Bob Dylan begeistert im Baskenland

21. Juni 2023

19. und 20. Juni 2023, Donostia-San Sebastian, Kursaal

Ohne Bob Dylan wären wir wahrscheinlich nie nach San Sebastian gekommen, dessen baskischer Name „Donostia“ uns ehrlicherweise vorher auch nicht geläufig war. Als wir feststellten, dass wir nach den anstrengenden Corona-Jahren endlich mal wieder einen Strandurlaub brauchten, und der nächste USA-Trip noch etwas warten müsste, war es ein Wink des Schicksals, dass Bob Dylan eine ausführliche Spanien-Tour plante. Hatten wir zuerst auf Granada und die Alhambra geschielt, erschien uns dann die dort naheliegende Küste als zu touristisch überlaufen und der weg von Küste zu Konzert als zu aufwendig. Donostia-San Sebastian machte das Rennen. Mehrere Stadtstrände, eine eigene Kultur, Sprache und Kulinarik – diesen Teil von Spanien kannten wir noch nicht. Und gleich zwei Konzerte in der Stadt. Wow! Da ging es also hin.

Etwas mehr als eine Woche waren wir schon in der Stadt, hatten uns dort zwischen Strandleben, Altstadt, Gros und gutem Essen und Trinken eingegroovt, als die Konzerte näher rückten. Schon einen Tag vorher schauten wir uns beim nah an der Konzertstätte Kursaal gelegenen Hotel um und tatsächlich sahen wir dann Drummer John Pentecost, als er sich vom Hotel in die Altstadt – und vielleicht zum Strand? – aufmachte.

Der erste Abend

Am Tag des ersten Konzerts sahen wir natürlich die Ankunft der legendären schwarzen „Beat The Street“-Busse aus Österreich und beobachteten eine Zeit lang das Treiben rund um den Hintereingang des Kursaals. Nach einem leichten Abendessen direkt gegenüber vom Haupteingang, stürzten wir uns dann gegen 18.45 Uhr ins Getümmel.

Die Spanier:innen nahmen sich sehr viel Zeit. Viele kamen erst kurz vor knapp von der Kursaal-Bar ins Auditorium, während wir nach dem Kauf des obligatorischen Tour-Shirts mit seinem rätselhaften Motiv „Der Bogatyr“ – hier der Wikipedia-Eintrag zu der historischen Figur Ilja Muromez, die mich an die in der Kindheit von mir geliebte Puppenmärchen-Serie „Die Abenteuer des starken Wanja“ erinnert: https://de.wikipedia.org/wiki/Ilja_Muromez – gleich unsere Plätze einnahmen und den schönen Saal bewunderten.

Als dann wirklich alle kurz nach acht ihre Plätze einnahmen, waren wir begeistert von der Sicht. Durch die relativ niedrige Bühne, dem ansteigenden Zuschauerrängen und dem Umstand, dass Dylan am kleinen Flügel nun mitten auf der Bühne sitzt und steht, hatten wir aus der 11. Reihe den besten Blick auf Dylan seit Jahren.

Nachdem die ersten beiden Songs „Watching The River Flow“ und „Most Likely Go Your Way (And I’ll Go Mine)“ noch mit Soundproblemen zu kämpfen hatten und Dylans Stimme schwer zu hören war, hatte der Mann am Mischpult ab dem dritten Song alles geregelt und ein wunderschönes Konzert nahm Fahrt auf.

Erster großer Höhepunkt war „When I Paint My Masterpiece“. Sozusagen die Blaupause für das aktuelle Dylan’sche Konzertkonzept. Dylan trägt die erste Strophe nur mit geringer Begleitung vor, deklamiert den Text zur Musik und ehe die restlichen Musiker einstimmen und schließlich die Konturen des Stückes finden. Das hat etwas von in die Songs hineintasten zu tun und ist die musikalische Entsprechung des Dylan’schen Umgangs mit Songtexten, die er vor 50 Jahren und mehr geschrieben hat. Der 82-jährige kann die Songs nicht so singen wie sein damals 30-jähriges Ich. „Was wollte ich damals sagen, was hat das mit mir heute zu tun und wie denke ich jetzt drüber?“ könnten die Fragen gewesen sein, als Dylan diesen Song neben die neuen Stücke von „Rough & Rowdy Ways“ gestellt hat. Bei „Masterpiece ist es die Einsicht, dass man mit über 80 weiß, dass es einem immer noch umtreibt, ein „Masterpiece“ zu malen. Die Arbeit daran hört nie auf. Auch eine Einsicht die Dylan weiterhin zur konzertanten Rastlosigkeit antreibt.

„Masterpiece“ jedenfalls kommt dem Meisterstück schon recht nahe an diesem Abend. Es ist faszinierend, Dylan und seiner Band durch den Song zu folgen und ein wunderschönes Mundharmonika-Solo macht das Ganze dann zu einem erhabenen Ereignis.

Zweiter Höhepunkt des Abends ist dann „I’ll Be Your Baby Tonight“. Der Song beginnt als Gospel, mutiert zum Rock’n’Roll, um dann wieder zum Gospel zu werden. Mit diesem Song, eigentlich ein ganz klar sexuell aufgeladenes Stück, hebt Dylan wieder einmal die Trennung zwischen religiösen und weltlichen Liebesliedern auf und unterrichtet uns gleichzeitig in Musikgeschichte. Der Rock’n’Roll genauso wie der Soul hat seine Wurzeln auch im Gospel und wer sich fragt, woher die Extase, die Körperlichkeit und Little Richards „A-WOP-BOP-A-LOO-BOP-A-WOP-BAM-BOOM eigentlich stammen, der könnte in den Pfingstler-Kirchen des amerikanischen Südens fündig werden.

Nächster Höhepunkt: Key West. Bob Dylans Utopie auch hier ganz eindeutig und verständlich deklamiert. Doch Dylan bleibt auch hier nicht stehen. Gegen Ende des Songs ändert sich der Rhythmus, es wird atmosphärisch dunkler und treibender. Ein Abgesang auf die schöne Utopie, der doppelte Boden, der hier vielleicht nötig ist? Dylan gelingt es auch an diesem Abend seinen Songs immer neue Wendungen zu geben.

Nach „Key West“ stellt er seine Band vor. Er hat sichtlich Spaß an der Arbeit seiner Mitmusikanten. Er fordert von jedem eine kleine Kostprobe seines Könnens ein und macht freundliche Scherze über Doug Lancio und Tony Garnier. Überhaupt wirkt er an diesem Abend sehr aufgeräumt und bedankt sich mehrmals zwischen den Songs beim Publikum.

Nächster Höhepunkt: „Mother Of Muses“ singt er dann wieder so herzergreifend, dass Tränen kommen und bei den Zeilen

„Sing of Sherman – Montgomery and Scott
Sing of Zhukov and Patton and the battles they fought
Who cleared the path for Presley to sing
Who carved out the path for Martin Luther King“

spontan Applaus erschallt.

Das Konzert biegt in die Zielgerade ein und beim letzten Stück „Every Grain Of Sand“ entfaltet sich dessen überirdische Atmosphäre. Alles wirkt vorbereitet für ein weiteres Dylan-Mundhamonika-Solo, doch Dylan bleibt lieber am Klavier. Danach folgen lautstarke, stehende Ovationen und Bravo-Rufe, denen Dylan mit einer kleinen Triumphgeste entgegnet. Großartig!

