Ehrlich gesagt kann ich weder mit Zirkus, noch Varieté noch mit Magiern so richtig was anfangen. Da bin ich nie richtig mit warm geworden. Ich respektiere aber schon die Leistungen von Artisten und Bühnenmagiern, da ich weiß wie viel harte Arbeit dahintersteckt.
Was ich mir aber auch stets bewahrt habe, ist der Respekt vor der mythischen Figur des Zauberers. Der – ohne Netz und doppelten Boden – Dinge macht, die nicht so recht erklärbar sind. Also wirklich zaubert und nicht – anhand von Drähten, Lichteffekten und verborgenen Kammern – reale Handlungen verbirgt und Illusionen erzeugt. Der wirkliche Zauberer ist eine in Sagen, Mythen und Märchen überlieferte Figur. An ihn werden wir – aller Aufklärung zum Trotz – wohl immer, und sei es augenzwinkernd, glauben.
Dylan ist ja stets als Trickser bezeichnet worden. Also als einer, der uns was vormacht. Trickser hat immer eine negative Konnotation. Da ist einer nicht ganz ehrlich, da täuscht uns einer. Aber bitteschön, was macht denn dann ein Magier, ein Illusionist? Er täuscht, verblüfft und begeistert gleichzeitig die Leute. Dylan ist sicher der große Musiker unserer Zeit, dessen Ansehen am umstrittensten ist. Warum? Sicher auch, weil er die Medien stets so bedient, wie er es mag und für richtig hält, weil er nicht kumpanig ist und weil nur er entscheidet, wer ihm wann, wo und überhaupt nahe kommen darf.
Dylan als Zauberer zu sehen, wie es dieser Tage die Frankfurter Rundschau tut, ja, das kann ich voll und ganz nachvollziehen. Zum ersten Mal drängte sich mir dieses Bild beim Frankfurter Konzert 2007 auf. Bei „Nettie Moore“ führte er uns gedanklich ganz weit weg, sang zerbrechlich und prägnant zugleich, flüsterte sehnsuchtsvoll und füllte das Rund der Jahrhunderthalle mit einem Klangteppich, der so berührend, bezaubernd und fesselnd war, dass man atemlos der Darbietung folgte, und trotz aller Lautstärke das Gefühl hatte, eine Stecknadel fallen hören zu können. Reine Zauberei! Dazu kam, dass sein Bühnenoutfit durchaus an manchen Tagen auch einen großen Magier gut kleiden würde.
Und jetzt dieses Album. „Shadows In The Night“. Wie sehnsuchtsvoll, zart und berührend er singt. Wie wunderbar er die Songs arrangiert hat. Wie er das Album komponiert hat und welche Titel er ausgewählt hat. Und wie er uns mitnimmt auf diese Reise voller Liebe, Verlangen, Niederlagen, Trauer und Einsamkeit, aber mit dem Schlussakkord der Hoffnung. Wieder: Ganz große Zauberei! Was für ein Künstler!