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Bernie oder doch Hillary?

24. März 2016

Wer soll demokratischer Präsidentschaftskandidat werden?

Das fortschrittliche Amerika ist uneins. Wie die Republikaner und Trump besiegen? Bernie Sanders setzt auf eine linkssozialdemokratische Agenda, die angesichtsWhite House der aktuellen Zustände in Amerika schon einer „sozialen Revolution“ gleichkommen. Dabei greift er auf nichts anderes zurück, als dass Amerika einen New Deal braucht. Hillary Clinton spielt die Karte des erfahrenen und vernünftigen in der Mitte des politischen Spektrums angesiedelten Politikprofis. Ihr Makel: Sie gehört zu den Einkommensmillionären und ist schon ewig bei allem dabei gewesen.

Seit 1993 waren die USA 16 Jahre lang von demokratischen Präsidenten regiert. Zwar gab es von Bill Clinton und von Barack Obama immer Ansätze, die US-Gesellschaft sozialer und gerechter zu gestalten. Aber da man dafür den Einfluss von Banken und Konzernen beschneiden müsste und gerade die Wall Street eher demokratisch orientiert ist, ließ man die Verhältnisse und die neoliberale Logik substantiell unangetastet. Also sind Arbeits- und Perspektivlosigkeit für weite Teile der Bevölkerung gestiegen. Das hat nun zur Folge, dass das schon unter Reagan verlorene traditionelle Klientel der amerikanischen Arbeiterklasse und der Süden immer desparater weiter nach rechts driftet. Waren die politischen Auseinandersetzungen bislang immer zwischen den konservativen und liberalen Eliten des Establishments geführt worden, so hat der erbarmungswürdige Zustand weiter Bereiche der amerikanischen Gesellschaft zu Gegenentwicklungen geführt, die nicht einfach, so wie es einige hierzulande tun, als rechts- oder linksradikalen Populismus in einen Topf geworfen werden können.
Denn Trump steht für Hass, Gewalt, Autoritarismus und reaktionärem Roll-Back. Frauenfeindlich und homophob. Sanders steht für soziale Gerechtigkeit, um die Gesellschaft zusammenzuhalten. Wie gesagt: New Deal. Künstler wie Steve Earle, Jeff Tweedy oder die Red Hot Chili Peppers unterstützen ihn. Dieser Tage hat sich jedoch der Gründer des „Rolling Stone“ – ehemalige Postille der Gegenkultur dessen deutscher Lizenznehmer die Axel Springer AG ist – zu Wort gemeldet. Jann S. Wenner hat sich unmissverständlich für Hillary ausgesprochen. Eines der Hauptargumente: Wahlen werden in der Mitte gewonnen. Eine beliebte Denkfigur. Doch was ist da dran?

Wir stehen vor einem besonderen Problem. In den kapitalistischen Ländern erodiert nach dreieinhalb Jahrzehnten neoliberaler Herrschaft die Mittelschicht zusehends. Abstiegsängste führen zu irrationalem und rechtsorientiertem Wahlverhalten, weil es als einzige wirkliche Alternative wahrgenommen wird. Dass das Prekariat schon seit langem nicht mehr zur Wahl geht und nun ebenfalls wieder in den neuen Rechten eine Alternative sieht, wird von den sich in der Mitte drängelnden Parteien schlicht ignoriert.

Wer aber die Mittelschicht bewahren will, der muss radikal sozialdemokratische Politik betreiben, der muss Sicherung gegen Abstieg, Aufstiegschance und solidarische Teilhabe ermöglichen. Der muss die fortschrittlichen Teile der Mittelschicht und die Teile des Prekariats gewinnen, die noch nicht auf Trump festgelegt sind. Für die USA kann das nur heißen: Nicht Bernie oder Hillary, sondern Hillary und Bernie. Beide müssen eine Koalition für das fortschrittliche Amerika schließen. Hillary muss ihre Werte Erfahrung und Vernunft mit Demut und partieller programmatischer Neuorientierung ergänzen. Und Bernie muss die Entschiedenheit seiner politischen Agenda und die jugendliche Basis seiner Graswurzel-Bewegung einbringen. Und beide zusammen müssen für den notwendigen neuen New Deal einstehen, der nach außen einhergehen muss mit Befriedung sowie Entwicklungs- und Bildungspolitik anstatt Kriegseinsätzen und Drohnenkriegen in Serie, die zu immer mehr Elend, Unglück und zu noch größeren politischen Problemen führen.

Und das Establishment in den USA hat auch die Wahl. Nämlich zwischen sich einzuschränken und einen zivilisatorisch und sozial gebändigten Kapitalismus durch einen neuen New Deal zu bejahen, auch wenn damit Abstriche an der eigenen Macht verbunden sind oder uneinsichtig und sehenden Auges dem wahnwitzigen antidemokratischen und antizivilisatorischen Trump die Macht im Land zu überlassen. Amerika hat die Wahl. Noch.