Doch für Schwelgereien bleibt keine Zeit. Schnell geht das Saallicht an und die Spanier:innen drängen nach draußen. So entspannt sie vor dem Konzert waren, so unbegreiflich hektisch agieren sie nach Konzertende. Mal schauen, wie es morgen wird. Der heutige Abend war grandios. Wir freuen uns auf morgen.

Der zweite Abend

Schrieb ich im Herbst 2022 über die Berliner Konzerte noch, jedes sei anders gewesen, so trifft dies diesmal nicht zu. Nur in Nuancen verändert Dylan das Konzert, das abermals ein sehr starkes ist. Die Glanzpunkte sind auch am zweiten Abend im Kursaal die gleichen. „I Contain Multitudes“ und „Crossing The Rubicon“ schließen diesmal noch zu den Höhepunkten auf, weil Dylan sie noch prononcierter intoniert als am Abend zuvor. Etwas ab fällt dagegen „To Be Alone With You“, das seltsam unentschieden zwischen alter und neuer Bedeutung mäandert. Und mit „Old Black Magic Called Love“ geht er wieder auf Nummer sicher.

„Key West“ hat am zweiten Abend nicht die Atmosphäre des Abgesangs auf die Utopie, bleibt aber trotzdem sehr dicht. Auch „Masterpiece“ ist wieder ein weiteres Glanzlicht. Auch wegen des Mundharmonika-Solos.

Dass Dylan bei dieser Sommer-Tour großen Spaß hat, beweist wieder die Vorstellung der Band. Dylan lacht sich über Tonys Kurz-Solo sichtlich schlapp. Das tut allen gut.

Bereits beim Harp-Solo von „Masterpiece“ kommen einem jedoch die Tränen, wird einem wehmütig. Es ist das zweite und wahrscheinlich letzte Konzert Dylans, dass wir in diesem Jahr sehen werden. Was nächstes Jahr sein wird, wer weiß? Offiziell endet ja dann die RARW-World Tour.

Und so schickt uns Dylan mit einem erneut hinreißenden „Every Grain Of Sand“ voller Wehmut hinaus in die regnerische Nacht in Donostia. Es war toll, ihn wieder gesehen und gehört zu haben. Wie freuen uns auf alles, was da noch kommt. So vital und entspannt wie er aber diesmal aufgetreten ist, verbindet sich die Wehmut dann doch letztlich wieder mit Hoffnung. Weiter geht’s, Bobby!

Setlist der beiden Konzerte:

1.           Watching The River Flow

2.           Most Likely You Go Your Way (and I’ll Go Mine)

3.           I Contain Multitudes

4.           False Prophet

5.           When I Paint My Masterpiece

6.           Black Rider

7.           My Own Version of You

8.           I’ll Be Your Baby Tonight

9.           Crossing The Rubicon

10.         To Be Alone With You

11.         Key West (Philosopher Pirate)

12.         Gotta Serve Somebody

13.         I’ve Made Up My Mind To Give Myself To You

14.         That Old Black Magic

15.         Mother of Muses

16.         Goodbye Jimmy Reed

17.         Every Grain of Sand

Die Lovesongs von Bob Dylan

9. Juni 2023

Die Songwriter-Legende hat neben Protestsongs, surrealen Tagträumen, Gesellschafts- und Geschichtspanoramen oder dunkle Lieder über Vergänglichkeit auch einige der schönsten Liebeslieder geschrieben. Eine Annäherung.

Copyright: Columbia Records

Auf dem Backcover von „Shot Of Love“ aus dem Jahr 1981 ist – wie ich meine – eines der schönsten Bilder von Dylan überhaupt zu finden. Dylan – wohl verliebt und erwartungsvoll – begutachtet eine Rose. Vielleicht übergibt er sie im nächsten Moment seiner Liebsten? Geschossen hat das Bild Dylans langjähriger Freund und Partner in Filmprojekten, Howard Alk. Es sticht aus den vielen Bildern Dylans heraus, weil er hier mal nicht cool oder gelangweilt aussieht, sondern als ein Mann der Emotion und wohl auch klaren Absicht dargestellt wird. Kein Wunder, heißt das Album doch „Shot Of Love“ und im Titelsong bekräftigt Dylan ja auch, wie sehr er einen „Schuss der Liebe“ jetzt bräuchte.

Das Album enthält neben den letzten Ausläufern seiner missionarischen Tätigkeit („Property Of Jesus“) und Songs für die Ewigkeit (Every Grain Of Sand) auch einen seiner schönsten Lovesongs: Das funkige „Watered Down Love“ bricht eine Lanze für die wirkliche, wahrhafte Liebe und lehnt die „verwässerte“ ab.

In der Tat, der vor mir sehr geschätzte Musiker Bernd Hoffmann wird nicht müde es zu betonen: Dylan hat auch die schönsten Lovesongs geschrieben. Mit denen will ich mich ein bisschen beschäftigen, denen versuche ich mich anzunähern.

Fünf Spielarten von Lovesongs habe ich im Dylan’schen Werk identifiziert. Da sind die Songs, die wahre Liebe beschwören, dann gibt es die „I don’t love you“-Songs. Das Genre hat Dylan im Grunde erfunden. Dann gibt es noch die traurigen oder nachdenklichen Songs über verlorene oder unklare Liebe. Dann gibt es die Liebeslieder, von denen man nicht genau weiß, an wen sie sich richten. An eine Frau, an einen Gott? Und zuletzt kamen noch die Songs zu, die vieldeutig und dunkel sowohl als Lovesong oder als Mörderballade deutbar sind.

Die Songs von wahrer Liebe

Copyright: Columbia Records

Einer meiner Favoriten ist hier „Love Minus Zero/ No Limit“, das Dylan wohl für Sara geschrieben hat. Er singt zärtlich über die Geliebte, voller Beschützerdrang. Und es wird hier deutlich, wie sehr ihre Anwesenheit ihn beruhigt. Sie gehört nicht zu den Sprücheklopfern, ewigen Diskutierern mit starken Worten. Ihre Klugheit ist die Ruhe und Selbstverständlichkeit mit der sie ihn liebt.

„I Want You“ ist auch so ein Stück aus dieser Zeit. Um Dylan herum ist Remmidemmi, ein Jahrmarkt der Eitelkeiten, ihm ist das alles zu viel, er will eigentlich nur an seine Geliebte denken.

Auch als eine Art Lovesong kann das wunderschöne „Emotionally Yours“ (1985) gelesen werden. Er hat, so sagt die Dylan-Forschung, für Elisabeth Burton geschrieben, die beiden standen sich damals wohl recht nahe.

Aus jüngerer Zeit ist natürlich „Make You Feel My Love“ zu nennen, eine einzige bombastische Liebeserklärung mit für Dylan ungewohnt simplen Bildern, die es in der Pop-Lyrik schon immer gegeben hat. Aber wie er es singt, und wie er die Bilder zu einem Song zusammenführt, ist große Klasse und der Song ist einer der meistgecoverten des Meisters.

Ich lieb‘ Dich nicht

„Don’t Think Twice, It’s Allright“ und It Ain’t Me Babe“ sind Songs, die es bis dahin nicht gegeben hat. Da singt nicht einer über die Freude, geliebt zu werden. Nein hier ist jemand genervt, von einer Person, die vorgibt ihn zu lieben. Und Dylan sagt es klipp und klar: „Denk nicht drüber nach, ist schon okay“ und „Ich bin es nicht“.

