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Dylan, Wader und die Folgen

30. Januar 2013

Gedanken anlässlich eines neuen Albums von Hannes Wader

Wader&TaylorKürzlich flatterte eine CD bei mir auf den Tisch: „Hannes Wader & Allan Taylor – Old Friends In Concert“ stand drauf. Der alte Hannes also. Und ein ähnlich alter Folkfreund stand neben ihm auf dem Coverfoto.

Hannes Wader entdeckte ich zur selben Zeit wie Bob Dylan. „Kleines Testament“ hieß eine Platte, „7 Lieder“ die andere. „Tankerkönig“, „Heute hier morgen dort“, „Schon so lang“ hießen die Songs, die mich berührten, damals Ende der 70er Jahre.

Und dann schlossen sich die beiden fast gleichzeitig den Kirchen an. Der Amerikaner einer christlichen Kirche, der Deutsche der kommunistischen Partei. Doch während sich der Amerikaner bald wieder von der Orthodoxie befreite, wurde der andere über einige Jahren zum Vorsänger der DKP degradiert. Von der Partei, von den Medien, von sich selbst. Mir wurde Wader dadurch fremd. Auch wenn ich mir seine Platte mit den Arbeiterliedern besorgte. Doch als die kommunistischen Parteidiktaturen dann zusammenbrachen, gelang es endlich auch Wader, sich wieder frei zu schwimmen.

Denn beide sind große Freigeister, Lyriker und Poeten. Und Wader ist, das merkt man noch heute, vom jungen Dylan beeinflusst. Spät -1995 – coverte er „Bob Dylan’s Dream“ als „Nachtfahrt“ in Deutsch“. Dylans Schwenk zum Rock hat er nie mitgemacht. Und vom Pop da hielt er sich stets fern.

Lange Jahre war die Haltung, die diese beiden im Folk verwurzelten, aber dennoch so unterschiedlichen Künstler, vereint, gar nicht so angesagt. Die populäre Musik verlor sich in  studiogebrauter, zielgruppenkompatibler Instantmusik. Casting-Shows spülten Surrogate der immer gleichen risikolosen Popmusik nach oben.

In den letzten Jahren – Wader und Dylan waren immer noch unermüdlich am touren und Platten machen – entdeckte die Jugend dann wieder das Lied: Die gesungene Erzählung. Die Haltung „ich habe was zu sagen“ löste die Haltung „ich will ein Popstar sein ab“. In den USA und England sind es Gruppen wie die Avett Brothers, die Felice Brothers oder Mumford & Sons oder das Wunderkind Jake Bugg, die mit Gitarre, Banjo, Geige und Akkordeon, Folk- und Folkrock wieder beleben. In Deutschland ist es die neue Generation der Liedermacher (schreckliches Wort!) wie Max Prosa oder Philipp Poisel, die sich direkt auf Wader und Dylan beziehen. Zum 70. Geburtstag Waders im letzten Jahr hat diese Generation sogar ein Tribute-Album für den alten Hannes aufgenommen.

Während Dylan über all die Jahre mein Held geblieben ist, hörte und sah ich Wader dann erst Mitte der 90er wieder. Als er sich – auch hier die Analogie zu Dylan in der gleichen Zeit- aus den eigenen Trümmern und der künstlerischen Verwirrung wieder zurück zu künstlerischem Selbstbewusstsein  spielte. Und nun ist dieses wunderschöne kleine Live-Album mit seinem Freund Allan Taylor vielleicht der Fingerzeig, ihn nach einigen Jahren auch mal wieder im Konzert zu erleben.

Junger Köter trifft alten Dudel-Sack

26. Oktober 2011

Foto Credits: http://www.mlk.com

Was Bob Dylan und Mark Knopfler in Mannheim voneinander unterscheidet

Nach dem dritten Lied hört sich alles gleich an. Lahmer Celtic Pop mit noch lahmeren, dudeligen Gitarrensoli. Mark Knopfler langweilt an diesem Abend. Er war schon immer einer, der mit allzu glatten Produktionen mehr Surrogate als echten Rock in die Welt gesetzt hat. Aber an diesem Oktoberabend in Mannheim „übertrifft“ er sich in dieser Hinsicht selbst. Celtic Pop light und an der Gitarre – ganz entspannt – Mark Knopfler. Und hier geht es gar nicht darum, Erwartungshaltungen des Publikums zu enttäuschen. Denn die Knöpfler-Jünger sind zufrieden mit dem Feierabend-Ethno-Pop. Apropos Feierabend. Eher Lebensabend: Denn dem 60jährigen Knopfler hätte man gerne den Sessel hereingerollt und die Schlappen gebracht.

