’ „Pony Blues” beeinflusst ist. Zwei der Bluessänger, die explizit damit in Verbindung gebracht worden sind, dass der Blues die Musik des Teufels ist. Warum soll er das sein? Weil der Blues sexuelle Themen präferiert und an das von vielen christianisierten Schwarzen verdrängte und verleugnete afrikanische Erbe fortführt. Und was singt Dylan denn auch in diesem Song seines letzten „vorchristlichen“ Albums:
They say you’re usin’ voodoo, your feet walk by themselves
They say you’re usin’ voodoo, I seen your feet walk by themselves
Oh, baby, that god you been prayin’ to
Is gonna give ya back what you’re wishin’ on someone else
Die Verbindung von Bob Dylan zur Vorstellungswelt des afrikanischen Erbes der schwarzen Amerikaner harrt noch einer systematischen Beschäftigung und stellt eine anspruchsvolle, aber sicher lohnende Arbeit quer durch das Werk des Songschmieds aus Minnesota dar.