Songs über vergangene und verlorene Liebe

Dylan hat ein ganzes Album über das Ende einer Liebe gemacht. „Blood On The Tracks“, das traurige Trennungsalbum zum Scheitern seiner Ehe mit Sara. Da sind tieftraurige Songs wie „You’re A Big Girl Now“ aber auch wütende wie „Idiot Wind“. Für mich die beiden schönsten sind „Shelter From The Storm“ und „Simple Twist Of Fate“. „Shelter“ zeigt nochmal die Basis der Beziehung zu Sara auf. Sie war jemand, die ihn aus dem Rockbusiness herausholte. Aus den Hahnenkämpfen, aus der Imagearbeit, den Intrigen, den Posen, aber auch aus den Zweifeln und dem Leistungsdruck. Bei ihr fand er Schutz und Geborgenheit. Daher war sie die ideale Partnerin, um aus dem Rockzirkus auszusteigen und eine Familie zu gründen. Als das alles Dylan wieder zu eng wurde, er wieder „on the road“ wollte, war es dann vorbei mit der großen Liebe.

Copyright: Columbia Records

„Simple Twist Of Fate“ erzählt von der kurzen, leidenschaftlichen Begegnung zweier Menschen. Der Sänger fragt sich, ob daraus etwas Richtiges hätte werden können. Hängt der Frau in Gedanken nach.

Frau oder Gott?

„I Believe In You“ (1979) ist eindeutig ambivalent. Dann schildert er, wie er für seine neue Liebe angefeindet wird. Und jeder denkt da natürlich an seinen neu gewonnen christlichen Glauben. Er glaubt an Gott. Wenn Dylan aber dann singt:

„I believe in you even through the tears and the laughter,

I believe in you even though we be apart

I believe in you even on the morning after

Oh, when the dawn is nearing

Oh, when the night is disappearing

Oh, this feeling is still here in my heart“

Dann klingt das doch auch sehr nach der Liebe zu einem Menschen.

Wenn wir dann noch wissen, dass es Frauen in seinem Umfeld waren, die ihn bestärkt haben, sich Gott zuzuwenden, dann kann es doch sein, dass sich beide Themen in Dylans Leben doch recht nah waren. „Precious Angel“ und „Convenant Woman“ legen Zeugnis dafür ab. Für mich war diese Ambivalenz dann auch mitentscheidend dafür, dass ich bei Dylan während der Jesus-Jahre geblieben bin.

Jüngstes Beispiel dieser Ambivalenz ist das wunderschöne „I’ve Made Up My Mind to Give Myself to You“ (2020). Wie schön er da voller Liebe und Hingabe singt! Das Gute am alten, immer noch gläubigen Dylan ist, dass er nicht missionieren will, dass sein Gott jetzt kein strafender Gott ist, dem man gehorchen muss, sondern einer, den man lieben kann.

Dylan ist als Schreiber von Lovesongs ein hemmungsloser Romantiker und als mittlerweile 82-jähriger älterer Herr hat sich sein Frauenbild in den 1960er Jahren gefestigt. So sehr er in den Songs wie wohl auch im Leben in einer Liebesbeziehung auch den Beschützerinstinkt einbrachte und sich gleichsam Geborgenheit wünschte, so hat er dennoch hat er immer auch den Kontakt zu „starken“, selbstbewussten Frauen gesucht. Mit Suze Rotolo, Mavis Staples, Joan Baez, Malka Marom und Patti Smith seien hier nur wenige beispielhaft genannt. Sich mit schönen, aber stummen Models zu umgeben wie andere Rockstars, war nie seine Sache.

Zwischen romantischer Liebe und Femizid

Copyright: Columbia/ Sony

In jüngster Zeit, oder sagen wir seit gut zehn Jahren, seit Tempest (2012) beschäftigt sich Dylan in einigen Songs mit dem schmalen Grat zwischen romantischer Liebe und krankhaftem Besitzanspruch. So hat Dylan-Experte Heinrich Detering den Song „Soon After Midnight“ als Bekenntnis eines Frauenmörders gelesen. Und auch die Dylan-Podcast-Macherin Laura Tenschert hat hier die „dünne Linie zwischen Liebessong und Mörderballade“ gesehen. Viele traditionelle Mörderballaden wie beispielsweise „Delia“ oder „T for Texas“ handeln ja von Femiziden aus gekränktem männlichem Stolz und Besitzanspruch.

Dylan scheint diese dünne Linie bewusst, sie scheint ihn zu interessieren. So sind die Live-Neuausrichtungen der Songs „To Be Alone With You“ und „I’ll Be Your Baby Tonight“ genau darauf ausgelegt.

Und so verändern sich über die Jahre auch Dylans Lovesongs. Von den hellen Liedern in der Frühzeit über die grauen Lieder der Trennungszeit, dem neuen Beschwören der wahren Liebe in den mittleren Jahren bis hin zu den dunklen, bösen, doppelbödigen Songs des Alterswerks. Auch das wieder eine Welt für sich im großen Werk des alten Barden, die noch genauer sich zu erkunden lohnt.

Darmstadt schickt Geburtstagsgrüße an Bob Dylan

26. Mai 2023

Feier für die 82-jährige Singer-Songwriter-Legende wird zum Gänsehaut-Erlebnis

V.l.n.r.: Thomas Waldherr, Dan Dietrich, Martin Grieben, Günter Geisinger, Bernd Hoffmann, Bernd Windisch

Als gegen 22.45 Uhr der lange Bob Dylan-Abend endete, gab es im vollen Saal der Bessunger Knabenschule kein Halten mehr: Standing Ovations mit donnerndem Applaus und Jubel-Rufen – das Publikum war sichtlich begeistert und mitgerissen vom Programm.

Bernd „Dylan“ Hoffmann, Foto: Americana

Wieder einmal waren hochkarätige Künstler aus der Region Südhessen/Nordbaden – der Frankfurter Martin Grieben, der Darmstädter Dan Dietrich und die Weinheimer „Zimmerman’s Friends“ – dem Ruf von Americana-Kurator Thomas Waldherr gefolgt und lieferten ein Dylan-Programm der Sonderklasse ab.

Songs und Texte von und über Bob Dylan gruppierten sich den Abend über nach Themen wie „Love“, „War and Peace“ oder „Friends & Rivals“ ein. Waldherrs Kurzvorträge schlugen dabei einen Bogen von der Diskussion über Dylan als autonomen Künstler bis hin den sportlichen Vorlieben des Meisters wie Boxen und Baseball. Zu letzterem kam sogar Dylan aus dem Off höchst selbst zu Wort und überraschte die Zuhörer:innen mit einem A-Capella-Baseball-Song.

Bei der Songsauswahl kamen neben den bekannten Songs wie „Chimes Of Freedom“ (Dan Dietrich) oder „All Along The Watchtower“ (Martin Grieben) auch weniger bekannte Stücke wie „Catfish“ (Zimmerman’s Friends) zu ihrem Recht. Martin Grieben brillierte mit dem funkig-souligen „Watered-Down Love“ von 1981 und dem nachdenklichen „License To Kill“ von 1983. Dan Dietrich gelang eine mitreißende Version von „A-Hard Rain’s Gonna-Fall“ (1963) sowie ein berührendes „Not Dark Yet (1997).