Ganz anders der 70jährige Dylan. Voller Adrenalin raubautzt und stürmt er durch die Songs, dass es eine wahre Freude ist. Von wegen alter Straßenköter: Zeitweise wirkt er wie ein verspielter junger Hund, eine nicht gerade hübsche Promenadenmischung, aber eine mit Charakter, mit Ecken und Kanten. Und Dylan geht mit einer Punk-Attitüde durchs Konzert, dass einen die Dylan-Figur zeitweise an die 66er Konzerte oder die Rolling Thunder Review 1975 erinnert. Während bei Knopfler jeder Ton perfekt ist und dass ganze deswegen so statisch wirkt, geht bei Dylan auch mal etwas daneben und es passt trotzdem ganz genau in den Augenblick.

Das Fazit des Abends: Aus Entspannung entsteht dahinplätschernde Meditationsmusik, die man im Buchclub kaufen kann. Ein Künstler unter Anspannung schafft Kunstwerke. Knopfler der Kunsthandwerker, Dylan der Künstler.

Setlist Bob Dylan:

1. Leopard-Skin Pill-Box Hat (Mark Knopfler on guitar)
2. Don’t Think Twice, It’s All Right (Mark Knopfler on guitar)
3. Things Have Changed (Mark Knopfler on guitar)
4. Mississippi (Mark Knopfler on guitar)
5. John Brown (Mark Knopfler on guitar, Donnie on banjo)
6. Spirit On The Water
7. Summer Days
8. Desolation Row
9. Highway 61 Revisited
10. Forgetful Heart (Donnie on violin)
11. Thunder On The Mountain
12. Ballad Of A Thin Man
13. All Along The Watchtower
14. Like A Rolling Stone

Eine Dylan-Geburtstagsnachlese

2. Juni 2011

"I'm In A Cowboy Band"

"I'm In A Cowboy Band"

Zeitungen schreiben das immer Gleiche – Gut besuchte und lebhafte Veranstaltung im Orange Peel

Nach intensiven Wochen zwischen Frauen-Fußball-WM, dem Triumphzug des SV98 in die Dritte Liga und der Vorbereitung der Dylan-Geburtstagsfeier im Orange Peel nun endlich wieder ein Blog-Eintrag.

Und natürlich geht es um Dylans 70. Geburtstag. Der Hype war diesmal nicht so groß und so aufgeregt. Den Fernsehanstalten fiel gar nichts Neues mehr ein, ein Sender entblödete sich sogar nicht, die „11 Entwürfe für einen Geburtstagsgruß“ zu versenden. Der Film ist zwanzig Jahre, erschien zu Dylans 50. Geburtstag und geht somit gar nicht auf Dylans furioses Comeback seit Ende der 90er ein. Peinlich!

Dazu gab es die eine oder andere gescheite Hörfunksendung und viele Artikel in den Zeitungen. Die allerdings – genauso wie das Gros der Buchveröffentlichungen erzählen immer das Gleiche. Ob die Autoren nun Willi Winkler, Olaf Benzinger oder Christof Graf heißen. Herauszuheben sind meines Erachtens nur zwei Werke. Zum einen die Neuveröffentlichung von Robert Sheltons klassischer Biographie, der einzigen bis heute, die unter Mitwirkung von Dylan entstanden ist. Zum anderen Michael Endepols „Bob Dylan von A-Z“, das sehr originell wichtige Begrifflichkeiten aus der Dylan-Welt erklärt.

Daneben hat auch der Autor dieser Zeilen ein Dylan-Buch geschrieben, das, wie er hofft, mal die Geschichte etwas anders erzählt. „I’m In A Cowboy Band“ erscheint im Sommer und handelt von Dylans Beziehung zu Country und Americana. Mehr Infos gibt es hier zu gegebener Zeit.

