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„Don’t believe in Vodoo, pray to God“

24. April 2020

Bob Dylan und die afrikanische Tradition von Black America

Vor einigen Jahren sah ich Oliver Hardts bemerkenswerten Film “The United States Of Hoodoo”. Er spürt den Wurzeln der afro-amerikanischen Kultur in der afrikanischen und karibischen Voodoo-Religion nach. Dies kam mir nun wieder in den Sinn, als ich mich mit dem Thema „Bob Dylan und Black America“ auseinandersetzte.

Damals schrieb hier ich anlässlich des Films: „Es sind andere Songs, die kleinste Hoodoo-Spuren in sich tragen. Jokerman beispielsweise, dessen mystische Sprache Bezüge aufweist, dessen Protagonist – der unbeschwerte, leichtfüßige Jokerman, Gauner, Trickster – Züge von Papa Legba [Anm. Geist oder Heiligerin der afrikanischen und karibischen Religion des Voodoo] trägt. Ein Song, der entstanden ist, als Dylan sich einige Zeit immer wieder mal in der Karibik aufhielt, weil er auf den Bahamas eine Yacht hatte. Und Dylan wäre nicht Dylan, wenn er nicht Stimmung und Vorstellungswelt der Menschen dieser Gegend aufgesogen hätte wie ein Schwamm.“

Und tatsächlich führte ich noch Songs wie Blind Willie McTell, das Album „Oh Mercy“ und den Song „New Pony“ von Street Legal (1978) auf. In Letzterem wird sogar ausdrücklich „Vodoo“ erwähnt. Ich zitiere nochmals aus meinem damaligen Beitrag:
„Oder in „New Pony“ vom Album „Street Legal“, der von Charlie Pattons und Son House’ „Pony Blues” beeinflusst ist. Zwei der Bluessänger, die explizit damit in Verbindung gebracht worden sind, dass der Blues die Musik des Teufels ist. Warum soll er das sein? Weil der Blues sexuelle Themen präferiert und an das von vielen christianisierten Schwarzen verdrängte und verleugnete afrikanische Erbe fortführt.

Und was singt Dylan denn auch in diesem Song seines letzten „vorchristlichen“ Albums:
They say you’re usin’ voodoo, your feet walk by themselves
They say you’re usin’ voodoo, I seen your feet walk by themselves
Oh, baby, that god you been prayin’ to
Is gonna give ya back what you’re wishin’ on someone else“

Und in der Tat, im Blues lebt das alte afrikanische Erbe fort. Tony Atwood, der auf seinem wichtigen Dylan-Blog „Untold Dylan“ auch diesen Song besprochen hat, hat etwas verkürzt, so meine ich, für den Titel alleine „Sex und Blues, Blues und Sex. Total verschlungen“ als Fazit gezogen.

Aber warum Voodoo? Warum heißt das Pony Lucifer?

Natürlich geht es hier um Sex und Blues. Aber es geht auch um den Glauben an Vodoo und an den Glauben an den christlichen Gott. Und wenn Dylan hier singt, dass sein Baby Voodoo-Zauber benutzt, und er sagt ihr „es ist aber Gott zu dem Du gebetet hast und der gibt Dir zurück, was Du anderen gewünscht hast“, dann ist das auch eine Auseinandersetzung zwischen schwarzem christlichen und afrikanisch-karibischem Glauben.

Und so könnte man diesen Song auch als einen Vorgriff auf die drei christlichen Alben Dylans sehen. Wenn wir Street Legal als Übergangsalbum in einer schwierigen persönlichen Situation sehen, so zeichnet sich hier schon die neue Richtung ab.

Die Songs der von April bis Mai 1978 aufgenommenen Platte waren musikalisch von Gospel, Spiritual-Anklängen, von Soul und Blues geprägt. Kein Wunder arbeitete er doch schon seit Mitte Januar 1978 mit der schwarzen Background-Sängerin Helena Springs zusammen, hatte wohl auch eine Beziehung mit ihr, und schrieb mit ihr fast zwanzig Songs. Street Legal beendete die 1970er-Phase, die vom weißen Folk-Rock geprägt war. Bob Dylan setzte sich nun, so sagte es Mitmusiker Billy Cross dem Dylan-Biograph Clinton Heylin, ganz tief mit der schwarzen Kultur auseinander. Und er hatte unter seinen in den Jahren 1978 bis 1985 wechselnden Background-Sängerinnen auch immer wieder wechselnde Freundinnen mit denen er auch Lieder schrieb oder sang wie eben Helena Springs oder auch Clydie King. Das Video von Abraham, Martin and John, spricht Bände über seine Beziehung mit Clydie. Die Afro-Amerikanerin Mary Alice Artes, eine Freundin von Helena Springs, wurde auch eine gute Freundin von ihm, und wurde als „Queen Bee“ in den Liner Notes von Street Legal verewigt. Sie half ihm beim Übertritt zum christlichen Glauben.

Einem christlichen Glauben, der sich religiös in einer evangelikalen Kirche, kulturell aber in der Mischung aus Rock und schwarzem Gospel manifestierte. Es kann sehr gut sein, dass Dylan sich im Song „New Pony“ auch von den Empfindungen seiner damaligen schwarzen Freundinnen und deren Selbstfindung zwischen verdrängtem afrikanisch-karibischen Erbe, strenger kirchlicher Erziehung und dem ewigen Spannungsfeld zwischen Gospel, Soul und Blues, beeinflussen ließ.

Ein Spannungsfeld, durch das man nicht ohne Widersprüche kommt. Dylan predigte während seiner Born Again-Phase christlich-fundamentalistisch. Er spielte schwarzen Gospel-Rock. Sein damaliger privater Lebensentwurf schien aber sinnlichen und lebenszugewandten afrikanischen Traditionen näher zu stehen.
In dieser Phase lernte er dann Carolyn Dennis kennen, die seine Background-Sängerin bis Mitte der 1980er blieb und die er 1986 heiratete und mit der er die gemeinsame Tochter Desiree Gabrielle Dennis-Dylan hat.

Und Dylan blieb in den 1980ern der Black Community weiterhin zugewandt, 1985 nahm er mit Kurtis Blow zusammen einen Rap-Song auf. Doch das ist wieder eine andere Geschichte von „Bob Dylan und Black America“.