Martin „Dylan“ Grieben“, Foto: Americana

Bernd Hoffmann von den Zimmerman‘ Friends wies auf die Qualitäten von Dylan als Schreiber von Lovesongs hin und brachte mit seinen Mitstreitern als Beweis eine verzückende Version „Make You Feel My Love“ auf die Bühne. Während Grieben und Dietrich mit Musik und Gesang mehrheitlich expressiv und treibend unterwegs waren, spielten die Weinheimer Freunde vom Zimmermann ganz entspannte Laid Back-Songs. So schon ganz am Anfang als sie den „Honky Tonk Blues“ von Dylans Idol Hank Williams intonierten oder später, als sie eher fatalistisch die Zustände auf Maggies Farm beklagten. Und am Ende gelang ihnen eindrucksvoll eine der shönsten und zugleich traurigsten Versionen von „Knockin‘ On Heavens‘ Door.

Dazu gab es eine Reihe von Stücken, die das gesamte Ensemble zusammen aufführte. Hier waren vor allem auch Martin Grieben und Dan Dietrich für die Leadvocals zuständig. Anfang und Schlusspunkt setzte „My Back Pages“ in dem Dylan ja feststellt, dass er „younger than that now“ sei, was auch für diese Tage wieder ganz genau passt.

Dan „Dylan“ Dietrich, Foto: Americana

Denn im Juni ist er ganz ausgedehnt in Südeuropa unterwegs und mit „Shadow Kingdom“ steht die nächste Albumveröffentlichung auch schon wieder kurz bevor. Vor der Pause wurde „Hurricane“, das Lied über den zu Unrecht wegen Mordes verurteilten schwarzen Boxers Rubin Carter gespielt und als Zugaben erklangen „I Shall Be Released“ und „Blowin‘ In The Wind“.

Und so hat die Darmstädter Dylan-Gemeinde wieder einmal ihren Meister hochleben lassen. Nach Aussage von Thomas Waldherr soll dies im Rahmen der Americana-Reihe nun jährlich geschehen. Darmstadt kann sich freuen!

Alle singen sie für Bob

12. Mai 2023

Welchen Einfluss der Song-Großmeister Bob Dylan auf Musiker aus der Rhein-Main-Neckar-Region hat/ 25. Mai: Große Dylan-Geburtstagsfeier in Darmstadt

Bob Dylan, Copyright: Wikimedia Commons

Wenn am Donnerstag, 25. Mai, in Thomas Waldherrs Darmstädter Americana-Reihe von der Bühne der Bessunger Knabenschule (Beginn 20 Uhr) die „Geburtstagsgrüße für Bob Dylan“ versendet werden, dann ist das auch eine Feier von Künstlern aus der Rhein-Main-Neckar-Region. Denn an diesem Abend werden die Songs des Literaturnobelpreisträgers und Songwriter-Papsts von Musikern aus Frankfurt, Darmstadt und Weinheim interpretiert. Es treten auf: Der langjährige Darmstädter Lokalmatador und nun in Frankfurt lebende Martin Grieben („Jay“), der „Darmstädter Dylan“ Dan Dietrich und die Weinheimer Zimmerman‘ Friends. Da fragt sich natürlich, was die Musiker aus dieser Region zu Dylan gebracht hat und was er ihnen bedeutet.

Dylan-Freunde aus Frankfurt, Darmstadt, Weinheim

Der „Darmstädter Dylan“ Dan Dietrich, der in Halle an der Saale geboren wurde, bevor er in der Woogsstadt aufwuchs, kam bereits mit 8 Jahren mit Dylan in Berührung. „Damals bekam ich eine Kassette von meinem Vater in die Hand. „Precious Memories“ war der erste Titel, der mich packte“, erinnert er sich.

Martin Grieben dagegen hat Ende der 1970er den Mitschnitt des „Concert for Bangladesh“ gehört. „Dylan ist da Special Guest. Ich konnte nicht fassen, was in den Songs an Text auf den Hörer losgelassen wird. So richtig geknallt hat es aber erst in den 80ern mit ‚Oh Mercy‘, noch heute eines meiner Lieblingsalben überhaupt und dann mit dem ersten Official Bootleg-Set.“

Dan Dietrich, Foto: Marcus Botsch

Für das Weinheimer Musik-Urgestein Bernd Hoffmann von Zimmerman’s Friends war Dylan als junger Mensch eine wichtige Inspiration: „Wie auch John Lennon und einige andere. Fasziniert haben mich vor allem bis heute die Songtexte.“ Sein Bandkollege Günter Geisinger, der bereits in den 1970er Jahren mit der Musik begann und Teil der Heidelberger Folk-Szene wurde, begeisterte sich für Dylan, als er elektrisch wurde: „Zum echten Dylan-Fan wurde ich durch „Desire“ und hab mich dann zurückgearbeitet und Herrn Zimmerman erst richtig lieben gelernt.“

Bob Dylan-Songs: „Nicht imitieren, sondern interpretieren“

Alle drei spielen regelmäßig Dylan-Songs in ihren Programmen. Martin Grieben, der neben seinen Gastspielen in der Darmstädter Americana-Reihe unter anderem auch mit Volker Rebell auftritt und die „(M)ein Mann-Band“ in der Frankfurter Kult-Talk-Show „Melli redet mit…“ bildet, hat ein eigenes Dylan-Programm. Dan Dietrich, dessen aktuelle Guppe „Dan meets Portland“ heißt, war unter dem Titel „Dan plays Dylan“ auf Tour und im Studio. Und die Zimmerman’s Friends spielen, wie der Name schon sagt, Songs von Dylan und „artverwandtes“ wie John Prine oder Neil Young.

Martin Grieben, Copyright: Niko Neuwirth

Was aber ist das Wichtigste dabei, was muss man bedenken, wenn man Bob Dylan covert? Altmeister Bernd Hoffmann hat dazu eine klare Haltung: „Das Wichtigste beim “Covern”, also bei der Interpretation von Songs anderer Künstler, ist, dass man dem Song eine eigene, persönliche Note gibt. Ansonsten würde man sich ja selbst als Künstler quasi aufgeben, sich überflüssig machen. Reine “Look und Soundalike”-Coverbands, von denen viele sehr erfolgreich sind, finde ich oft eher zum ‚fremdschämen‘.“ Dan Dietrich antwortet augenzwinkernd: „Nicht imitieren, sondern interpretieren. Und natürlich sollte man sich auch mit dem Titel identifizieren können. Ansonsten… sing irgendeinen Song und setz ihm einen Dylan-Hut auf… er wird ihn sicherlich auch schon gesungen haben.“

Jeder Dylan-Fan hat natürlich auch seine Lieblingssongs des Meisters. Während Dan Dietrich einen Titel besonders hervorhebt, „Mama, You’ve Been On My Mind“, ist Bernd Hoffmann vom ganzen „Blood On The Tracks“-Album angetan. Und Martin Grieben hat so viele Lieblingssongs, dass er nur auf die verweist, der momentan besonders gerne spielt:“ License to Kill, Buckets of Rain, My Own Version of You und Po‘ Boy“.

Zimmerman’s Friends, Copyright: Promo

Dylan-Geburtstagsfeier: „Spaß am Interpretieren, Philosophieren und Gratulieren“

Das Darmstädter Publikum darf sich also auf drei Acts voller Dylan-Wissen und -Leidenschaft freuen. Und die wiederum freuen sich auch auf einen ganz besonderen Abend: „Auf ein Zusammentreffen von richtig netten Menschen mit durchsichtiger Dylan-Brille auf der Nase und einer Menge Spaß am Interpretieren, Philosophieren und Gratulieren“, befeuert Dan Dietrich die Vorfreude auf den 25. Mai unter allen, denen Bob Dylan etwas bedeutet.