Am 27. Mai war es dann soweit, Klaus Walter, die DoubleDylans und Thomas Waldherr luden zu „Dylan im Dreierpack“, zur Geburtstagsfeier im Orange Peel. Es war eine gelungene Sache. Am Eingang bildete sich eine lange Schlange, der Saal war richtig voll und die Auftritte erfuhren viel Aufmerksamkeit. Während mein Vortrag scheinbar den „Common Sense“ im Publikum traf, wurde es bei Klaus Walters informativem und gut recherchiertem Vortrag spürbar lebhaft im Saal. Der eine oder andere Zuhörer kritisierte Walters Argumentationen und Schlussfolgerungen lautstark. Da war Stimmung. Wunderbar, man fühlte sich schon zurückversetzt in die Manchester Free Trade Hall 1966! „Judas“, you know? Dylan polarisiert immer noch. Gut so.

Den „DoubleDylans“ war es dann wieder einmal vorbehalten, die Herzen zu berühren und alle zu einen. Ein schönes Konzert der spielfreudigen Frankfurter Lokalhelden beschloss diesen Abend, der den Vortragsdebütanten bereits seine Buch-Lesereise für den Herbst entwerfen ließ.

Es geht weiter, immer weiter…

Aus der Tiefe des Raumes

14. Juni 2010

Bob Dylan interpretiert in Linz seine Rolle als Spielmacher neu

Jahrelang fand er seine Verwirklichung darin, das  Spiel von den Flügeln aus anzukurbeln. Wahlweise klebte er am linken oder rechten Spielfeldrand an der Saitenauslinie und bearbeitete dort das Spielgerät in seiner typischen unorthodoxen, die Mitspieler und das Publikum stets überraschenden Spielweise, die aber letztlich aber immer unterhaltsam und erfolgreich ist.

Gerade kam erste Kritik auf, seine letzten Auftritte seien zu statisch gewesen und dass er nicht mehr dahin gehe, wo es wirklich weh tut. Da raffte sich die Spielmacher-Legende wieder einmal auf und erfand ihr Spiel nochmals neu.

Rechtzeitig zur WM kommt er nun verstärkt aus der Tiefe des Raumes und nimmt wieder das Zentrum des Spielfeldes ein, um dort auch den Applaus der Galerie zu ernten.

Wer Bob Dylan bei seinem Auftritt dieser Tage in Linz sehen konnte, der durfte eine gut aufgelegte, vor Spielwitz nur so sprühende Musiklegende erleben. Immer wieder tänzelt er von hinten nach vorne in die Mitte und spielt dort an dem Platz, den er so lang verwaisen ließ, mal Gitarre, mal Mundharmonika und crooned und posed vor allem, dass es nur so eine Freude ist. Dylan freut sich, hat Spaß mit sich, der Musik, den Mitspielern und dem Publikum und gibt ein fast perfektes, gut zweistündiges Konzert.

Eingerahmt von Rythm & Blues-Nummern wie Leopard Skin Pill-Box Hat, Highway 61, Thunder On The Mountain oder Jolene sind es die langsamen Erzählstücke, die begeistern: Tangled Up In Blue in einer ungewohnten neuen Fassung, The Lonesome Death Of Hattie Caroll sehr anrührend, Ballad of Hollis Brown als Bluegrass-Ballade, Not Dark Yet als dunkler Todes-Monolog oder What Good Am I als vertonter Selbstzweifel. Dazu als Abschluss und Höhepunkt ein fast schon hymnisches Ballad Of A Thin Man.

In der Nachspielzeit griff er mal wieder tief in die Trickkiste und zauberte mit Forever Young eine zuletzt selten gespielte Pretiose hervor, die wieder einmal deutlich machte, welch spielerische Ausnahmeerscheinung, dieser letzte Libero im mittlerweile so perfekt durchorganisierten Spielbetrieb eigentlich ist. Abpfiff und die Arena tobt!

Setlist:

1. Leopard-Skin Pill-Box Hat
2. The Man In Me
3. I’ll Be Your Baby Tonight
4. Tangled Up In Blue
5. The Levee’s Gonna Break
6. The Lonesome Death Of Hattie Carroll
7. I Don’t Believe You (She Acts Like We Never Have Met)
8. Ballad Of Hollis Brown
9. Honest With Me
10. What Good Am I?
11. Highway 61 Revisited 
12. Not Dark Yet
13. Thunder On The Mountain
14. Ballad Of A Thin Man
   Zugabe:
   
15. Like A Rolling Stone
16. Jolene
17. Forever Young

Bobby & Willie

5. Mai 2010

Aus der großen Reunion auf der Bühne wird es nix. Zu unterschiedlich sind die Tourpläne. Während Willie Nelson drei Konzerte hierzulande spielt, zeigt His Bobness Deutschland diesmal die kalte Schulter. Wie zuletzt 2008. Und davor 1997 und davor 1992. Dylans Besuche in schöner Regelmäßigkeit waren in den letzten Jahren fast so sicher wie das Amen in der Kirche. Während Willie nur sporadisch den Weg über den großen Teich fand und findet.