Tickets im Vorverkauf: www.knabenschule.de . Telefonische Reservierungen unter 06151/61650.

Zimmerman’s Friends: Don’t Think Twice, It’s Allright

Harry Belafonte (1927 – 2023)

25. April 2023

Wir trauern um eine amerikanische Ikone

Copyright: Wikimedia Commons

Er war Sänger, Schauspieler und Entertainer und in diesem Metier schon eine amerikanische Legende. Darüber hinaus war er auch Zeit seines Lebens gesellschaftlich und sozial engagiert. War in der Bürgerrechtsbewegung neben Martin Luther King aktiv und äußerte sich immer wieder kritisch zu Gesellschaft und Politik in den USA. Er war eine der ganz großen Stimmen des „anderen Amerika“. Nun ist diese Stimme für immer verstummt.

Als Sohn des Matrosen Harold George Bellanfanti, Sr. aus Martinique und der jamaikanischen Hilfsarbeiterin Malvene Love in Harlem in einfachen Verhältnissen geboren, wuchs er im Schwarzen-Ghetto auf. Dennoch schaffte er es, die High School zu besuchen. Inspiriert durch den großen afroamerikanischen Sänger und Schauspieler Paul Robeson, beschloss er ebenfalls Schauspieler zu werden. In den frühen 1950er Jahren schloss er sich der Folksong-Bewegung an und sang Lieder, die von der Musik der Westindischen Inseln geprägt waren. 1956 gelang ihm der Durchbruch mit dem Calypso und dem Banana Boat Song, der Popgeschichte schrieb. Harry wurde zum „King Of Calypso“ und war Anfang der 1960er Jahre einer der bekanntesten schwarzen Künstler.

Und hier ist dann auch die Verbindung zu Bob Dylan. Am 2. Februar 1962 nahm Bob mit Harry Belafonte den Song „Midnight Special“ auf. Er spielte Mundharmonika auf diesem Stück und Harrys Kommentar dazu war: “Das Spiel war perfekt, die Aufnahme ist perfekt!” Ob Harry da schon ahnen konnte, dass Bob später ebenfalls zu einer amerikanischen Musik-Ikone werden sollte?

Copyright: RCA Victor

Wie auch immer, blieb Harry Belafonte über die Jahrzehnte eine feste Größe in der internationalen Musikszene und war auch gern gesehener Gast auf deutschen Konzert- und Studiobühnen. Nie hatte Harry Berührungsängste mit der sogenannten „leichten Muse“. Denn er wusste, wie handwerklich anspruchsvoll diese ist. Die Popularität die er damit erreichte, nutzte er für politische und soziale Zwecke. Bis zu seinem Lebensende blieb er Folklorist, sammelte Songs eine Anthologie afroamerikanischer Musik. Und zu dieser Folkmusik zählte er auch den Rapmusik und verdammte die Korrumpierung dieser emanzipatorischen Musik durch die Plattenindustrie, die sie zu einer Musik der Gewalt, des Machismo und der Habgier entstellte.

Heute ist diese große amerikanische Ikone gestorben. Er wird für immer unvergessen bleiben. Rest In Peace, Harry!

Vom Bon Bon Club über Berlin nach Tokyo

14. April 2023

Dylans aktuelle Kunst ist groß, dunkel und meisterhaft und „Shadow Kingdom“ das Scharnier zwischen RARW-Album und Tour

Copyright: Sony/ Legacy

Endlich ist es soweit: Bob Dylan veröffentlicht am 2. Juni die Musik des legendären Streaming-Filmes „Shadow Kingdom“ vom Juli 2021 auf CD, auf Vinyl und digital. Zudem wird am 6. Juni der Film kaufbar als Stream und Download.

Eine gute Sache, auch wenn so mancher Zeitgenosse wieder was zu mosern hatte. Es ist aber halt jetzt eine offizielle Veröffentlichung Dylans mehr, die ein Dylan-Fan einfach haben muss. Zudem eine mit recht aktueller Musik. Denn vieles, was sich bei „Shadow Kingdom“ andeutete, entfaltete sich während Dylans Nach-Pandemie-Touren zur vollen Pracht.

Die Zeit steht still

„Shadow Kingdom“ ist so typisch Dylans Alterswerk, mehr geht nicht. Die Zeit steht still, ein Juke Joint (oder Honky Tonk) ist dunkel, schattig und altmodisch verraucht und zugleich modern divers besucht. Dylan, der Arrangeur, arbeitet an seinen Songs mittlerweile so respektvoll und sorgfältig, als wären die live gespielten Hau-Weg-Fassungen aus den frühen 1990er Jahren aus einem anderen Leben. Dazu ist er mit seiner verjüngten Stimme wieder in der Lage, variabler und prononcierter zu singen als viele Jahre lang.

Alte Songs neu interpretiert

„Watching The River Flow“, „Most Likely Go Your Way (And I’ll Go Mine)“, „I’ll Be Your Baby Tonight“, „When I Paint My Masterpiece“ und „To Be Alone With You“ sind die Songs von „Shadow Kingdom“ aus dem imaginären „Bon Bon Club“, die sich auch in seinem aktuellen Bühnenprogramm, sei es in Berlin oder in Tokyo, wiederfinden. Sie stehen für seine derzeitigen künstlerischen Hauptmotive: Die Autonomie und Unabhängigkeit des Individuums und der schmale Grat zwischen romantischer Liebe und toxischer Beziehung.

Für diese beiden Oberthemen ist Dylans „Rough And Rowdy Ways“-Tourprogramm zusammengestellt. Die Songs vom RARW-Album bilden das Gerüst, dazu fügen sich die alten Songs ein, indem sie von Dylan mittels Textrevision passend gemacht werden. So wird aus dem ausgelassenen Begehren der Originalfassung von „To Be Alone With You“ in der Neuausrichtung ein militanter, bedrohlicher Besitzanspruch.

Kammermusik für den Club

Musikalisch ist „Shadow Kingdom“ Kammermusik für den Club. Für die 2.500er Hallen, die er aktuell bespielt, wird es breiter und voluminöser orchestriert. Es bleibt aber durcharrangiert bis ins kleinste Detail. Jeder Musiker geht im Bühnenkollektiv auf. Das Klangbild steht im Mittelpunkt. Und das kann -durcharrangiert hin oder her – jeden Abend anders sein. Kein Konzert gleicht dem anderen bei nur minimalen Abweichungen der Setlist – „Truckin‘“ ersetzte jüngst Old Black Magic – eine beachtenswerte künstlerische Leistung. Auf dieser musikalischen Basis lebt dann Dylan seine Songs mit seiner Stimme wieder aus.

„Shadow Kingdom“ war für Dylan also der wichtige Zwischenschritt von „Rough And Rowdy – das Album“ zu „Rough And Rowdy Ways – die Tour“. Einer Tour, die immer mehr Fahrt aufnimmt, die längst die Pandemie-Nachwirkungen überwunden hat und nun nach der Japan-Station im Juni und Juli nach Südwest- und Südeuropa kommt.

Logische Veröffentlichung

In diesem Sinne ist es logisch, dass „Shadow Kingdom“ nun erscheint. Denn Dylan lässt uns ja mittlerweile durch die Bootleg-Series an seinen früheren Entwicklungsschritten hinter den offiziellen Alben teilhaben. Also freuen wir uns ohne jede Beckmesserei auf die offizielle „Shadow Kingdom“-Veröffentlichung.

Bob Dylan und die Geschichte von Emmett Till

7. April 2023

Der Tod von Emmett Till im Jahr 1955 beschäftigt Amerika bis heute

Symbolbild Emmett Till, Copyright: Wikimedia Commons

„And then to stop the United States of yelling for a trial

Two brothers they confessed that they had killed poor Emmett Till

But on the jury there were men who helped the brothers commit this

awful crime

And so this trial was a mockery, but nobody seemed to mind“

Bob Dylan, The Death Of Emmett Till

Die Ermordung des damals 14-jährigen schwarzen Jungen Emmett Till und der drauf folgende Freispruch für seine Mörder im Jahr 1955 ist bis heute eine schmerzvolle Wunde, nicht nur in der afroamerikanischen Geschichte. Denn Mord und Urteil schufen Aufmerksamkeit für die rassistische Gewalt der Südstaaten quasi in aller Welt. Und sie waren Auslöser und Verstärker für das sich gerade formierende Civil Rights Movement, das im selben Jahr mit Rosa Parks zivilem Ungehorsam gegenüber der Rassentrennung und dem später folgenden Montgomery Busboykott ihre ersten öffentlichkeitswirksamen Aktionen hatte.

Die Geschichte wird neu erzählt

In letzter Zeit, beeinflusst von dem Tod George Floyds und der Black Live Matters Proteste im Jahr 2020, ist diese Geschichte erneut erzählt worden. So steht im Film „Till – Kampf um die Wahrheit“ mit Danielle Deadwyler und Jalyn Hall, Emmetts Mutter und ihre Suche nach der Wahrheit im Mittelpunkt. In Percyval Everetts neuem Buch „Die Bäume“ ist die Ermordung Emmett Tills quasi das Symbol für alle rassistischen Lynchmorde in den USA. Als nun weiße Rassisten ermordet werden, finden sich neben ihren Leichen immer auch die Leiche von Emmett Till.

Bob Dylan „journalistischer“ Protestsong

Bob Dylan hat über die Ermordung und das Skandalurteil einen Song geschrieben. Doch im Gegensatz zu „The Lonesome Death Of Hattie Caroll“ über William Zantzinger, der im Suff die schwarze Haushaltshilfe und Mutter von elf Kindern so sehr schlug, dass sie einen Schlaganfall erlitt und starb, wurde „The Death Of Emmett Till“ kein Dylan-Klassiker. Er kam noch nicht Mal auf ein offizielles Album.

Dylan hatte ihn 1962 geschrieben und in einigen Rundfunksendungen gespielt, u.a. auch bei „The Folksinger’s Choice Radio Show“ mit Cynthia Gooding. Hier sagte er, er hätte die Melodie von dem Len Chandler-Song „The Bus Driver.“ Wobei die Melodie dem Klassiker „House Of The Rising Sun“ doch sehr ähnlich ist. Nur einmal spielte er den Song live, und zwar im Finjan Club in Montreal, Kanada am 2. July 1962. Doch da war er als Songwriter schon weiter. Am 9. Juli sollte er das geniale „Blowin‘ In The Wind“ aufnehmen. Seine Protestsongs zeichneten sich nun durch feine poetische Bilder aus, die die Anklagen verstärkten.

Copyright: Leftfield Media

Dagegen wirkt „The Death Of Emmett Till“ tatsächlich wie ein gesungener Zeitungsbericht. Dylan machte also hier das, was er später Phil Ochs vorwerfen sollte. Der war seiner Meinung nach eher Journalist als Songwriter. Gut möglich also, dass der Song bei Dylan „in Ungnade“ gefallen ist, nachdem er sich 1962 und 1963 so rasend schnell vom Woody Guthrie-Double und Sänger von Folk-Klassikern zum genialen Protestsong-Poeten entwickelt hatte.

Emmylou Harris‘ Emmett Till-Song

Übrigens griff 2011 Emmylou Harris den Stoff ebenfalls auf, als sie „My Name Is Emmett Till“ veröffentlichte. Wobei sie mir damals sagte, den Dylan-Song gar nicht zu kennen. Sie erzählt den Tod Emmets aus dessen Perspektive. Ein sentimentaler, trauriger Song, dem aber auch die Tiefe und Schärfe fehlt. Die wiederum hat Dylans Song, der aber zu nüchtern beschreibt, als dass er wirklich berühren kann.

Der Blick auf den Tod Emmett Tills zeigt den gewalttätigen Rassismus des Südens als das , was er ist. Eine amerikanische Schande. Die aber leider immer noch aktuell ist, solange schwarze Kids um ihre körperliche Unversehrtheit fürchten müssen, wenn sie am falschen Ort zur falschen Zeit einer Polizeistreife begegnen.

Moraveks wunderbare Song-(Klang)-Welten

24. März 2023

Bob Dylan & The Band meet Jazz & Soul: Michael Moravek & The Electric Traveling Show bezaubern und begeistern bei ihrem Darmstädter Americana-Gastspiel in der Bessunger Knabenschule

Michael Moravek, Copyright: Americana

Sie sind allesamt Vollblutmusiker: Michael Moravek & The Electric Traveling Show entführen das Publikum an diesem Donnerstagabend in der Darmstädter Americana-Reihe in ihre ganz eigene Song- und Klangwelt. Michael Moravek, einer der interessantesten und poetischsten Americana-Singer-Songwriter dieses Landes, lässt mit Hilfe seiner Band die Songs ein Eigenleben entfalten, das das Publikum mitreißt und bezaubert zugleich.

Perfekte, intuitives Zusammenspiel

The Electric Traveling Show sind Andrej Polanský (Viola, Mandoline), William Widmann (Schlagzeug), Stefan Ziezling (Bass) und Ayu Requena Fuentes (Keyboards, Trompete). Der Name ist Programm, denn sie reisen für ihr Zusammenspiel aus ganz unterschiedlichen Ecken an. Michael Moravek und William Widmann kommen aus Ravensburg, Ayu Reguena Fuentes wohnt in Köln, Stefan Ziezling stammt aus Darmstadt und Andrej Polanský lebt in Prag. Da sie schon ein paar Jahre zusammenspielen, bedarf es wenig Proben, ganz intuitiv ist die Band perfekt aufeinander abgestimmt.

Songs des neuen Albums „Dream“

Moravek spielt die Songs seines neuen Albums „Dream“, das im Mai erscheint. „Whenever I Should Fall #3“, „Black I My Favorite Color“ oder Meet Me At The Gateway Of Eternal Dreams“ sind Reflexionen über Träume, die den Sänger durchs Leben begleiten. Traumbilder und Vorstellungswelten, Träume, die wahrer sind als das Leben. Tagträume, Liebesträume, Albträume. Und so passt zu diesen Traumtexten auch die traumhafte Musik. Dylan & The Band meets Jazz & Soul im Midtempo.

Moravek ist der charismatische, eher introvertierte Songwriter und Leadsänger, Widmann ist sein Gegenpol als extrovertierter, gleichsam virtuoser Schlagzeuger, dem an man die Jazzprägung anhört. Andrej Polanský trägt mit seinen Riffs und Soli an Viola und Mandoline viel zur Melodiösität der Band bei. Ebenso wie Requena Fuentes, der mit Tastenspiel und Trompete sowohl Soul als auch The Band-Anmutungen andeutet. Ziezling schließlich spielt einen ebenso stoischen wie gewitzten Bass.