Doch das diesjährige Dylan-Jahr lässt einem im Moment etwas am Meister zweifeln. Nach den vor Kreativität fast überbordenden Jahren 2004 bis 2009, scheint er sich selbst Zurückhaltung auferlegt zu haben. Ein paar Wochen Tour in Fernost, dann zwei Monate Pause, dann ein paar Wochen Tour in Europa und dann? Keine Platte, kein Gastauftritt, nicht mal irgendwas für die bunten Seiten. Erste Alterserscheinungen oder hebt er sich das große Besteck für kommendes Jahr auf? Der 70. Geburtstag naht. Doch vor dem kommt erstmal der 69. Geburtstag und den feiern wir natürlich mit den DoubleDylans in der Frankfurter „Filiale“. The Same Procedure as last year…

Gegen Willie mit seinen 77 Jahren ist Bobby ein Jungspund. Faszinierend wie klar Stimme, Geist und Wesen des texanischen Outlaws immer noch sind. Zeugnis legt hierfür unter anderem sein neues Werk „Country Music“ ab, kongenial produziert von Wunderkind T-Bone Burnett. Willies Country Music ist so wie ich sie am liebsten mag. Traditionell in der Instrumentierung und im Gefühl, modern und innovativ in der Spielweise und in der Produktion, subversiv zu den Zeitläufen. Willie am 19. Juni in Stuttgart live auf der Bühne diese Lieder spielen zu sehen, ist ein Traum.

Ebenso wie Bobby in Linz. Denn kommt er nicht zu uns, dann fahren wir ihm halt nach. Linz ist soweit nicht entfernt, eine erholsame Zugfahrt, ein schönes Wochenende in der Kulturhaupstadt 2009 und unsere Dylan-Geschichte ist für dieses Jahr wieder ins Lot gebracht.

Aber Bobby und Willie auf einer Bühne sehen, das wäre was… Man muss ja schließlich noch Ziele haben!

Von Weihnachten und Weinproben

30. August 2009

christmas_coverGeschafft! Nachdem Dylan während unserer New York-Reise es vorzieht irgendwo im Heartland und im Westen der USA zu touren, konnte ich mir nicht so recht vorstellen, dass im „Big Apple“ kein Event mit Dylan-Bezug zu finden sei. Und habe recht behalten: Auf geht’s zu Weinprobe in die „City Winery“, bei der die guten Tropfen mit den live dargebotenen Dylan-Songs korrespondieren sollen. Für mich als Weintrinker eine Vorstellung, die mich genauso amüsiert wie neugierig macht.

Ebenso amüsant wie spannend ist die Tatsache, dass Mr. Dylan sich vom Santa Bob zum Santa Claus verwandelt und uns Mitte Oktober eine neue Platte mit alten Weihnachtsliedern auf die Ohren gibt. Nun ja, als ich vor nun mehr als 30 Jahren bei voller Lautstärke in der elterlichen Wohnung mit rebellischer Pose Dylansongs grölte, da war ich weit weg von der Vorstellung, mich einmal darauf zu freuen, zu Weihnachten endlich auch eine Dylan-Platte mit Weihnachtsliedern zu bekommen und im Herbst an einer musikalischen Dylan-Weinprobe teilzunehmen. Doch man ist mit Dylan aufgewachsen, hat manche Metamorphosen distanziert gegenüber gestanden und manches bedauert, aber ist letztlich immer wieder dafür belohnt worden Dylan-Fan zu sein. So ist man heute unaufgeregter und ungezwungener ob der Haken, die er immer wieder schlägt.

Die Weihnachtsplatte passt sehr gut zu Dylan in diesen Jahren. Musikalisch könnte das bei weitem weniger peinlich werden, als einige befürchten. Hat er nicht bei „Love And Theft“ und „Modern Times“ über alten Swing/Jazzmelodien gekonnt „gecroont“? Und hat er nicht eine schöne Rezitation von Dickens’ Weihnachtsgeschichte in der „Theme Time Radio Hour“ abgeliefert? So ist denn die Nachricht über dieses Album als „Frohe Botschaft“ bei mir angekommen. Fürchtet Euch nicht! Halleluja!