Oftmals haben die Songs einen besonderen perkussiven Einstieg, den Widmann auch mimisch unterstreicht, Moraveks Singstimme schmeichelt die Songs über die Bühne zum Publikum, während Polanský mit sichtlicher Spielfreude seine treibenden Soli einstreut. Fuentes und Ziezling scheinen bei der Performance äußerlich das Understatement zu bevorzugen, geben den Songs aber unverzichtbaren, kraftvollen Halt in Melodie und Rhythmus.

Spannende Klangbilder

Michael Moravek und Thomas Waldherr, Copyright: Americana

So entwickelt sich ein spannendes Konzert, in dem die Band immer wieder eingefahrene rockistische Klangbilder überwindet, um zu überraschen und zu erfreuen. Selten gehörte Schlagzeugfiguren und überraschende Wendungen in der Melodieführung schreiben die Songs scheinbar musikalisch fort, erweitern das Folk-Rock Fundament, ohne es gänzlich aufzugeben. Einmal ist Bandleader Moravek selber sichtlich überrascht ob der Spielfreude seiner Band, die noch eine Instrumentalrunde spielt, als er schon die Gitarre abstreifen will.

Die Chemie zwischen den Musikern stimmt, die Stimmung ist durchgehend relaxt und so spielen sie dann am Ende ihres gut zweistündigen Auftritts, nachdem auch Songs aus den Vorgängerplatten „November“ und „Lost“ erklangen, „All That Was Lost Is Found Again“, die Single-Auskopplung des neuen Albums „Deam“. Das Echo aus dem Publikum ist Begeisterung und die Künstler kommen nicht ohne drei Zugaben zu geben von der Bühne.

Ein Konzert, das bleibt

Mit einer der Zugaben beweist Moravek seine musikalische Herkunft und die Band ihre hohe Qualität. Denn Dylans „Simple Twist Of Fate“ hatte der Sänger erst unmittelbar vor dem Konzert als Reminiszenz an die Dylan-Leidenschaft des Americana-Kurators Waldherr ins Programm genommen. Doch die Band meistert das professionell, folgt ihrem Frontmann in die Dylan’sche Geschichte um zufällige und lebenslange Liebe, und findet zur textlichen die richtige musikalische Erzählung.

Michael Moravek & The Electric Traveling Show haben der Americana-Reihe ein ganz besonderes Konzert beschert, das die, die da waren, in Ohren, Seelen und Herzen behalten werden.

Live-Mitschnitt von Michael Moravek & Electric Traveling Show im Februar in Ravensburg:

Bob und Baskenland

18. März 2023

2006 spielte der Meister ein historisches Konzert in Donostia-San Sebastian. Nun kehrt er zu zwei Konzerten im Kursaal zurück an den Golf von Biskaya

2006 machte Bob Dylan plötzlich wieder im Zusammenhang mit einem „Friedenskonzert“ Schlagzeilen. Von der „Musikwoche“ bis zur „Jungen Welt“ las es sich ungefähr so:  „Musiklegende Bob Dylan engagierte sich im baskischen Friedensprozess. Er trat bei einem kostenlosen Konzert gemeinsam mit dem im Baskenland berühmten Sänger und Songschreiber Mikel Laboa am Sandstrand von »La Concha« (die Muschel), der Bucht von Donostia (San Sebastian) auf.“ Und: „Das Konzert war nach der Ankündigung einer ‚dauerhaften Waffenruhe‘ der baskischen Untergrundbewegung ETA am 22. März ins Programm genommen worden.“ Und weiter, typisch Dylan: „Einzige Bedingung von Seiten Dylans war, dass während des Konzerts am Zurriola-Strand der baskischen Hafenstadt keine politischen Botschaften verlesen werden durften.“

Die Veranstalter rechneten mit mehreren zehntausend Zuschauer:innen, am Ende sollen mehr als 80.000 Menschen (!) den Barden gelauscht haben und damit setzten diese Menschen wirklich ein großes Zeichen der Hoffnung auf Frieden. Und tatsächlich ist in den letzten Jahren aus einer immer wieder vom Terror durchzogenen Gegend eine recht friedliche europäische Region geworden. Ein gewisser Autonomiestatus ließ die baskische Kultur noch einmal aufleben. Ob in Literatur oder in der Kulinarik und darüber hinaus: das Baskenland hat mehr zu bieten als die bekannte Mütze.

Bobs Besuche des Baskenlands

Bob Dylan 2006, Copyright: Wikimedia Commons

Doch 2006 war nicht das erste Mal, dass Bob Dylan in der malerischen baskischen Stadt Station machte. 1989, zu Beginn seiner Never Ending Tour kam er erstmals nach San Sebastian, spielte in Spanien ansonsten nur noch in Madrid und Barcelona. Die zentralspanische Hauptstadt und die selbstbewussten, von Autonomiebestrebungen gekennzeichneten Regionen Katalonien und Baskenland. Bewusste Absicht?

1995 dann ein Abstecher nach Bilbao, doch schon 1999 bei einer Spanien-Tour mit 13 (!) Stationen stand San Sebastian wieder auf dem Plan. 2004 dann sieben spanische Stationen ohne Baskenland. 2006 stand Donostia dann wieder in Dylans Tourbuch, als eine von fünf Stationen. Aber – siehe oben – es war sicher die wichtigste und spektakulärste Station seiner damaligen Spanienreise. 2008 bei zwölf  Stationen war es wieder einmal nicht dabei. Und das Baskenland wurde bei der 2012er-Tour dann wieder einmal von Bilbao vertreten. 2015 gibt es mal wieder ein halbes Dutzend Spanien-Gigs und Donostia-San Sebastian ist dabei. 2019 dann wieder Bilbao und nun 2023 gleich zwei Termine in Donostia-San Sebastian.

Waren dort bei seinen Konzerten bislang Hallen wie der Plaza del Torres (16.000 Plätze), der Donostia Arena (11.000 Plätze) oder dem Velodrom (5.500 Plätze) für ihn gebucht, zieht es ihn nun wieder an den Strand. Zwar nicht direkt auf den Playa de Zurriola, wo sein umjubeltes 2006er-Konzert stattfand, sondern in den nahe gelegenen Kursaal. Hier bleibt er seiner zuletzt verfolgten Linie der intimen Konzerthäuser treu. Der Kursaal fasst rund 2000 Personen. Er tritt dort am 19. und 20. Juni auf. Das Gebäude wurde 1999 eröffnet, sein Architekt Rafael Moneo heimste dafür einige Preise ein.

Das Baskenland – eine spannende europäische Region

Donostia-San Sebastian: Blick auf den Playa De Zurriola mit dem Kursaal, Copyright: Wikimedia Commons

Das Baskenland, obwohl politisch seit ewiger Zeit aufgeteilt unter Frankreich und Spanien, ist ein besonderes Land mit eigener Sprache und besonderer Kultur. Zu massenkompatiblem Mainstream auf der ganzen Welt wurden nicht nur die Baskenmütze, sondern auch die Espadrilles. Heute ist das Baskenland vor allem für seine Küche bekannt. Alleine in Donostia-San Sebastian ist die Sterne-, Kochmützen- und Löffeldichte erheblich, 2019 wurden alleine 18 Michelin-Sterne dort gezählt. Die moderne baskische Küche interpretierte die traditionelle baskische Küche nach Ende der Franco-Diktatur neu, die Pintxos – kleine Häppchen am Spieß (Zahnstocher), oftmals auf Weißbrotscheiben – sind legendär.

Donostia-San Sebastian besitzt zwei Stadtstrände – den größeren La Concha („die Muschel“) und den kleineren Zurriola. Der La Concha ist durch die Bucht geschützt, Wind und Wellengang sind mäßiger. Der Zurriola ist dagegen ein Surferparadies.

San Sebastian war mit seiner Lage am Golf von Biskaya auch als stetiges Urlaubsziel für die spanischen Königsfamilien interessant, seitdem ist dort etwas teurer als in anderen Gegenden Spaniens. Wir werden Dylans Konzerte in San Sebastian besuchen und drum herum machen wir unseren Sommerurlaub.

Baskische Liedermacher

Mikel Laboa, Copyright: Wikimedia Commons

In meinem Bericht über Bob und Spanien in meinem letzten Blogpost habe ich die Darstellung Günter Amendts geteilt, dass es in Spanien aufgrund der Franco-Diktatur keine so großen Resonanzboden für die Musik Dylans gegeben habe, wie in Italien mit der Tradition der Cantautori.

Das mag für Zentralspanien stimmen, aber gerade im Baskenland hat sich unter Franco eine Szene von Liedermachern entwickelt, die kritische Lieder schrieben: Ihre Galeonsfigur war eben jener Mikel Laboa.  Er wurde zur Legende unter den baskischen Liedermachern, weil in den 1960er Jahren gegen den Franquismus und die Zensur ansang. Einige seiner Lieder wie „Txoria Txorisind sogar zu einer Art Volkslieder geworden. Kein Wunder, dass Dylan und Laboa, dessen „Txoria Txori“ auch zum Repertoire von Joan Baez gehörte, für das 2006er „Friedenskonzert“ zu einem Package zusammengestellt. Und vielleicht kennt Dylan die Geschichte der baskischen Musik so gut, dass er ganz bewusst 1989 erstmals in San Sebastian auftrat?

Dass das Baskenland auch eine kulturelle Tradition der Liedermacher hat, die wiederum mit der Dylan’schen Werk und Wirken im Austausch war und ist, bewies Mitte der 1990er Jahre Zigor Gazkez, der eine Platte in baskischer Sprache aufnahm, die Dylans Musik sehr nahe kommt. Leider verlor sich die Spur des „baskischen Bob Dylan“ schnell wieder. Mysteriöse Geschichte, der Künstler ist verschwunden, aber seine Musik bleibt bestehen.

Copyright: Elkar

Dylan auf baskisch

Ein guter Dylan-Freund erinnerte mich jetzt noch daran, dass es sogar ein Buch mit hundert Dylan-Songtexten auf baskisch gibt. „Bob Dylan – 100 kantu“ heißt das Werk. Die Übersetzungen stammen von Xabier Paya. Das Buch ist auch hierzulande zu erwerben. Übrigens ist baskisch ein absoluter Solitär und mit keiner anderen Sprache verwandt.

Vorfreude

Dylan spielt also am 19. und 20. Juni in einer interessanten Stadt in einer der bemerkenswertesten Regionen Europas. Wir werden dabei sein und sind gespannt.

(Artikel aktualisiert am 19. März 2023, 15.25 Uhr)

Bob Dylan und Spanien

10. März 2023

Dylan bereist im Juni die iberische Halbinsel/ Spanien-Bezüge: Von den „Boots Of Spanish Leather“ bis zum „Prinz von Asturien-Preis“

Über die Jahre hat Bob Dylan immer wieder in Spanien gespielt. Nun sind auf seiner Rough And Rowdy Ways-Tour auch wieder einige Spanien-Termine fest eingetragen. U.a. wird er in Madrid, Sevilla, Alicante, Granada und Barcelona spielen.

Im malerischsten Umfeld finden dabei sicher die Konzerte in Logronos und Huesca (Stierkampfarenen) und sowie in Granada (Alhambra) statt. Eher nüchterner dagegen das Kongresszentrum in Sevilla. Übrigens haben wir 2008 unser bislang einziges spanisches Dylan-Konzert ebenfalls in einem recht nüchternen Bau gesehen, dem Centro de Tecnificacion in Alicante. Wobei das Publikum hier ein bisschen nervig, weil doch stets am Handy klebend, war. Doch das ist ja in den jetzigen Smart-Phone-freien Dylan-Konzerten nicht mehr möglich. Zudem sind Locations wie die Alhambra recht kleine Konzerte und daher doch eher etwas für wirkliche Dylan- Connoisseure.

Boots Of Spanish Leather

Und was sind die Verbindungen von Dylan zu Spanien? Klar, „Boots Of Spanish Leather“, der Song, den er dichtete, als Suze Rotolo in Südfrankreich und Spanien unterwegs war. „Spanish Is The Loving Tongue“, das mittlerweile zum Traditional gewordene Stück, das auf dem Gedicht „A Border Affair“ von Charles Badger Clark aus dem Jahr 1907 basiert und 1925 von Billy Simons vertont wurde.

Das erste Mal tourte Dylan 1984 durch Spanien, dass da gerade mal wenige Jahre erst den Franco-Faschismus überwunden hatte. Der kluge und viel zu früh und tragisch verstorbene Günter Amendt hat in „Union Sundown“, seiner „Robertage“ über die Europatournee 1984, sehr schön herausgearbeitet wie unterschiedlich die Rezeptionen Dylans in Italien und Spanien waren. In Italien gab es seit den 1960er Jahren eine demokratische Liedermacher-Tradition, die sich auf Dylan berief. So etwas konnte sich in Francos Spanien nicht bilden. So war der Resonanzkörper für die ersten Dylan-Konzerte in den beiden Ländern sehr unterschiedlich.

Don Quijote und der Prinz von Asturien

Copyright: Columbia Records

Doch zwischenzeitlich hatte sich das nivelliert und neuerdings wird Italien wird Italien von einer Neofaschistin regiert und in Spanien amtiert schon seit fast fünf Jahren ein sozialistischer Ministerpräsident. Spanien hat sich zu einer scheinbar demokratisch gefestigten Gesellschaft entwickelt. Und hier in Spanien erhielt Dylan auch 2007 den mit 50.000 Euro dotierten Prinz-von-Asturien-Preis in der Sparte Kunst – wegen der dichterischen Qualität der Lieder und des gesellschaftlichen Engagements Dylans.

Apropos Kunst. In welcher Beziehung steht Dylan zur künstlerischen Tradition Spaniens? In seiner Nobelpreisvorlesung gibt er Miguel de Cervantes‘ „Don Quijote“ als einen wichtigen frühen literarischen Einfluss an. Und tatsächlich hat Larry Fyffe in seinem kurzen, klugen Beitrag für die Website „Untold Dylan“ mit dem Titel „La Mancha Is Blowing In The Wind: Bob Dylan And Don Quixote“ Parallelen zwischen Don Quijotes Charakter und der Haltung so mancher Dylan’schen Lyrik herausgearbeitet (https://bob-dylan.org.uk/archives/4112).

Dylan und Goya

Natürlich ließ sich auch der Maler und Zeichner Bob Dylan von den alten spanischen Meistern inspirieren. Schon in jungen Jahren studierte er mit Freundin Suze zusammen die klassischen Werke Goyas.

Der stets kunstinteressierte Dylan wird sicher seine Privatführungen durch den Prado in Madrid oder die maurischen Paläste in Sevilla und Granada bekommen. Und eine Reise zu den Dylan-Konzerten mit einem Spanien-Urlaub zu verbinden ist auch nicht die schlechteste Idee für diesen Sommer.